Rosa Luxemburg

Gesammelte Werke (Über 150 Titel in einem Band)


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seines Werks wie in seinen Polemiken wiederholt auf Malthus als Kronzeugen. So formuliert er die Gemeinsamkeit seines Feldzugs mit Malthus in der "Revue encyciopédique":

      "Andererseits hat Malthus in England (gegen Ricardo und Say) behauptet, wie ich dies auf dem Festlande zu tun Versucht habe, daß die Konsumtion nicht die notwendige Folge der Produktion sei, daß die Bedürfnisse und die Wünsche des Menschen allerdings ohne Grenzen seien, daß aber diese Bedürfnisse und diese Wünsche durch den Verbrauch nur insoweit befriedigt werden könnten, als sie mit Tauschmitteln vereint sind. Wir haben behauptet, daß es nicht ausreicht, diese Tauschmittel zu beschaffen, um sie in die Hände derer übergehen zu lassen, die diese Wünsche oder Bedürfnisse haben, daß es sogar oft der Fall ist, daß die Tauschmittel in der Gesellschaft anwachsen, während die Nachfrage nach Arbeit oder der Lohn sich vermindert; daß dann die Wünsche und die Bedürfnisse eines Teils der Bevölkerung nicht befriedigt werden können und daß der Verbrauch ebenfalls abnimmt. Endlich haben wir behauptet, daß das unzweideutige Zeichen der Wohlfahrt der Gesellschaft nicht die wachsende Produktion von Reichtümern sei, sondern die wachsende Nachfrage nach Arbeit oder ein wachsendes Angebot des Lohnes, der für die Arbeit eine Vergütung bietet. Ricardo und Say haben nicht geleugnet, daß die wachsende Nachfrage nach Arbeit ein Zeichen der Wohlfahrt sei, aber sie haben behauptet, daß die Nachfrage mit Sicherheit aus dem Anwachsen der Produktion entstehen müsse.

      Malthus und ich leugnen dies. Wir behaupten, daß diese beiden Vermehrungen die Folge von Ursachen sind, die vollständig voneinander unabhängig, ja zuweilen sogar Gegensätze sind. Nach unserer Meinung wird der Markt überfüllt, wenn eine Nachfrage nach Arbeit der Produktion nicht vorausgegangen und ihr nicht gefolgt ist: Eine neue Produktion wird dann eine Ursache des Verfalls, nicht des Genusses."

      Diese Äußerungen erwecken den Eindruck, als ob zwischen Sismondi und Malthus, wenigstens in ihrer Opposition gegen Ricardo und seine Schule, eine weitgehende Übereinstimmung und Waffengemeinschaft bestanden hätte. Marx betrachtet die "Principles of Political Economy" von Malthus, die 1820 erschienen, direkt als ein Plagiat an den ein Jahr früher erschienenen "Nouveaux principes". In der uns interessierenden Frage besteht jedoch zwischen beiden vielfach ein direkter Gegensatz.

      Malthus wendet sich mit einer ausführlichen Kritik gegen den Satz von der Identität zwischen Angebot und Nachfrage im sechsten Kapitel seines 1827 erschienenen "Definitions in Political Economy", das er James Mill widmet. Mill erklärte in seinen "Elements of Political Economy", S. 233: "Was ist damit notwendigerweise gemeint, wenn wir sagen, daß Angebot und Nachfrage einander angepaßt (accomodated to one another) sind? Es ist dies, daß Güter, die mit einer großen Menge Arbeit hergestellt worden sind, gegen Güter ausgetauscht werden, die mit einer gleichen Menge Arbeit hergestellt worden sind. Wird diese Annahme zugegeben, dann ist alles übrige klar. So, wenn ein Paar Schuhe mit der gleichen Menge Arbeit hergestellt werden wie ein Hut, wird, solange der Hut und die Schuhe gegeneinander ausgetauscht werden, Angebot und Nachfrage einander angepaßt sein. Sollte es vorkommen, daß die Schuhe im Werte fallen im Vergleich zum Hut, so würde dies beweisen, daß mehr Schuhe auf den Markt gebracht worden sind als Hüte. Schuhe wären dann in mehr als nötigem Überfluß vorhanden. Weshalb? Weil ein Produkt einer gewissen Menge Arbeit in Schuhen nicht mehr gegen ein anderes Produkt derselben Menge Arbeit ausgetauscht werden könnte. Aber aus demselben Grunde wären Hüte in unzureichender Menge vorhanden, weil eine gewisse Summe Arbeit, in Hüten dargestellt, jetzt gegen eine größere Summe Arbeit in Schuhen ausgetauscht wäre."

      Zweitens protestiert er gegen die ganze bei Mill wie Ricardo und deren Epigonen beliebte Manier, ihre Thesen auf direkten Produktenaustausch zuzuschneiden. "Der Hopfenpflanzer", sagt er, "der etwa hundert Sack Hopfen zu Markt bringt, denkt soviel an das Angebot von Hüten und Schuhen wie an Sonnenflecke. Woran denkt er alsdann? Und was will er in Austausch für seinen Hopfen kriegen? Mr. Mill scheint der Meinung zu sein, daß es die größte Ignoranz in der politischen Ökonomie verraten hieße, zu sagen, er wolle Geld. Dennoch habe ich keine Bedenken, auf die Gefahr hin, dieser großen Ignoranz geziehen zu werden, zu erklären, daß es gerade Geld ist, was er (der Pflanzer) braucht."

      Im übrigen begnügt sich Malthus damit, den Mechanismus zu schildern, wie ein zu großes Angebot durch die Senkung der Preise unter die Produktionskosten von selbst eine Einschränkung der Produktion herbeiführe und umgekehrt. "Aber diese Tendenz, durch den natürlichen Lauf der Dinge die Überproduktion oder die Unterproduktion zu kurieren, ist kein Beweis, daß diese Übel nicht existieren."

      Man sieht, Malthus bewegt sich, trotz seines entgegengesetzten Standpunktes in der Frage der Krisen, genau in demselben Geleise wie Ricardo, Mill, Say und MacCulloch: Für ihn existiert gleichfalls nur der Warenaustausch. Der gesellschaftliche Reproduktionsprozeß mit seinen großen Kategorien und Zusammenhängen, der Sismondi ganz in Anspruch nahm, wird hier nicht im geringsten berücksichtigt.

      Bei so vielfachen Gegensätzen in der grundsätzlichen Auffassung bestand das Gemeinsame zwischen der Kritik Sismondis und derjenigen Malthus' lediglich im folgenden:

      1. Beide