Vergeltung im Tausche (müßte) der Tauschwert der Produkte äqual sein der Arbeitsquantität, die sie gekostet haben, müßten in den Produkten immer gleiche Arbeitsquantitäten ausgetauscht werden." Aber selbst vorausgesetzt, daß jedermann gerade die Gebrauchswerte produziert, die ein anderer braucht, "müßte, da es sich hier um menschliche Erkenntnis und menschlichen Willen handelte, doch immer noch eine richtige Berechnung, Ausgleichung und Festsetzung der in den auszutauschenden Produkten enthaltenen Arbeitsquantitäten vorausgehen und ein Gesetz dieserhalb bestehen, dem sich die Tauschenden fügen."104
Rodbertus betont bekanntlich mit Nachdruck seine Priorität vor Proudhon in der Entdeckung des "konstituierten Werts", was ihm gern zugestanden werden mag. Wie sehr diese "Idee" nur ein Gespenst war, das schon eine geraume Zeit vor Rodbertus in England theoretisch fruktifiziert und praktisch begraben worden war, und wie sehr diese "Idee" eine utopische Verballhornung der Ricardoschen Wertlehre war, haben Marx in seinem "Elend der Philosophie" wie Engels in seiner Vorrede dazu erschöpfend dargetan. Es erübrigt sich deshalb, auf diese "Zukunftsmusik auf der Kindertrompete" hier weiter einzugehen.
2. Aus dem "Tauschverkehr" ergab sich die "Degradation" der Arbeit zur Ware und der Arbeitslohn nach dem " Kostenwert" statt einer festen Quote des Anteils am Produkt. Rodbertus leitet sein Lohngesetz mit einem kühnen historischen Sprung direkt aus der Sklaverei her, wobei er die spezifischen Charaktere, die die kapitalistische Warenproduktion der Ausbeutung aufdrückt, nur als täuschende Lüge ansieht und vom moralischen Standpunkt verdonnert, "Solange die Produzenten selbst noch Eigentum der Nichtproduzenten waren, solange Sklaverei bestand, war es ausschließlich der Privatvorteil der 'Herren', der einseitig die Größe jenes Teils (des Anteils der Arbeitenden - R. L.) bestimmte. Seit die Produzenten die volle persönliche Freiheit, aber noch nichts weiter erreicht haben, vereinbaren sich beide Teile über den Lohn im voraus. Der Lohn ist, wie es heute heißt, Gegenstand eines 'freien Vertrages', d.i. der Konkurrenz. Dadurch wird natürlich die Arbeit denselben Tauschwertgesetzen unterworfen, denen auch die Produkte unterliegen; sie erhält selbst Tauschwert; die Größe ihres Lohns hängt von den Wirkungen des Angebots und der Nachfrage ab." Nachdem er so die Dinge auf den Kopf gestellt und den Tauschwert der Arbeitskraft aus der Konkurrenz abgeleitet hat, leitet er gleich darauf natürlich ihren Wert aus ihrem Tauschwert ab:
"Die Arbeit erhält unter der Herrschaft der Tauschwertgesetze gleich den Produkten eine Art 'Kostenwert', der auf ihren Tauschwert, den Lohnbetrag, eine Anziehungskraft äußert." Dies ist derjenige Lohnbetrag, der nötig ist, um sie "instand zu erhalten", d.h. um ihr die Kraft zur eigenen Fortsetzung, wenn auch nur in ihrer Nachkommenschaft, zu gewähren, der sogenannte "notwendige Unterhalt". Dies ist aber für Rodbertus wiederum nicht Feststellung objektiver ökonomischer Gesetze, sondern bloß Gegenstand sittlicher Entrüstung. Die Behauptung der klassischen Schule, "die Arbeit habe nicht mehr Wert, als sie Lohn bekomme", nennt Rodbertus "zynisch" und nimmt sich vor, "die Reihe von Irrtümern" aufzudecken, die zu diesem "krassen und unmoralischen Schlusse" geführt haben.105 "Eine ebenso entehrende Vorstellung als die war, welche den Arbeitslohn nach dem notwendigen Unterhalt oder wie eine Maschinenreparatur schätzen ließ, hat auch bei der zur Tauschware gewordenen Arbeit, diesem Prinzip aller Güter, von einem 'natürlichen Preise' oder von 'Kosten' wie bei dem Produkt derselben gesprochen und diesen natürlichen Preis, diese Kosten der Arbeit in den Güterbetrag gesetzt, der nötig sei, um die Arbeit immer wieder auf den Markt zu bringen." Dieser Warencharakter und die entsprechende Wertbestimmung der Arbeitskraft sind indes nichts als boshafte Verirrung der Freihandelsschule, und statt wie die englischen Ricardoschüler auf den Widerspruch innerhalb der kapitalistischen Warenproduktion: zwischen der Wertbestimmung der Arbeit und der Wertbestimmung durch die Arbeit, hinzuweisen, zeiht Rodbertus als guter Preuße die kapitalistische Warenproduktion des Widerspruchs - mit dem geltenden Staatsrecht. "Welch ein törichter, unbeschreiblicher Widerspruch in der Auffassung derjenigen Nationalökonomen" ruft er, "welche die Arbeiter in ihrer rechtlichen Stellung über die Geschicke der Gesellschaft mitentscheiden und zugleich sie nationalökonomisch nur immer als Ware behandeln lassen wollen!"106
Es fragt sich nur noch, weshalb sich die Arbeiter eine so törichte und schreiende Ungerechtigkeit gefallen lassen - ein Einwurf, der zum Beispiel von Hermann gegen die Ricardosche Werttheorie erhoben wurde. Darauf antwortet Rodbertus: "Was hätten die Arbeiter tun sollen, wenn sie sich nach ihrer Freilassung jene Vorschrift nicht hätten gefallen lassen wollen? Stellen Sie sich deren Lage vor! Die Arbeiter sind nackt oder in Lumpen freigelassen worden, mit nichts als ihrer Arbeitskraft. Auch war mit der Aufhebung der Sklaverei oder der Leibeigenschaft die moralische oder rechtliche Verpflichtung des Herrn, sie zu füttern oder für ihre Notdurft zu sorgen, fortgefallen. Aber ihre Bedürfnisse waren geblieben; sie mußten leben. Wie sollten sie mit ihrer Arbeitskraft für dies Leben sorgen? Von dem in der Gesellschaft vorhandenen Kapital nehmen und damit ihren Unterhalt produzieren? Aber das Kapital in der Gesellschaft gehörte schon anderen als ihnen, und die Vollstrecker des 'Rechts' hätten es nicht gelitten." Was blieb also den Arbeitern übrig? "Nur eine Alternative: entweder das Recht der Gesellschaft umstürzen oder unter den ungefähren früheren wirtschaftlichen Bedingungen, wenn auch in veränderter rechtlicher Stellung, zu ihren früheren Herren, den Grund- und Kapitalbesitzern, zurückzukehren und als Lohn zu empfangen, was sie früher als Futter bekommen hatten!" Zum Glück für die Menschheit und den preußischen Rechtsstaat waren die Arbeiter "so weise", die Zivilisation "nicht aus ihrer Bahn zu werfen" und sich lieber heroisch den niederträchtigen Zumutungen ihrer "früheren Herren" zu fügen. So entstand das kapitalistische Lohnsystem und das Lohngesetz als "ungefähre Sklaverei", als ein Produkt des Gewaltmißbrauchs der Kapitalisten und der Zwangslage sowie der sanften Fügsamkeit der Proletarier, wenn man den bahnbrechenden theoretischen Erklärungen desselben Rodbertus Glauben schenken soll, der von Marx bekanntlich theoretisch "geplündert" worden ist. In bezug auf diese Lohntheorie ist jedenfalls die "Priorität" Rodbertus' unbestritten, denn die englischen Sozialisten und andere soziale Kritiker hatten das Lohnsystem viel weniger roh und primitiv analysiert. Das Originelle dabei ist, daß Rodbertus den ganzen Aufwand an sittlicher Entrüstung über die Entstehung und die ökonomischen Gesetze des Lohnsystems nicht etwa dazu verbraucht, um als die Konsequenz daraus die Abschaffung des schauderhaften Unrechts, des "törichten und unbeschreiblichen Widerspruchs" zu fordern. Bewahre! Er beruhigt wiederholt die Mitmenschheit, daß sein Gebrüll wider die Ausbeutung nicht gar zu tragisch gemeint sei, er sei kein Löwe, sondern bloß Schnock der Schreiner.107 Die ethische Theorie des Lohngesetzes ist nur nötig, um daraus den weiteren Schluß zu ziehen:
3. Aus der Bestimmung des Lohnes durch die "Tauschwertgesetze" ergibt sich nämlich, daß mit dem Fortschritt der Produktivität der Arbeit der Anteil der Arbeiter am Produkt immer kleiner wird. Hier sind wir an dem archimedischen Punkt des Rodbertusschen "Systems" angelangt. Die "fallende Lohnquote" ist die wichtigste "eigene" Idee, die er seit seiner ersten sozialen Schrift (wahrscheinlich 1839) bis zu seinem Tode wiederholt und die er als sein Eigentum "in Anspruch nimmt". Zwar war diese "Idee" eine einfache Schlußfolgerung aus Ricardos Werttheorie, zwar ist sie implicite in der Lohnfondstheorie enthalten, die seit den Klassikern bis zum Erscheinen des Marxschen "Kapitals" die bürgerliche Nationalökonomie beherrschte. Trotzdem glaubt Rodbertus mit dieser "Entdekkung" eine Art Galilei in der Nationalökonomie geworden zu sein, und er zieht seine "fallende Lohnquote" zur Erklärung aller Übel und Widersprüche der kapitalistischen Wirtschaft heran. Aus der fallenden Lohnquote leitet er also vor allem den Pauperismus ab, der bei ihm neben Krisen "die soziale Frage" ausmacht. Und es wäre angezeigt, der geneigten Aufmerksamkeit der modernen Marxtöter die Tatsache zu empfehlen, daß es zwar nicht Marx, wohl aber der ihnen viel näher stehende Rodbertus gewesen ist, der eine regelrechte Verelendungstheorie, und zwar in der gröbsten Form, aufgestellt und sie im Unterschied von Marx nicht zur Begleiterscheinung, sondern zum Zentralpunkt der "sozialen Frage" gemacht hat. Siehe z.B. seine Beweisführung der absoluten Verelendung der Arbeiterklasse im "Ersten socialen Brief an von Kirchmann". Sodann muß die "fallende Lohnquote" auch zur Erklärung der anderen grundlegenden Erscheinung der "sozialen Frage" herhalten: der Krisen, Hier tritt Rodbertus an das Problem des Gleichgewichts zwischen