Will Berthold

Pinien sind stumme Zeugen


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Form von zwölf Madisons ausbezahlt haben wollte und die Bank einige Schwierigkeiten hatte, so große Scheine in Zürich aufzutreiben.«

      »Laß dich vergolden, Frankie«, schließt Partaker das Gespräch.

      Captain Robert S. Steel, in wenigen Stunden Major Steel, hat die letzten Bedenken des CIA-Gewaltigen zerstreut.

      Der Tag, in den die Hitze der Nacht mündet, ist noch jung und kühl. Bob Steel fröstelt einen Moment, als er sich nackt aus den Armen der Schlafenden löst und auf seine Armbanduhr sieht: sieben Uhr dreißig, New Yorker Zeit, zu früh noch, um aufzustehen, zu spät eigentlich, um Gipsy aufzuwecken und anzuheizen. Ein Spalt in der Fensterjalousie malt Längsstreifen in ihr Gesicht, Licht und Schatten – sie ist ohnedies eine Frau mit Atmosphäre. Die Haare der schwarzen Madonna sind zerwühlt, ihr Gesicht wirkt glatt und sanft wie die Oberfläche eines Bergsees bei Windstille.

      Schon während des Flugs hatten die beiden einander eingeheizt und gespürt, daß einer zum Brandstifter des anderen werden könnte, und so war der Mittdreißiger auf einen nächtlichen Ausbruch der Sinnlichkeit gefaßt gewesen. Trotzdem wurde er dann doch von den Eruptionen eines Vulkans überrumpelt. Steel mochte Frauen; Frauen waren sein Fall, nicht selten auch sein Sündenfall. Er schätzte die Abwechslung, aber über der Nachfolgerin vergaß er selten die Vorgängerin. Jetzt, da er im Katalog seiner Vergangenheit blättert, tut er sich schwer damit, eine ebenbürtige Matratzen-Matadorin zu finden.

      Er lotet die Schlafende aus; sein Blick wird zum Nimmersatt. Ist er bereits verliebt? So genau kann er es nicht analysieren. Bislang ist er immer mit Bravour in Affären hineingestolpert, um sich schon bald mit Fraktur wieder herauszuwinden – ein Blessierter der Gewohnheit. Irgendwie spürt Steel, aufgewühlt wie beglückt, daß ihm diese Frau aus Philadelphia womöglich mehr bedeuten könnte als seine bisherigen Eintagsliebchen.

      »Schuft!« sagt sie. »Du vergleichst mich bereits mit anderen …«

      »Du bist doch unvergleichlich«, entgegnet er. »Seit wann unterschätzt du dich?«

      »Wir müssen verrückt sein«, plaudert Gipsy, noch etwas schlaftrunken. »Du genauso wie ich.«

      »Verrückt aufeinander, Mrs. Sandler.«

      »Nenn mich nicht Mrs. Sandler«, versetzt die schwarze Madonna und gähnt. »Nenn mich deine Partnerin, Gespielin, Geliebte oder ganz einfach deine Reisebekannte mit dem nervösen Unterleib …«

      »Am Morgen auch?« fragt Steel und zieht sie an sich.

      Gipsy macht sich steif. »Nein, nicht schon wieder«, wehrt sie ihn ab. »Kannst du nicht einmal ernsthaft sein? Außerdem mußt du doch nach Washington …«

      »Das Pentagon ist weit, doch du bist nah«, entgegnet er, bereits leicht außer Atem. »Und wenn wir nicht so lange herumreden, sondern zur Tat …«

      »Ich bin gegen Quickies«, versetzt sie. »Vor allem am Morgen – nein, überhaupt bin ich dagegen.«

      »Ich auch«, versichert Steel, »aber nicht wenn Not am Mann ist. Weißt du, daß sich Tiger alle zwölf Minuten miteinander paaren – drei Tage lang?«

      »Du Bestie!« entgegnet Gipsy. Sie gähnt demonstrativ. »Mußt du denn um diese Zeit schon so munter sein?«

      »Ich bin Frühaufsteher«, erklärt er.

      »Ich dachte, du seist ein Nachtmensch.«

      »Beides«, erwidert Steel. »Ich brauche nicht viel Schlaf, und der frühe Tagesbeginn ist eigentlich die einzig bewiesene Art, sein Leben wirklich zu verlängern.«

      »Eine gräßliche Philosophie, Bob«, entgegnet Gipsy.

      Sie schnellt hoch und stürzt sich auf ihn.

      Steel fängt sie auf.

      Der Funke springt sofort über, wird zum Lauffeuer auf der Haut. Ihre Körper foltern und mögen sich. Das Karussell dreht sich im wilden Morgentaumel, zwei, die sich ineinander verkrallt haben, wirbeln herum: Washington, der Flug, die Beförderung, der Kriegsminister – nichts kann das Karussell anhalten. Und Colonel Wringler, der uniformierte Frühstücksdirektor, der ihn vom ›Plaza‹ abholen wird, soll warten.

      Sie liegen erschöpft in den Kissen.

      Bob Steel sieht wieder auf die Uhr. Inzwischen ist es wirklich Zeit, aber er verlängert noch einmal um ein paar Minuten, nicht nur weil er eine Schnaufpause nötig hat.

      Sie liegen nebeneinander, ihre Herzen schlagen wieder ruhig, keiner sagt ein Wort.

      In Mrs. Sandlers Apartment klingelt das Telefon. Laut, aufdringlich.

      »Laß«, sagt Gipsy.

      Als Bob Anstalten macht, abzuheben, nimmt sie ihm den Hörer aus der Hand. »Nein, jetzt nicht«, wehrt die Werbedame einen Anrufer verärgert ab. »Auf keinen Fall. Ich verbitte mir künftig wirklich jede Störung um diese Zeit. Ich ruf später zurück – wenn ich ausgeschlafen habe.«

      Sie legt den Hörer auf, teils verlegen, teils wütend.

      »Schon wieder der Promotion-Direktor deiner Scheißfirma?« fragt der Liebhaber ironisch.

      »Wirklich ein aufdringlicher Mensch«, behauptet Gipsy, »wenn auch ein großzügiger.«

      »Trage ich vielleicht schon ein Geweih?«

      »In diesem Fall würde er es tragen«, entgegnet die dunkle Schönheit, nicht unlogisch.

      Sie lachen beide.

      Endgültig ist der Demobilisierte in Zeitnot. Er springt unter die Dusche, trocknet sich ab, schlüpft in den Anzug von gestern, hastet in sein Apartment zurück, zieht die Uniform an, wie er annimmt, heute zum letzten Mal im Leben. Er begutachtet sich im Spiegel. Eigentlich ist das maßgeschneiderte olivgrüne Tuch genauso ungebügelt wie sein Gesicht.

      Colonel Wringler wartet schon seit dreizehn Minuten in der Halle. Mit hochrotem Kopf kommt er Steel entgegen, versucht schnaubend Verständnis für die Verspätung vorzutäuschen.

      »Sorry, Sir«, sagt der Erwartete, »aber Sie wissen ja, die Indianer greifen immer im Morgengrauen an …«

      »Macht gar nichts«, quittiert der Wichtigtuer die seltsame Entschuldigung. »Aber das Flugzeug – wissen Sie, eine Kuriermaschine – wartet nicht eine Minute. Es wäre doch peinlich, sie zu versäumen und den Minister zu versetzen.«

      »Weiß Gott«, entgegnet der Gerügte und grinst.

      Der Fahrer jagt durch Manhattan, als wäre der Gerichtsvollzieher hinter ihm her. Sie erreichen die Zubringermaschine sogar noch ein paar Minuten zu früh; sie startet auf die Minute pünktlich. Glatter Flug. Glatte Landung. Dann eine Überraschung am Ziel: Am Fuß der Bodentreppe steht Craig Ginty und winkt schon von weitem.

      Die beiden umarmen einander erfreut und spröde.

      »Die Bundespolizei hat dich nicht vergessen, Bob«, erklärt Craig dann, als sie in den Hubschrauber umsteigen, der sie in das Pentagon bringt. »Präsident Hoover persönlich hat mich als offiziellen FBI-Vertreter zu deinem Ehrentag abgestellt.«

      »Besser dich als einen anderen«, spöttelt Steel, offensichtlich ganz der alte. »Freut mich, dich zu sehen. Du bist ja jetzt ein ganz hohes Tier bei der Bundespolizei.«

      »Ich bin die Treppe hinaufgefallen«, bestätigt Ginty. »Ich leite das Ressort Falschgeldbekämpfung.«

      »Congratulations«, entgegnet der Gast. »Meine alte Abteilung.« Der alte Kumpel wirkt zerfahren, Unruhe plissiert sein Gesicht. Ein Vielfraß, der wie ein Magenkranker wirkt. »Sorgen?« fragt ihn der Ankömmling.

      Craig nickt stumm.

      »Mit der Familie?«

      »Das auch«, antwortet der FBI-Experte mit einem unechten Lachen. »Meine Frau droht ständig, sich scheiden zu lassen, weil sie mich nie zu sehen bekommt.«

      »Also berufliche Schwierigkeiten?«

      »Sagen