musste der frischgebackene Weltstar wieder daran denken: „Als ich den WM-Pokal hochhob, erinnerte ich mich an früher“, so Zidane, an die Trophäe von einst: „Es war nur eine Plastikflasche. Mit Alufolie umwickelt.“
Im selben Bestreben – nämlich aus erträumten Pokalen echte zu machen – sind in Deutschland nach der verkorksten Europameisterschaft 2004 Jürgen Klinsmann und Oliver Bierhoff angetreten. Zu ihrem Erneuerungsprogramm, mit dem sie den deutschen Fußball wieder erstarken lassen wollen, gehört auch die Wiederbelebung des Straßenfußballs. Während der Bundestrainer als Präsident und Gründer der Stiftung Jugendfußball mit dem Projekt „streetfootballworld“ vor allem aus sozialen Gründen den „Fußball von unten“ unterstützen will, geht es dem Teammanager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei seiner Initiative „Bolzplätze für Deutschland“ auch um die konkrete balltechnische Förderung des deutschen Fußball-Nachwuchses. Damit die WM-Stars von morgen auch außerhalb von Schulen und Vereinen gute Trainingsmöglichkeiten erhalten, werden die verhinderten WM-Stars von gestern animiert, Bierkästen eines bekannten Herstellers zu kaufen, der einen Teil des Projektes finanziert. Je mehr Flaschen ausgetrunken werden, so das unausgesprochene Motto, desto weniger Flaschen auf dem Platz würde man später ertragen müssen.
Ob und wann dieses Bier-Hoffnungsprojekt Erfolg haben wird, muss man abwarten. Einige Fragezeichen sind freilich jetzt schon anzubringen. Vor rund 40 Jahren, als der Autor dieser Zeilen seine ersten Kickversuche machte, gab es noch genügend Straßenecken und Bolzplätze, wo er sich die Grundlagen des virtuosen Fußballspiels durchaus hätte erwerben können. Doch leider blieb das Koordinationsvermögen seiner Füße selbst unter – im straßenfußballerischen Sinne – paradiesischen Ausgangsbedingungen derart mager, dass er nicht einmal in seinen Traumphantasien wagte, Weltmeisterliches zu vollbringen. Spaß gemacht aber hat es trotzdem. Und vor allem: Es war immer möglich, mit Freunden gegen einen Ball zu treten. Gerade dieses Einfachheit des Zugangs war und ist auch heute noch – trotz des attestierten Mangels an Bolzplätzen – eines der Ur-Geheimnisse des Fußballspiels.
BÄLLE
„Das Geheimnis des Fußballs ist ja der Ball“, lautet ein berühmter Spruch von Uwe Seeler. Für ein spontanes Fußballspiel benötigt man aber im Prinzip gar keinen Ball. Schließlich kann man in jedem Schulhof beobachten, wie irgendein x-beliebiges Ding zu einem wilden und begeisterten Herumstoßen einlädt. Aber wenn man etwas zumindest Ballähnliches hat, macht das Spiel mehr Spaß. Der erste „Fußball“ war eine Schweineblase, die man mit Lungenkraft aufblies und an den Enden wie einen Luftballon verknotete. Mit einem solchen Spielgerät machte noch Klaus Theweleit, der bekannte Autor der „Männerphantasien“, in der bundesdeutschen Nachkriegszeit erste Kick-Erfahrungen. Mit Begeisterung beschrieb er ihre Eigenschaften: „Die Blase eiert beim Fliegen, taumelt und torkelt durch die Luft wie ein Luftballon. … Sie ist gerade schwer genug, ein paar Meter weit zu fliegen, wenn man kräftig gegen sie tritt und sie am günstigsten Punkt erwischt. Im Flug bremst sie sich durch geringes Gewicht und eine taumelnde Flugbahn. Sie scheitert am Luftwiderstand und an der eigenen Ballistik. Sie ist also ganz und gar kein Fußball, sie ist gerade so viel Ahnung eines Fußballs, dass sie an seiner statt benutzt werden kann – und gerade darin liegt das Wunderbare. Die Schweinsblase ebnet die Unterschiede zwischen den Spielern ein. Niemand kann einen satten Schuss mit ihr abgeben. Niemand kann elegant drei Gegenspieler umspielen und dann auflegen oder abziehen. Ihre geringe Gravitation und die Unberechenbarkeit ihrer Flugkurven lassen es nicht zu. Sie bleibt hängen, sie landet, wo sie will, beim Mitoder beim Gegenspieler. Sie gehorcht dem Fuß- oder Kopfballspiel der Kleinen genauso gut oder genauso wenig wie dem der Großen. Es ist ihren Launen überlassen, wer das Tor schießt.“
Der kleine Theweleit war aber dann doch froh, dass er sein Können irgendwann an einem zum Kicken weit besser geeigneten Plastikball erproben konnte. Aber auch der ist mit seinen unberechenbaren Flugeigenschaften nur ein mäßiger Ersatz für einen „richtigen“ Fußball. Dessen Geschichte begann, als Schuhmacher eine Lederhülle für die aufgeblasene Schweineblase ersannen. Da sie dabei die Form der Blase berücksichtigen mussten, waren die ersten Lederbälle pflaumenförmig, vielleicht runder als ein heutiger Rugby-Ball, aber sicher nicht kugelrund. Eine Revolution in der Ballgeschichte bedeutete daher die Erfindung des Lösungsmittels für Kautschuk durch den Engländer Mackintosh und die daraus sich ergebende Möglichkeit, Gummiblasen herzustellen. Seit 1862 wurden mit der „india rubber bladder“ runde Bälle produziert. Auch die waren allerdings noch nicht perfekt, da sie auf zwei Seiten einen „Knopf“ hatten, an dem die zusammentreffenden Lederstreifen vernäht wurden.
Im März 1866 wurde erstmals für das Spiel einer Auswahl aus Sheffield und London die Verwendung eines bestimmten Balles beschlossen: Es war der „Lillywhite’s No. 5“. Dieser Ball wurde dann zum Standardball beim 1871 eingeführten FA-Cup bestimmt. Gleichzeitig wurde eine einheitlichen Ballgröße festgelegt. Der Umfang solle nicht weniger als 27 und nicht mehr als 28 Inches betragen. Diese Festlegung entspricht dem bis heute üblichen Maß (der Umfang soll mindestens 68 und höchstens 70 Zentimeter betragen). Die Qualität der Bälle erfuhr eine weitere deutliche Verbesserung mit den „knopflosen“ Bällen, die seit den 1880er Jahren zum großen Verkaufsschlager auf dem wachsenden Markt für Fußball-Utensilien wurden. Ganz rund waren aber auch diese noch nicht, da sie mangels eines geeigneten Luftventils verschnürt werden mussten. Dieser „Knubbel“ am Lufteinlass konnte ein unrundes Rollverhalten verursachen und war zudem beim Kopfball-Kontakt nicht selten Ursache von Verletzungen.
Noch bei den ersten beiden Weltmeisterschaften in Uruguay und Italien verwendete man einen aus zwölf bzw. achtzehn Streifen gefertigten „Knubbel-Ball“. Kopfball-Tore waren dementsprechend ein recht außergewöhnliches Ereignis. Als bei der WM 1938 in Paris erstmals ein rundum glatter Ball mit Ventil verwendet wurde, hatte dies einen unmittelbaren Einfluss auf die Spielweise. Waren beim vorherigen Turnier nur zwei von 70 Treffern per Kopf erzielt worden, so waren es nun 17 von 84.
Die Abschaffung der harten und hinderlichen Verschnürung ist den Argentiniern Antonio Tossolini, Juan Valbonesi und Luis Polo zu verdanken, die im Jahr 1931 eine aufblasbare Gummiblase mit Ventil erfanden. Ob sie wirklich die Ersten waren, ist allerdings nicht ganz sicher. Denn mit einer ähnlichen Erfindung warteten etwa zur selben Zeit auch die Sportartikel-Fabrikanten Gutkind & Einstein aus Nürnberg auf, die bereits seit Anfang der 1920er Jahre Spitzenbälle produzierten. Der von der jüdischen Firma entwickelte und ausschließlich über den Verband deutscher Sportgeschäfte vertriebene „selbstschließende Ball ohne Verschnürung“ konnte jedoch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten keine WM-Geschichte mehr schreiben.
Nach der Erfindung des Ventils war im Prinzip nur noch das Leder ein Problem. Denn die in der Regel aus 12 oder 18 Lederstreifen zusammengenähten Bälle konnte man soviel einfetten, wie man wollte – wenn es regnete, dann sogen sie sich unweigerlich mit Wasser voll und wurden im Verlauf des Spiels immer schwerer. Aus diesem Grund legte man fest, dass das Standardgewicht des Balles im trockenen Zustand, also zu Spielbeginn, zu ermitteln ist. Seit 1937 ist es auf mindestens 410 und höchstens 450 Gramm festgelegt. In den 1940er und 1950er Jahren waren in England vor allem zwei Modelle im Gebrauch: Im Winter benutzte man den teueren „Tugite“, da an diesem der Matsch nicht so festklebte, in der trockeneren Zeit ab März begnügte man sich mit dem billigeren Thomlinson „T“. Dieser nicht aus Streifen, sondern aus T-förmigen Teilen bestehende Ball war bei moderaten Verhältnissen ganz passabel, im Sommer allerdings, wenn der Boden knochenhart war, sprang er wie verrückt umher und war kaum zu kontrollieren. Um diesen Effekt zu verhindern, brachte man in den „T“ eine weitere Gummiblase ein und tauchte ihn über Nacht in Wasser. Dann war er nicht mehr leicht wie ein Luftballon und rollte wie eine Kugel. Pech hatte man aber, wenn dann Regen fiel. Der Ball dehnte sich aus und konnte, so heißt es, im Lauf eines Spieles durch die aufgesogene Nässe sein Gewicht verdoppeln.
Im Jahr 1963, als die Bälle immer noch schwer, unberechenbar und beim Kopfball schmerzhaft waren, begann die Firma Adidas mit der Produktion von Matchbällen. Bereits zur WM 1966 lieferte der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach 300 Bälle in den Farben orange, gelb und weiß. Offizielle WM-Bälle gibt es jedoch erst seit 1970, als die FIFA mit Adidas