ein sog. Judenhaus einziehen, in das wie in anderen Städten auch Menschen jüdischen Glaubens eingewiesen werden, und für die Stadt als Totengräber arbeiten. Nach dem Pogrom im November 1938 wird Karl Maas im KZ Buchenwald bei Weimar inhaftiert. Im Februar 1945 wird der 59-jährige in das KZ Theresienstadt deportiert, dort Anfang Mai 1945 befreit.
Karl Maas lebt später als Amtsgerichtsrat in Frankfurt am Main, wo er sich bei der SG Eintracht, bei der er zeitweise als Präsident im Gespräch ist, engagiert. Als er 1955 stirbt, laufen die Schwarz-Roten in der Oberliga Süd mit Trauerflor auf.
Sein Bruder Dr. Albert Maas (1888-1936) ist Sportarzt des FV Kaiserslautern und u.a. für Fußball-Abteilung und Jugend zuständig. Er hat in Heidelberg, Würzburg und München Medizin studiert, danach in Kaiserslautern eine Praxis eröffnet. Als »Theaterarzt« betreut er auch die Mitglieder des Stadttheaters. Im Ersten Weltkrieg ist Dr. Albert Maas Stabsarzt beim 1. Garderegiment in Potsdam. 1936 wird dem jüdischen Mediziner die Kassenzulassung entzogen. Er emigriert mit Ehefrau Emma und Sohn Werner in die USA und nimmt sich dort nach fünfwöchigem Aufenthalt das Leben. Sohn Werner Karl wurde Professor und bedeutender Genetiker, er lehrte an der Harvard University Boston, der Columbia University New York und der New York University.
Würzburg: Alfred Günzburger und Walter Hersch
Auch Würzburg, wo 1933 2.145 Glaubensjuden lebten, was 2,1% der Bevölkerung entsprach, hat lange jüdische Traditionen, die sich auch im Fußballsport niederschlugen. Nachdem am 17.11.1907 17 Gymnasiasten den FC Würzburger Kickers gegründet hatten, war von 1908 bis Mitte der 1920er Jahre der Jude und Mitgründer Alfred Günzburger Vorsitzender. Günzburger stammte aus dem badischen Schwarzwald und war über Stuttgart an den Main gekommen. Er war Allroundsportler und organisierte 1905 das erste Würzburger Leichtathletik-Sportfest auf dem Sanderrasen; Teilnehmer waren meist Mittelschüler aus Schülerfußballklubs. Beruflich war Günzburger erst als Lagerist, dann als Prokurist der Schuhgroßhandlung und -fabrik Simon Emanuel Oppenheimer tätig. »Alfred Günzburger und die Kickers waren ein untrennbarer Begriff. Der Klub und die Aktiven haben ihm unendlich viel zu verdanken«, heißt es in einer Festschrift des Würzburger Vereins.
Gegen Ende der Weimarer Republik amtierte Ludwig Oppenheimer, ein Tabakwarengroßhändler, als stellvertretender Vorsitzender der Würzburger Kickers, die von 1931 bis 1933 erstklassig waren. Max Emanuel Oppenheimer spielte für die Kickers, die 1931 mit Trainer Leo Weisz aufgestiegen waren.
1909 hatten die Kickers sich als erster Würzburger Fußballverein unter dem Vorsitz von Alfred Günzburger an der Randersackerer Straße einen eigenen Sportplatz geschaffen. Auf diesem Kickersplatz, der dank jüdischer Initiative entstanden war, versammelten sich am 10. November 1938, morgens 7 Uhr, 800 Mitglieder der NSDAP-Ortsgruppe Würzburg-Süd bzw. Sanderau, die von Ortsgruppenleiter Martin Neef angewiesen wurden, drei bis vier Marschzüge zu bilden und jüdische Wohnungen zu stürmen (»Heraus mit den Saujuden!«, »Der Jud muss raus!«). Bei diesem Pogrom wurde der 63 Jahre alte Weinhändler Ernst Lebermann, Scheffelstr. 5, so schwer misshandelt, dass er am 11. November 1938 im Israelitischen Krankenhaus Würzburg verstarb.
Auch beim Ortsrivalen FV Würzburg 04 spielte ein bekannter jüdischer Spieler zu Beginn der 1930er Jahre: der junge Walter Hersch, der als einer der besten süddeutschen Mittelstürmer galt. Der Sohn eines Weinhändlers war 1908 geboren worden, mit den »Null-Vierern« spielte er in der höchsten Liga, der Gruppe Nordbayern des Bezirk Bayern, gegen namhafte Klubs wie 1. FC Nürnberg, SpVgg Fürth und Schweinfurt 05. Hersch musste den Verein 1933 verlassen, in der Runde 1933/34 stieg Würzburg 04 aus der 1. Liga ab. Walter Hersch, der als bester damaliger Fußballer der Mainstadt galt, spielte weiter, nun in der Mittelläufer-Position für den jüdischen Sportverein seiner Heimatstadt und später für Bar-Kochba Frankfurt/Main. Er war Teilnehmer der Maccabiah 1935 in Palästina. Hersch emigrierte nach New York und traf dort, als Kellner im bekannten Bierlokal »Luechow’s« an der 14th Street in Manhattan beschäftigt, 1950 die Spieler des Hamburger SV auf der ersten USA-Tournee einer deutschen Fußballmannschaft. Die Hamburger kannten ihn gut, dementsprechend muss sein fußballerischer Ruf gewesen sein, der bis hoch in den Norden vordrang.
Bei Würzburg, im Ort Höchberg, war von 1864 bis 1938 die Israelitische Lehrerbildungsanstalt (ILBA) beheimatet. Da der kleine Ort wenig Abwechslung bot, favorisierten nach den Erinnerungen von Simon Berlinger die Schüler das Fußballspiel. »Der enthusiastischste Spielerstar« war laut Berlinger Max Grünebaum, der später Maccabi Haifa gründete, den oftmaligen israelischen Meister.
Stuttgart: Traditionen auf der Waldau
Die Stuttgarter Kickers haben den Beinamen »Blauer Adel«, übernahm doch 1907 »seine Königliche Hoheit Herzog Ulrich von Württemberg« die Schirmherrschaft über den Verein, dessen Mitgliedschaft lange von Großbürgertum und Kaufmannschaft geprägt war. Die Bezeichnung »Hebräerwies« für das Kickers-Stadion auf der Waldau war zeitweise geläufig und deutet auf jüdische Wurzeln hin; für den Ausdruck »Golanhöhen« soll in den 1970er oder 1980er Jahren der VfB Stuttgart-Zeugwart Seitz verantwortlich gewesen sein. Zu den Gründungsmitgliedern der damaligen Stuttgarter Cickers, die den Cannstatter FC verlassen hatten, gehörten 1899 jedenfalls Karl Levi (2. Vorsitzender) und E. Levi; ein Levi I ist für die Spielzeit 1899/1900 als Halblinker genannt.
Gerhard Fischer erwähnt im Buch »Stürmer für Hitler« die jüdischen Brüder Grünfeld, die seit ihrer Jugend für die Kickers spielten und Anfang der 1930er Jahre der 1. Mannschaft der »Blauen« angehörten. Einer der Brüder emigrierte nach Großbritannien. Bernhard Grünfeld, nach 1933 bei Hakoah Stuttgart aktiv und mit der deutschen Mannschaft bei der II. Makkabiah 1935 in Palästina, flüchtete 1937 nach Argentinien. Nach anderen Quellen stammte auch Josef »Joshy« Grünfeld von den Kickers, er gehörte Hakoah Wien an, spielte als Profi in den USA und besaß später in New York ein Restaurant.
Als Gönner des Vereins bis 1933 sind »der Bettfedernfabrikant Hanauer und die Familie Marx« erwähnt. Es dürfte sich dabei um Ferdinand Hanauer aus der Bettfedernfabrik Rothschild & Hanauer (in Stuttgart »Bettfedernhanauer« genannt, unter der Bezeichnung spielte auch die Werkself) handeln, der 1939 in die USA emigrierte, und um den Schuhfabrikanten Moritz Marx, der vor der Shoa in Stuttgart verstarb.
Mit Fritz Kerr besaßen die Stuttgarter Kickers 1927-29 und wieder 1932-33 einen jüdischen Trainer. Kerr, der ursprünglich Fritz Kohn hieß, war als Spieler erst beim Wiener AC und dann bei Hakoah Wien aktiv. Seine Bilanz in Stuttgart: Württembergischer Meister und Fünfter der Südmeisterschaft 1928, Vizemeister in Württemberg 1929, Württembergischer Meister und Gruppen-Vierter der Südmeisterschaft 1933. Ein Buch zur Geschichte der Stuttgarter Juden berichtet dann: »Kerr, Fritz, Sportlehrer, Liststraße 30, 1933 nach Wien.« 1951 haben ihn die Kickers nochmals verpflichtet, mit dem Aufsteiger erreichte Kerr in der Oberliga Süd Rang 12, dann wechselte er zum FC St. Gallen.
In der Nachkriegszeit waren die Degerlocher weit über Süddeutschland hinaus berühmt für ihren »Hundert-Tore-Sturm«. Der Fußball-Abteilungsleiter jener Jahre war Hugo Nathan, ein Lederfabrikant und Vollblut-Sportler. Fußball hatte er bei den Schülern und in der 1. Mannschaft des Ulmer FV 94 gespielt, dort war er auch Leiter der Jugendabteilung und erhielt als Auszeichnung die Goldene Ehrennadel des Vereins. Vor dem Ersten Weltkrieg machte er vier Jahre lang alle wichtigen Rennen des Ulmer Ruder-Club mit. Als »Reserveoffizier in Feldartillerieformation« im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet, erlaubte eine Kriegsverletzung nur noch eine eingeschränkte sportliche Tätigkeit: Hugo Nathan, inzwischen nach Stuttgart übergesiedelt, fuhr als Gast bei der Stuttgarter Ruder-Gesellschaft mit, betrieb den Kanu- und Tennissport. Mit 41 Jahren legte er 1933 die fünf Leistungsprüfungen für das Deutsche Sportabzeichen ab (das Juden später nicht mehr erlangen konnten).
Die Stuttgarter Kickers in der Gründungszeit.
Nachdem Nathan nicht mehr Mitglied bei den Stuttgarter Kickers sein konnte, engagierte er sich im jüdischen Sport. Im März 1934 wurde er von der Bundesleitung des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten beauftragt, die Vorbereitung der Schild-Sportler für die Olympischen Spiele 1936 zu organisieren (an denen letztlich keine jüdische Sportlerin und kein jüdischer Sportler aus Deutschland teilnehmen durfte). Hugo Nathan