der »FuL« das des Westdeutschen, und ihre Fehde war durchaus repräsentativ für die politische Konfliktlage im DFB. Bensemann verfolgte in den wichtigsten sportpolitischen Fragen (wie Profitum, Verhältnis zum Arbeitersport, Beziehungen zum Ausland) einen Kurs des Ausgleichs, des Pragmatismus und der Verständigung. Dagegen dominierte beim »FuL« eine aggressive deutschnationalistische Ideologie. Klein und von Mengden formulierten in pointierter Form lediglich eine Position, die im DFB längst Mehrheitsmeinung war. Wie der Streit beweist, hätte der DFB in der Weimarer Zeit die Option auf eine andere politische Entwicklung gehabt, ohne dabei seine bürgerliche Grundhaltung aufgeben zu müssen. Aus freien Stücken wählte er einen Weg, der ihn 1933 schließlich in die Arme der Nationalsozialisten führen musste.
Guido von Mengden, Bensemanns Gegenspieler, sollte übrigens noch eine bemerkenswerte Karriere durchlaufen. Im Juni 1933 wurde er Pressewart des DFB, im April 1935 Pressereferent des Deutschen Reichsbundes für Leibesübungen, 1936 Generalreferent des Reichssportführers von Tschammer und Osten. In dieser Funktion wirkte der SA-Sturmbannführer als »Generalstabschef« des deutschen Sports (so der Sporthistoriker Hajo Bernett). Nach 1945 begann er eine zweite Karriere als Sportfunktionär, wurde 1951 Geschäftsführer der Deutschen Olympischen Gesellschaft, 1954 Hauptgeschäftsführer des Deutschen Sportbundes und 1961 Generalsekretär des Nationalen Olympischen Komitees – kurzum, die »graue Eminenz« (Bernett) des bundesdeutschen Sports.38 Eine wahrhaft deutsche Karriere.
Die Vertreibung
Wenige Monate vor der nationalsozialistischen Machtübernahme stellte sich Bensemanns Situation merkwürdig zwiespältig dar. Auf internationalem Parkett zeigte ihn der FIFA-Kongress 1932 in Stockholm auf dem Höhepunkt seines Ansehens. Unter den FIFA-Granden wandelte er inter pares, Gastgeber Johanson, der schwedische Verbandspräsident, pries den »Kicker« öffentlich als »das beste Sportblatt des Kontinents«,39 und zwei seiner engsten deutschen Freunde wurden in hohe FIFA-Ämter gewählt: Jugendfreund Ivo Schricker wurde FIFA-Generalsekretär, der renommierte Kölner Schiedsrichter Peco Bauwens gelangte in den Exekutiv-Vorstand.
In scharfem Kontrast dazu stand Bensemanns Situation in Deutschland. Im Streit um eine internationalistische Ausrichtung des Sports war er immer stärker in die Defensive geraten. Seine Gesundheit war stark angeschlagen und seine finanzielle Situation denkbar schlecht. Nicht zuletzt der Eklat um den »Club«-Trainer Jenö Konrad dürfte ihm klar gemacht haben, welche Zukunft jüdische Bürger in einem nationalsozialistisch regierten Deutschland zu erwarten hatten.
Zudem hatte der »Kicker« inzwischen seine Selbstständigkeit verloren. Offensichtlich hatte selbst die enge Anlehnung an den Süddeutschen Fußballverband die ökonomische Situation des Blattes nicht gefestigt. Mit dem Nürnberger Verleger Max Willmy kam ein Partner ins Boot, der Bensemanns autokratische Position im »Kicker« bald infrage stellte und offenbar auch dessen persönlichen Reiseetat zusammenstrich.40 In einem letzten Akt des Trotzes und persönlicher Eitelkeit ließ Bensemann sich anlässlich seines 60. Geburtstags über mehrere Seiten im »Kicker« als verdienstvollen Pionier feiern. Danach resignierte er offenbar. Zwar enthielt sich der »Kicker« unter seiner Regie jeglichen positiven Kommentars zu Hitlers frischer Kanzlerschaft – aber auch jeglicher direkten Kritik.
Anfang April 1933 reiste Bensemann in die Schweiz, aus der er nicht mehr zurückkehren sollte. 1934 weilte er – von der Krankheit gezeichnet – noch als Gast bei der Fußballweltmeisterschaft in Italien, wo ihn deutsche Journalisten als Mahner vor der faschistischen Gefahr in Erinnerung behielten.41 Auch in Briefen an deutsche Freunde bekundete er seine Ablehnung des Hitler-Regimes. Doch öffentliche Äußerungen von ihm sind nicht mehr bekannt. Bensemann starb am 12. November 1934 in Montreux, wo er zuletzt im Hause seines Freundes Albert Mayer gewohnt hatte.
Es war ihm nicht erspart geblieben, die Anfänge der nationalsozialistischen Herrschaft mitzuerleben – und die fatale Anpassung von Leuten, die einst seine Weggefährten waren. Hans-Jakob Müllenbach, sein journalistischer Schüler seit 1920 und Nachfolger im »Kicker«, ließ in dem Blatt über »Asphaltliteraten« herziehen, die »das deutsche Wesen so verunglimpft« und »teilweise allerdings nun die Flucht ergriffen« hätten.42 Bereits einige Tage zuvor, am 9. April 1933, hatten die großen süddeutschen Fußballvereine, mit denen Bensemann über lange Zeit enge Beziehungen gepflegt hatte, in einer gemeinsamen Erklärung versichert, sie würden die Maßnahmen der NS-Regierung »mit allen Kräften« mittragen, »insbesondere in der Frage der Entfernung der Juden aus den Sportvereinen«.43 Zu den unterzeichnenden Klubs gehörten der Karlsruher FV, den Bensemann gegründet hatte, der 1. FC Nürnberg, zu dem er bis 1933 besonders freundschaftliche Kontakte unterhalten hatte, sowie Eintracht Frankfurt und der FC Bayern, deren Vorläufervereine er mitgegründet hatte. Kurze Zeit später proklamierte auch der DFB, an dessen Spitze seit einigen Jahren Felix Linnemann stand, er halte »Angehörige der jüdischen Rasse … in führenden Stellungen der Landesverbände und Vereine nicht für tragbar«.
Einen bemerkenswerten Nachtritt leistete sich Otto Nerz gegenüber Walther Bensemann. Der aus Süddeutschland stammende Nerz war in den zwanziger Jahren häufiger Kolumnist des »Kicker« gewesen und genoss als Reichstrainer zwischen 1926 und 1933 die uneingeschränkte publizistische Unterstützung des »Kicker«-Herausgebers. Am 4. Juni 1943 schrieb Nerz im Berliner »12 Uhr Blatt« über die Sportjournalisten der Weimarer Zeit: »Die besten Stellen bei den großen Zeitungsverlagen waren in jüdischen Händen. Die Journalisten trieben von ihrem Schreibtisch eine rein jüdische Politik. Sie unterstützten die zersetzende Arbeit ihrer Rassengenossen in den Verbänden und Vereinen und setzten die Sportführung unter Druck, wenn sie ihnen nicht zu Willen war.«44
Ivo Schricker, der für die Nazis unangreifbar in der FIFA-Zentrale saß, sowie dem Schweizer Albert Mayer blieb es vorbehalten, Bensemanns Andenken zu wahren. Am Abend nach dessen Beerdigung in Montreux beschlossen sie gemeinsam mit anderen Freunden, ein internationales Fußballjugendturnier ins Leben zu rufen und dem Pionier zu widmen.45 1937 fand in Genf das erste »Tournoi international de Football-Juniors pro memoria Walter Bensemann« statt, mit Beteiligung namhafter Vereine aus der Schweiz, der Tschechoslowakei, aus Frankreich und Italien. Weitere Turniere folgten 1938 und 1939 in Straßburg und Zürich, bis der Weltkrieg dieser Idee ein vorläufiges Ende setzte. 1946 wurde das Turnier dann wieder ausgetragen, 1951 erstmals auch in Deutschland (Karlsruhe). Die UEFA unterstützte das Projekt, das nach 1962, dem Todesjahr Schrickers, zum »Internationalen Turnier p.m. Walter Bensemann – Dr. Ivo Schricker« umbenannt wurde. Vorsitzende des Organisationskomitees waren bis 1961 Ivo Schricker als FIFA-Generalsekretär, danach IOC-Mitglied Albert Mayer, DFB-Präsident Peco Bauwens sowie FIFA-Präsident Sir Stanley Rous. Das letzte Turnier wurde 1991 vom Karlsruher FV durchgeführt, danach löste das Komitee sich auf, weil die UEFA ihre finanzielle Bürgschaft zurückgezogen hatte.
Größere Jugendturniere in Deutschland heißen heutzutage Nokia- oder McDonalds-Cup und stehen eher im Zeichen der Globalisierung als des Internationalismus.
Anmerkungen
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In der Literatur finden sich zu Bensemanns familiärem Hintergrund eher unklare Äußerungen. Sein Vater wird in der Geburtsurkunde als »Banquier« bezeichnet, der »zur Religionsgemeinschaft der Juden gehörig« sei. Ob die Mutter, wie später von Weggenossen Bensemanns beschrieben, die »Tochter eines reichen Fabrikbesitzers aus Breslau« gewesen war, konnte nicht verifiziert werden. Über seine verwandtschaftlichen Kontakte nach Schottland (über
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