wurde in einigen von Bayern-Fans produzierten, rechtsgestrickten Fanzines Ajax Amsterdam als »Judenklub« beschimpft. In den Heften befanden sich auch noch weitere antisemitische und rassistische Äußerungen. Pikant wurde es, als ein Trupp von Bayern-Fans auf einem Empfang beim Ministerpräsidenten Stoiber zur späten Stunde »Ajax ist ein Judenklub« skandierte. Während sich die Fans öffentlich mit ihrer Tat brüsteten, wollte die Staatskanzlei von dem Vorfall nichts vernommen haben.
Bernd-M. Beyer
Walther Bensemann – ein internationaler Pionier
Zu den schillerndsten Persönlichkeiten aus der frühen Zeit des deutschen Fußballs zählt Walther Bensemann. Ab 1889 propagierte er vor allem in Süddeutschland den neumodischen Sport und organisierte erste internationale Begegnungen; zwischen 1920 und 1933 leitete er mit dem von ihm gegründeten »Kicker« ein bis heute existierendes Sprachrohr des Fußballs, bevor ihn die Politik der Nazis ins schweizerische Exil zwang.
Gründerjahre
Bensemann kam aus einer wohlhabenden jüdischen Familie in Berlin. Sein Vater Berthold war Bankier, seine Mutter Eugenie entstammte vermutlich einer begüterten Familie aus Breslau.1 Ihr Sohn Walter (das »h« im Vornamen legte er sich später eigenmächtig zu) wurde in eine Zeit hineingeboren, in der die Emanzipation der Juden im Deutschen Reich augenscheinlich große Fortschritte machte. Mit der Reichsgründung 1871 waren nahezu alle gesetzlichen Diskriminierungen gefallen, und in der Dynamik der industriellen Revolution hatten es nicht wenige jüdische Bürger zu Wohlstand und wirtschaftlicher Macht gebracht. Gesellschaftliche Anerkennung war damit nur bedingt verbunden, obwohl ein Teil der jüdischen Gemeinschaft sich bemühte, durch eine betont säkulare Haltung und das Bekenntnis zum »Deutsch-Sein« die latente Diskriminierung zu durchbrechen. Absurderweise stieß gerade ihre moderne Adaption deutscher Kultur auf antisemitische Vorurteile; man warf ihnen vor, »dass sie ihre ›wahre‹ Natur mit einem ansehnlichen Schuss Kantischer Philosophie, mit Schillerschem Kosmopo-litentum und Beethoven-Sonaten zu tarnen versuchten«2.
Wahrscheinlich wuchs auch Walther Bensemann in einer weltoffenen, intellektuell wie kulturell anregenden Atmosphäre auf; seine Mutter soll Musikabende im heimischen Salon organisiert haben, und die verwandt-schaftlichen Kontakte der Familie reichten bis nach Schottland. Die kosmopolitische Einstellung seiner Eltern wird schließlich durch die Tatsache unterstrichen, dass sie ihren Sohn im Alter von etwa zehn Jahren in den französischsprachigen Teil der Schweiz schickten, wo er in Montreux eine englische Schule besuchte.
Vermutlich schon hier entwickelte sich Bensemanns Begeisterung für alles, was er für typisch Englisch hielt: das Ideal des Fair Play, die vorurteilsfreie Offenheit eines Weltenbürgers, die Selbstdisziplin und Philantro-pie des Gentleman, die Erziehung zum »sportsman«. Und er lernte den ihm bis dahin unbekannten Fußball kennen. Die Tatsache, dass die Schweizer Privatschulen seinerzeit stark von englischen Upper-class-Zöglingen frequentiert wurden, hatte das Land zum ersten kontinentalen Einfallstor des neuen Sports gemacht. 1883 sah Bensemann zum ersten Mal ein Foot-ball-Match englischer Mitschüler, die allerdings Rugby praktizierten. Später setzte sich Soccer durch, an dem sich auch der junge Deutsche versuchte. 1887, im Alter von 14 Jahren, gründete Bensemann gemeinsam mit englischen Mitschülern den Football Club Montreux und stellte sich stolz als dessen »Sekretär« vor.
Als Walther wenig später auf ein Gymnasium in Karlsruhe wechselte, war er offensichtlich entschlossen, auch die deutschen Schüler für den neuen Sport zu gewinnen. Er begann eine etwa zehn Jahre währende Missionsarbeit, in der er sich mit Tatendrang, Sprachgewandtheit, charmanter Großspurigkeit und Streitlust den herrschenden Vorurteilen gegen die »englische Modetorheit« stellte. Man sah ihn – zunächst als Schüler, später als ruhelos umherziehenden Studenten – als Vereinsgründer und -förderer unter anderem in Straßburg, Baden-Baden, Mannheim, Freiburg, Gießen, Würzburg und Frankfurt (dort bei den Frankfurter Kickers, einem Vorläufer der heutigen Eintracht). In München war er 1897 an der Gründung der Fußballabteilung des örtlichen Männerturnvereins beteiligt – aus ihr entstand knapp drei Jahre später der FC Bayern. Prägend war sein Wirken aber vor allem in Karlsruhe, das in den Pioniertagen der deutschen Fußballbewegung zu einer Hochburg avancierte und wo der von Bensemann initiierte Karlsruher FV im Jahr 1910 die Deutsche Meisterschaft erringen sollte.
Über seinen ersten Auftritt in Karlsruhe berichtete Bensemann später: »Im September 1889 ließ ich aus der Schweiz einen Fußball kommen; der Ball wurde morgens vor der Schule aufgeblasen und in der 10-Uhr-Pause musste bereits ein Fenster des Gymnasiums daran glauben. Der im Schulhof wandelnde Professor du Jour (…) hielt eine Karzerstrafe für angemessen; allein Direktor Wendt erklärte sich mit der Bezahlung des Fensters einverstanden und schickte uns auf den kleinen Exerzierplatz, Engländerplatz genannt.«3 Auch dort freilich kam es immer wieder zu Konflikten mit Spaziergängern, die sich belästigt fühlten oder sich am gewagten Outfit der jungen Sportler störten. Der örtliche Schutzmann wurde eingeschaltet, die Schule drohte wegen des »ungebührlichen Verhaltens« mit Strafen, und Bensemann galt gemeinhin als »der Engländer in der Narrentracht«.
Erste internationale Begegnungen
Dies waren Ressentiments, mit denen die junge Fußballbewegung im gesamten Deutschen Reich zu kämpfen hatte; vor allem die deutsch-national eingestellte Turnerschaft wehrte sich gegen den vermeintlich schädlichen Einfluss des »englischen Aftersports« auf die Jugend. Angesichts der Tatsache, dass Teile der Turnerschaft zudem antisemitischen Tendenzen anhingen, wird umso verständlicher, dass sich ein kosmopolitisch sozialisierter Jugendlicher aus jüdischem Hause für den Fußballsport begeisterte. Bensemanns Ehrgeiz ging allerdings weiter. In einer für ihn typischen Mischung aus persönlichem Ehrgeiz und politischer Utopie plante er ein Auswahlteam, das auf dem europäischen Festland einen grenzüberschreitenden Sportverkehr herstellen sollte. Dem sollten zunächst die »Karlsruher Kickers« dienen, die Bensemann 1893 gründete und in denen er eine an den berühmten englischen »Corinthians« orientierte Elitemannschaft sah. Den Kader der »Kickers« rekrutierte er aus einem Netz von Kontakten und Bekanntschaften, das er inzwischen in Süddeutschland geknüpft hatte; sein bester Spieler übrigens stammte aus Straßburg und war ein gewisser Ivo Schricker, der knapp 40 Jahre später zum FIFA-Generalsekretär aufsteigen sollte.
Der selbst erhobene Anspruch der »Kickers«, nämlich »Meistermannschaft des Kontinents« zu sein, wurde allerdings kaum eingelöst. Zwar gelang es Bensemann bereits 1893, die erste internationale Fußballbegegnung in Süddeutschland einzufädeln (gegen ein Team aus Lausanne), doch scheiterten seine Bemühungen, ein französisches Meisterteam nach Straßburg zu holen. Was Bensemann als Akt der Völkerversöhnung verstanden wissen wollte, hielt man in Paris für politische Provokation – immerhin war Straßburg im deutsch-französischen Krieg, also nur zwei Jahrzehnte