Dietrich Schulze-Marmeling

Davidstern und Lederball


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Sommerdrillich, ein Hemd, wurden wie die Zuchthäusler kahl geschoren, alle Bärte fielen, alle Schnurrbärte, und mit den neu empfangenen Sachen ging’s hinein in den Baderaum. Hier feierte nun der Sadismus unserer Wärter wahre Orgien. Was sie mit den nackten, wehrlosen Juden dort anstellten, spottet jeder Beschreibung. Duschen mit fast kochend heißem Wasser, Duschen mit eiskaltem Wasser, Abspritzen mit Wasserschläuchen, Abbürsten mit Schrubbern und Besen.«35 Nach vier Wochen wurde Landauer gemeinsam mit anderen Gefangenen wieder freigelassen. Blumenthal über den Tag der Entlassung: »Die Turmuhr über dem ›Schurhaus‹, der Wache, schlug gerade halb zwei, es war auf die Minute genau vier Wochen nach meiner Verhaftung, als wir das Tor des Konzentrationslagers hinter uns ließen und wieder in die Welt traten. Eine Gruppe marschierte an uns vorbei, arme Kameraden, die noch weiter schmachten mussten. Sie sangen: ›Und kommt einmal die schöne Zeit, wo aus der Schutzhaft wir befreit…‹. Wir marschierten jetzt auf die Straße, zum Bahnhof Dachau. Noch immer unter SS-Begleitung. Vorne setzten sie die Hüte auf. Welches Gefühl! Die Welt, Autos. Jeder Schritt ein Schritt in die Freiheit, nach Haus! In Dachau bestiegen wir den Zug nach München, die SS blieb zurück, wir waren frei. In München erwartete uns ein jüdisches Komitee. Wir wurden in einen abgesperrten Warteraum geführt und bekamen Tee und trockenes Brot. Jetzt erst merkten wir, dass wir Hunger hatten. Wir waren erschöpft vor Aufregung und Freude und sehr gerührt, dass für uns gesorgt wurde.«36

      In der Zeit vom 1. Januar 1938 bis zum Auswanderungsverbot am 1. Oktober 1939 gelang reichsweit noch etwa 170.000 Menschen die Flucht. So auch Kurt Landauer, der am 15. Mai 1939 in die Schweiz nach Genf emigrieren konnte, dorthin, wo einige Jahre zuvor auch Bensemann Zuflucht gefunden hatte. (Bensemann zog 1934 nach Montreux am Genfer See, wo er noch im gleichen Jahr verstarb.) Zu diesem Zeitpunkt war es für flüchtende Juden bereits äußerst schwierig, in das »neutrale« Land zu gelangen. In Genf lebten bereits Angehörige der Familie Klauber, die Landauer bei der Einwanderung halfen. In Genf unterhielt Landauer Kontakte zum FC Servette, gegen den die Bayern vor 1933 wiederholt Freundschaftsspiele bestritten hatten. Als die Bayern-Elf nun wieder in Genf gastierte, saß auch Landauer auf der Tribüne. Die Mannschaft ließ es sich nicht nehmen, ihren langjährigen Präsidenten zu begrüßen, wofür sie nach ihrer Heimkehr von den Machthabern schwer gescholten wurde.

      Die jüdischen Kaufleute in der Kaufingerstraße waren von den Nazis längst enteignet worden, viele von ihnen wurden später auch ermordet. Ihr Eigentum ging an »Arier« deutscher oder auch US-amerikanischer Nationalität. Bis 1938 gehörte die Kaufingerstraße 26, die an die Woolworth AG Berlin vermietet war, den Brüdern Kurt und Franz Landauer. Am 9. November 1939 übernahm Woolworth die Immobilie als Besitz.

      Kurt Landauers Geschwister Dr. Paul Gabriel, Franz und Leo wurden von den Nazis ermordet. Paul Gabriel wurde im November 1941 in den Osten deportiert. Mit etwa 1.000 anderen Juden wurde er am 25. November 1941 in Kowno (Kaunas/Litauen) von Angehörigen der Einsatzgruppe A erschossen. Franz Landauer konnte 1939 den nationalsozialistischen Judenjägern zunächst durch Flucht nach Amsterdam entkommen. Als ihn ein Denunziant wegen despektierlicher Äußerungen über die Nazi-Okkupanten denunzierte, wurde Franz Landauer verhaftet und in München vor Gericht gestellt. Auf der Fahrt nach München wurde Franz Landauer von einem Gestapo-Beamten »begleitet«, der von ihm wissen wollte, ob er ein Bruder des ehemaligen Bayern-Präsidenten sei. Als Franz Landauer dies bejahte, offenbarte sich der Gestapo-Mann als Bayern-Fan, was für den Gefangenen wenigstens eine angenehme Reise zur Folge hatte. In München wurde Franz Landauer freigesprochen und kehrte nach Amsterdam zurück. Nach einer erneuten Verhaftung kam Franz Landauer 1943 im KZ Westerbork ums Leben.

      Als die US-Armee am 30. April 1945 München, die einstige »Hauptstadt der Bewegung«, übernahm, lebten nur noch 84 Juden in der Stadt.

      Landauer, die Zweite

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      Bescheid in der »Wiedergutmachungsangelegenheit « Kurt Landauer.

      1947 wählte die Jahreshauptversammlung des FC Bayern Kurt Landauer erneut zum Präsidenten, der er nun bis 1951 blieb, bevor er, 65-jährig, für immer zurücktrat. Nach Gründung der Oberligen und der Einführung des Vertragsspielers war Landauer auch noch Vorsitzender der Interessensgemeinschaft der süddeutschen Vertragsspielervereine. Mit insgesamt 16 Amtsjahren wird Kurt Landauer in der Geschichte der Bayern-Präsidenten nur von Wilhelm Neudecker übertroffen.