und München zu begrüßen. Nach Schätzungen der Polizei empfingen 150.000 Münchener den »Führer«, während 18.000 dem Derby beiwohnten. Der TSV 1860 gewann mit 2:1, ein Ausgang mit Symbolkraft. Einen Tag nach dem Münchener Derby stand in den Zeitungen eine Verlautbarung des neuen Polizeipräsidenten Heinrich Himmler, in der dieser die Verhängung von »Schutzhaft« begründete.
Am gleichen Tag, an dem Landauer beim FC Bayern seinen Hut nahm, wurde auch Dr. Scharnagl vom Münchener Stadtrat »verabschiedet«. Zunächst für das Zentrum, später die Bayerische Volkspartei hatte Scharnagl 1911-18, 1920-24 und 1928-32 im Bayerischen Landtag gesessen. Erster Bürgermeister Münchens war Scharnagl seit dem 1. Januar 1925 gewesen. In dieser Funktion hatte er sich insbesondere einen Namen durch seine kommunale Wohnungspolitik und die Schaffung neuer städtischer Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitswesen erworben.
Antisemitismus
Im Februar 1933 beherbergte München mit 10.773 Bürgern jüdischen Glaubens eine der größten jüdischen Gemeinden im Reich, wobei diese Zahl nicht jene Bürger jüdischer Herkunft berücksichtigt, die sich durch Assimilation von ihren jüdischen Wurzeln entfernt hatten. Allerdings wurden nun durch die »armselige rassenideologische Definition des Judentums durch die Nazis die persönlichen Glaubensentscheidungen über Nichtzugehörigkeit zum Judentum rückgängig gemacht, wurden Menschen, die sich keiner Glaubensrichtung zugehörig fühlten oder den christlichen Konfessionen beigetreten waren, wieder zu Juden erklärt und der jüdischen Gemeinde zugerechnet«.20
Größer als in München waren nur die Gemeinden in Berlin (160.564 Mitglieder), Frankfurt (26.158), Breslau (20.202), Hamburg (16.885), Köln (14.816) und Leipzig (11.564). Bei einer Gesamteinwohnerzahl von 735.388 Menschen war der jüdische Bevölkerungsanteil in München mit 1,2 Prozent indes vergleichsweise niedrig. In Berlin betrug er 3,8 Prozent, in Frankfurt 4,8 Prozent und in Köln immerhin noch 2 Prozent. München war »anders als etwa Berlin, Frankfurt oder Wien nie eine Stadt, in der die Prägekraft jüdischer Lebenswelten so markante Zeichen setzte, dass hier ein die gesamte Stadtgesellschaft dauerhaft mitbestimmendes jüdisches Kolorit erwachsen konnte. Der jüdische Bevölkerungsanteil in München war stets unterdurchschnittlich, jüdisches Leben war im öffentlichen Raum als solches oft nicht erkennbar, blieb unauffällig. Gleichwohl ist die Historie dieser Stadt ohne jüdische Einflüsse nicht zu denken. (…) Im künstlerischen Bereich fallen in diesem Kontext vor allem – und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die Namen Max Bernstein, Elsa Bernstein, Karls Wolfskehl, Lion Feuchtwanger, Hermann Levi und Heinrich Porges. Herausragende Wissenschaftler und Gelehrte waren Hermann Oettinger, Richard Willstät-ter, Alfred Pringsheim, Gottfried Merzbacher, Michael Bernays, Josef Perles, Heinrich Harburger. Im Kunst- und Antiquitätenhandel waren die Unternehmen Bernheimer, Rosenthal und Heinemann hochangesehene Häuser von internationalem Rang. Bis weit in die dreißiger Jahre hinein ließ es sich beispielsweise Hermann Göring nicht nehmen, das Haus Bernheimer beim Kauf wertvoller Kunst- und Einrichtungsgegenstände zu konsultieren – trotz des geltenden Verbots für NSDAP-Mitglieder, in jüdischen Geschäften einzukaufen. Nicht nur für viele Stadtbewohner, auch für die Bewohner des Münchener Umlands war der regelmäßige Einkauf im Kaufhaus Tietz am Hauptbahnhof oder ›beim Uhlfelder‹ im Rosental ein wichtiges Ereignis.«21
Trotz der großstädtischen Liberalität, die München nachgesagt wurde, existierten im München der 1920er Jahre auch starke antisemitische Tendenzen. Die jüdische Lebenswelt wurde von vielen Nicht-Juden als etwas Fremdes betrachtet, der man nicht nur mit Verwunderung, sondern auch mit Argwohn bis offener Ablehnung begegnete. Dies galt auch für Schwa-bing. Thomas Mann war einer der ersten, der in Schwabings Schickeria rechtsradikale Tendenzen ausmachte. Die Satirezeitschrift »Simplicissimus«, einst ein »Sturmgeschütz« gegen wilhelminische Biederkeit und die Verlogenheit der herrschenden Moral, lavierte während der Weimarer Republik zwischen einem kritisch-liberalen und rechtskonservativen Kurs. Unter den Nazis schwenkte das Blatt auf die Regierungslinie ein. »Obwohl jüdisches Leben in der Zwischenkriegszeit weitaus stärker sichtbar und gegenwärtig war, als uns dies heute vorstellbar ist, war man von einer ›Nor-malität‹ – im Sinne von Selbstverständlichkeit – im Zusammenleben von Juden und Nichtjuden weit entfernt.«22 Der FC Bayern dürfte diesbezüglich eher zu den Ausnahmen gehört haben.
Zwischen dem 1. und 16. März 1933 verließen 3.574 Juden die bayerische Metropole. Reichsweit flohen 37.000 Juden ins Ausland. Die überwiegende Mehrheit der Juden blieb allerdings im Lande und spekulierte wohl darauf, dass es sich beim Hitler-Regime lediglich um ein vorübergehendes Phänomen handeln würde. Zu ihnen gehörte auch Kurt Landauer. Seit dem 1.9.1930 war Landauer als Abteilungsleiter der Anzeigenverwaltung des Verlags Knorr & Hirth beschäftigt, Herausgeber der »Neuen Münchener Nachrichten« (heute »Süddeutsche Zeitung«). Im Zuge der Arisierung des Betriebs wurde Landauer hier am 30.4.1933 unter Fortzahlung der Gehaltsbezüge auf zwei Monate fristlos entlassen. Kurze Zeit später kam Landauer bei der Wäschefirma Rosa Klauber unter, die einer jüdischen Familie gehörte. Als Abteilungsleiter von Knorr & Hirth hatte Landauer noch ein monatliches Gehalt von 550 RM bezogen, nun musste er sich mit 225 RM zufrieden geben.23
Am 1. April kam es reichsweit zu Boykottaktionen gegen Juden, denen der Erlass des Gesetzes »zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« unmittelbar folgte. Einige der Turn- und Sportverbände reagierten umgehend mit der Übernahme des »Arierparagrafen« in ihren Wirkungsbereich und dem Ausschluss ihrer jüdischen Mitglieder. So auch der Süddeutsche Fußball- und Leichtathletikverband. »Die unterzeichneten, am 9. April 1933 in Stuttgart anwesenden, an den Endspielen um die süddeutsche Fußballmeisterschaft beteiligten Vereine des Süddeutschen Fußball- und Leichtathletikverbandes stellen sich freudig und entschieden den von der nationalen Regierung auf dem Gebiet der körperlichen Ertüchtigung verfolgten Besprechungen zur Verfügung und sind bereit, mit allen Kräften daran mitzuarbeiten. Sie sind gewillt, in Fülle dieser Mitarbeit alle Folgerungen, insbesondere in der Frage der Entfernung der Juden aus den Sportvereinen, zu ziehen.« Zu den Unterzeichnern gehörten auch die ehemaligen »Juden-Clubs« Stuttgarter Kickers, Eintracht Frankfurt und Bayern München.24
Rote und Blaue
Dennoch war die Nazifizierung des FC Bayern eine eher zähe Angelegenheit. Zwar gab es auch beim FC Bayern schon vor 1933 überzeugte Nazis, die allerdings zunächst nur eine kleine Minderheit im Klub bildeten. Die NSDAP war insbesondere in der Skiabteilung stark vertreten; die Wintersportler stellten dann auch den nun obligatorischen so genannten »Diet-wart«, verantwortlich für die nationalsozialistische Erziehung der Vereinsmitglieder. Außerdem übernahmen sie schon bald nach der braunen Machtergreifung die Vereinszeitung.
In der Vereinschronik zum 50-jährigen Bestehen des FC Bayern ist bezüglich seiner »Arisierung« zu lesen: »Die Parteipolitik und der wie Gift ausgestreute Rassenhass machte auch vor der sportlichen Kameradschaft nicht halt. Immer schon hatte man im Klub die Anschauung vertreten, dass jeder anständige Mensch, gleich welcher Rasse oder Religion, Platz beim Sport finden könne. Dieser Grundsatz verlor plötzlich durch Regierungsbefehl seine Berechtigung. (…) Es kamen die Rassengesetze und mit ihnen der Arierparagraf. Damit aber auch das Ausscheiden vieler alter und treuer Bayern, die in unseren Reihen nichts anderes kannten, als gleich allen übrigen Mitgliedern am Aufbau des Klubs mitzuarbeiten, sich an seinen sportlichen Siegen und Erfolgen zu freuen und Rückschläge und Niederlagen mit tragen zu helfen.«25 Willy Simets-reiter über das Schicksal der zahlreichen jüdischen Funktionäre und Balltreter beim FC Bayern: »Plötzlich waren die verschwunden. Das war schade für diese Leute, das waren alles gute Leute.« Geredet worden sei darüber nie, nur über »Fußballs und Mädels. Mei, wir waren jung.«26 Und Simetsreiters Mitspieler Herbert Moll: »Zu uns haben die nix gesagt. Das war