in Bayern und München verbreitet. Kaum zu glauben, aber wahr: Edmund Stoiber, Mitglied des Verwaltungsrats des FC Bayern, war der erste Ministerpräsident des Freistaats, der mit der unseligen Tradition seiner Vorgänger brach, um die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau einen weiten Bogen zu machen.
Bezüglich der Zurückhaltung des Vereins gegenüber seiner eigenen Geschichte sollte man indes nicht nur politische Motive vermuten. Für die meisten Angestellten der Verwaltung eines Profiklubs beginnt die Geschichte ihres Arbeitgebers erst mit ihrem ersten Arbeitstag. Die Historie des Klubs ist »alter Scheiß, der mich nicht interessiert«, wie es einmal ein für die Pressearbeit zuständiger Bayern-Funktionär gegenüber einer Journalistin der in London erscheinenden Zeitschrift »Totally Jewish« formulierte. Die Unglückliche hatte es gewagt, beim FC Bayern am Tag nach einer Champions-League-Niederlage in Lyon anzurufen, um Erkundungen über die Rolle des Klubs in der Nazizeit anzustellen. In bester Absicht, ging es doch darum, dass der FC Bayern in diesen Jahren eine etwas ruhmreichere Rolle spielte als viele andere deutsche Klubs.
Ein offensives Bekenntnis zur Geschichte der Juden in seinen Reihen hat der FC Bayern bislang nur einmal abgelegt. Anfang 2001 erreichte die Diskussion über die Entschädigungszahlungen an ehemalige NS-Zwangsar-beiter auch den Profifußball. Als erster Verein sagte der FC St. Pauli seine Beteiligung an der Stiftungsinitiative zu. Auch beim FC Bayern stand das Thema auf der Tagesordnung. An der Säbener Straße plädierte man für eine einheitliche Regelung und Absprache der Bundesliga. Ein einseitiges Vorpreschen à la FC St. Pauli wurde indes abgelehnt. Schließlich, so Geschäftsführer Karl Hopfner, sei der Klub »selbst von dem Nazi-Regime betroffen gewesen«.51 Eine Einladung zu einer Tagung der Universität München mit dem Titel »Juden und Sport. Zwischen Integration und Exklusion«, im Jahr 2002 organisiert vom Lehrstuhl für jüdische Geschichte und Kultur, mochte der FC Bayern indes nicht annehmen.
Anmerkungen
Der Autor dankt Uri Siegel und Michael Buchmann (KZ-Gedenkstätte Dachau) für ihre freundliche Unterstützung.
1 | Im »Kicker« 2/1923 schrieb Simon Rosenberger in einer Laudatio anlässlich des 50. Geburtstags von Walther Bensemann: »1897 war er Mitbegründer der F.M. des M.T.V. München 1879, der ersten Fußballmannschaft Münchens.« |
2 | Walther Bensemann: Münchener Stimmungen, in: »Kicker« 5/1923 |
3 | Heiner Gillmeister: The Tale of Little Franz and Big Franz: On the Foundation of Bayern Munich FC, in: »Soccer and Society«, Vol.1, No. 2, 2000 |
4 | Zit. nach Gerhard Fischer: Und Bender spielte mit Krawatte. Kavalier- und Judenklub: Der FC Bayern von den Ursprüngen bis zum Ende des Dritten Reiches, in: »Süddeutsche Zeitung« |
5 | Zitiert nach Siegfried Herrmann: 50 Jahre F.C. Bayern München e.V., München 1950 |
6 | Zit. nach Rafael Jockenhöder /Ralf Grengel: 100 Jahre FC Bayern München, Berlin 2000 |
7 | Über Schwabing als Wiege des FC Bayern siehe ausführlicher: Dietrich Schulze-Marmeling: Die Bayern. Vom Klub zum Konzern, Göttingen 1997 |
8 | Elisabeth Angermair: Die Anfänge des Fußballspiels in München, in: Stadtarchiv München (Hrsg.), München und der Fußball, München 1997 |
9 | Gillmeister, 2000 |
10 | Gillmeister, 2000 |
11 | Zum Wirken von Gus Manning in den USA: Gillmeister 2000; Dietrich Schulze-Marmeling / Hubert Dahlkamp: Die Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaft, Göttingen 2002; Andrei S. Markovits / Steven L. Hellermann: Im Abseits. Fußball in der amerikanischen Fußballkultur, Hamburg 2002 |
12 | Walther Bensemann, siehe Anmerkung 2 |
13 | Ders. im »Kicker« 28/1922 |
14 | Zit. nach Holger Gertz: Fußballer des Jahrhunderts. Ein Präsident im KZ, ein Foto von Jesse Owens und Spiele in Ruinen – woran sich der alte Linksaußen Willy Simetsreiter zum Jubiläum des Klubs erinnert, in: »Süddeutsche Zeitung« |
15 | Die Information über den Geburtsnamen Dombis stammen von Hardy Grüne, Matthias Marschik und Werner Skrentny. In der Literatur herrscht über Dombis Nationalität eine gewisse Verwirrung. Mal ist Dombi Schweizer, mal Österreicher, mal Ungar. |
16 | Zu den Spannungen zwischen der FIFA und dem Fachamt Fußball im Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen (NSLR) während der NS-Jahre siehe Arthur Heinrichs: »Rücksichtslos deutsch.« Peco Bauwens, das Fachamt Fußball und die FIFA, in: »SportZeiten«, 2. Jahrgang 2002, Heft 2 |
17 | Zit. nach Hardy Grüne: Oskar Rohr (Bayern München), in: ders.: Vom Kronprinzen bis zur Bundesliga (Enzyklopädie des deutschen Ligafußballs – Band 1), Kassel 1996 |
18 | Zit. nach Gerhard Fischer, siehe Anm. 4 |
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