der Krankenversicherung oder dem Steuerwesen. Ist dagegen Deutsch die Ausgangssprache, können dänische Zitate und Zitatwörter zum Beispiel mit Bezug auf die dänische Schule auftreten. Auch Interjektionen aus dem Deutschen sind häufig, obwohl die Entscheidung schwierig sein kann, ob es sich tatsächlich um Code-Switching oder um eine sprachliche Variation handelt, zum Beispiel im Fall der Interjektion ja. Bestätigungsfragen (tag questions), zum Beispiel ne? (dän. ikke også?), sind ebenfalls oft mit einem Sprachwechsel von Dänisch zu Deutsch verbunden, ebenso wie Adverbien, zum Beispiel so, das als Diskursmarker fungiert, oder gut in einer abschließend-zusammenfassenden Funktion.
Code-Switching im mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauch von Schülerinnen und Schülern an dänischen Schulen in Südschleswig wird u.a. in den Untersuchungen von Pedersen (2000) und Kühl (2008) analysiert. Kühl (2008) betrachtet sowohl Code-Switching als auch Lehnbildungen und Konvergenzen, d.h. eine Annäherung zwischen den Sprachen, als Sprachkontaktphänomene. Die Ergebnisse einer quantitativen Analyse zeigen, dass „das Deutsche die Ursache von wesentlich mehr Sprachkontaktphänomenen im Dänischen ist als umgekehrt“ (Kühl 2008: 208). Sie kommt zu der Schlussfolgerung, dass
nicht alle Kodewechsel und jedes Sprachkontaktphänomen Kontextualisierungshinweise darstellen und Teil einer pragmatischen Intention sind. Viele Kodewechsel und Sprachkontaktphänomene entstehen vor dem Hintergrund der individuell divergierenden sprachlichen Kompetenz sowie des divergierenden sprachlichen Repertoires des Informanten. (Kühl 2008: 217)
Pedersen (2000) kommt zu dem Schluss, dass das Code-Switching von Dänisch zu Deutsch in Gruppengesprächen teils bewusst eingesetzt wird, um die Meinungen oder Handlungen anderer zu ändern bzw. zu beeinflussen oder um mit der Sprache zu spielen; teils kann Code-Switching aber auch dafür verwendet werden, semantische Lücken in einer der Sprachen zu füllen. Die Zweisprachigkeit wird in beiden Fällen als Ressource genutzt; und nur Defizittheorien, welche die Einsprachigkeit als Norm setzen, werden solche Strategien als negatives Code-Switching interpretieren.
Ein Beispiel aus Pedersen (2000/I: 278) sind Aufnahmen aus einer Gruppenarbeit, in der die SchülerInnen die Aufgabe hatten, gemeinsam aus Legosteinen eine Figur zu bauen.1 Die (durch den Kontext der dänischen Schule) vorgegebene Interaktionssprache ist Dänisch. Gruppenmitglied I ist mit Dänisch und Deutsch als doppelten Erstsprachen aufgewachsen, und Gruppenmitglied M spricht Deutsch als Erstsprache und Dänisch als Minderheitszweitsprache.
(1) M: du må ikke tale tysk.‚du darfst nicht deutsch sprechen.‘I: gør jeg heller ikke. ich doch nicht.‚mache ich auch nicht. […].‘M: så må vi bare tage nogle gule og røde og blå sten eller sådan noget. hilft mir denn mal jemand?‚Dann müssen wir bloß ein paar gelbe und rote und blaue Steine oder so nehmen. […]?‘I: altså den hest den skal være ungefähr så bred her.‚also das Pferd das muss ungefähr so breit sein.‘
I setzt Code-Switching ein, um die vorherige Aussage zu unterstreichen, und M hebt durch den Sprachwechsel einen Unterstützungsbedarf und einen Wechsel der Diskursebene hervor. Das Code-Switching auf Satzebene hat dementsprechend hier eine emphatische Funktion oder fungiert als Machtmittel. Dieser Typus des Code-Switching wird von den Schülerinnen und Schülern häufig verwendet. Sie wechseln entweder in eine Sprache, die im Kontrast zur Sprachwahl des Gegenübers in der vorhergehenden Äußerung steht, oder sie wiederholen eine Aufforderung mithilfe von Code-Switching, also in der jeweils anderen Sprache, und verstärken sie dadurch. Die Verwendung von ungefähr durch I deutet kaum auf eine semantische Lücke hin, sondern soll eher eine Hervorhebung signalisieren.
Wenn Schülerinnen und Schüler zwischen den Sprachen hin- und herwechseln, ohne dass damit eine bestimmte Absicht verbunden ist, kann das Ausdruck von einer spielerischen Sprachverwendung sein, oder es kann genutzt werden, um die Minderheitsidentität zum Ausdruck zu bringen: „Ich kann beide Sprachen, sowohl die der Minderheit als auch die der Mehrheit, und außerdem auch die internationale Sprache Englisch.“ Diese Form des Sprachgebrauchs kann als globalisierte Jugendsprache bezeichnet werden; Hinweise darauf finden sich auch bei vielen Jugendlichen der deutschen Mehrheit in Südschleswig, die Deutsch und Englisch verwenden.
Im folgenden Beispiel sprachen die SchülerInnen2 unmittelbar vorher dänisch. Deshalb ist hier Deutsch markiert, da es die Sprache ist, in die gewechselt wird.
(2) M: lass mal julesange singen. lad os synge julesange. ‚lass mal Weihnachtslieder singen. Lass(t)3 uns Weihnachtslieder singen.‘I: er der wird interviewt.
ALLE [singen]: regn og slud i sne og frost. ‚Regen und Graupel in Schnee und Frost.‘B: hier euer Hund.I: ja das ist gut. das ist gut. det er godt. det er godt B. det er meget godt.‚[…]. das ist gut. das ist gut B. das ist sehr gut.‘M: sving dig med omkring.‚dreh dich mit rum.‘I: sving dig. the dog is4 genauso big wie the baby‚dreh dich. der Hund ist genauso groß wie das Baby.‘
Das Code-Switching der zweisprachigen Sprecherinnen und Sprecher ist nicht als Ausdruck dessen zu sehen, dass Deutsch und Dänisch nicht unvermischt gesprochen werden können. Wenn die Schülerinnen und Schüler mit fremden, einsprachig dänischen InterviewpartnerInnen interagieren, wechseln sie die Sprache so gut wie gar nicht. Auch beim Erzählen von Bildergeschichten auf Dänisch, die Bestandteil des Dänischunterrichts sind, ist Code-Switching nur vereinzelt zu beobachten und betrifft vorzugsweise Einzelwörter.
4.3.2 Schriftsprache
Dort, wo schriftliche Code-Wechsel zum Ausdruck bringen, dass beide Sprachen ihre jeweilige Funktion im Sprachgebrauchsmuster innehaben, sind sie analog zum situationellen Code-Switching zu sehen. Wo sie an eine Norm anknüpfen, die das Code-Switching bereits integriert und wo von einer (mehr oder weniger) übereinstimmenden Kompetenz zwischen Sender und primärem Empfänger auszugehen ist, besteht eine Parallele zum konversationellen Code-Switching.
Situationelles Code-Switching
Texte der Minderheiten-Partei SSW enthalten gelegentlich Beispiele für situationelles Code-Switching (Pedersen 2000/II: 205f.). Je nach Art der Mitteilung wird in diesen Fällen zwischen Dänisch und Deutsch gewechselt. Für zentrale Aussagen wird i.d.R. Deutsch gewählt, während der übrige Text auf Dänisch geschrieben ist. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die wichtigsten Inhalte allen zugänglich sind, sowohl den potentiellen monolingual deutschen Wählern und der deutschsprachigen Presse als auch den bilingualen Wählern. In Leserbriefen der Flensborg Avis findet man ebenfalls Sprachwechsel, die diesem Muster folgen. Als strukturbedingt und damit in gewisser Weise situationell lassen sich auch die Sprachwechsel interpretieren, die auf Internetseiten mit dänischem Text und deutschen Metadaten auftreten (vgl. Kap. 6 unten).
Konversationelles Code-Switching
Eine Parallele zum konversationellen Code-Switching sieht man in den Briefen der jugendlichen Zweisprachigen, wo sich Dänisch und Deutsch zeilenweise abwechseln. Auch in den sog. Gelegenheitsliedern (lejlighedssange, Lieder oder Gedichte, die für einen konkreten persönlichen Anlass geschrieben werden) findet man sowohl in privater Umgebung als auch in Vereinen ein entsprechendes Code-Switching.
An der Duborg Skolen geben die Abiturienten ein Blå Bog (‚Blaues Buch‘) heraus, in dem sie sich selbst und ihre Lehrer charakterisieren. Dieses Buch ist ein Beispiel für freie und spontane schriftliche Ausdrucksweise von Jugendlichen und für Jugendliche an einem dänischen Minderheitengymnasium, bei dem es sich offiziell um eine monolinguale (dänische) Bildungseinrichtung handelt, an der jedoch sowohl die Lehrkräfte als auch die Schülerinnen und Schüler bilingual (Dänisch-Deutsch) sind. Die monolinguale Norm der Schule spiegelt sich im Sprachgebrauch der Lehrkräfte wider, in dem so gut wie kein Code-Switching zu beobachten ist. Die Texte der Schülerinnen und Schüler weisen jedoch häufiges Code-Switching auf, zum Beispiel in der Ausgabe von 1995. Das Code-Switching hat in diesen Abschiedstexten an die Schule und füreinander mindestens drei verschiedene Funktionen. Es soll zum einen zeigen, dass die Schülerinnen und Schüler zweisprachig sind,