Jan-A. Bühner

Jesus und die himmlische Welt


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des Magiers bestehe in dem von ihm kontrollierten Umgang mit der Geisterwelt. Hierin, in der Spannung von Geistbesitz und Besessenheit, liege von Anfang an der Ausgangspunkt für Auseinandersetzungen, die sein Wirken als dämonische Besessenheit eines Magiers oder als theologisch legitime Begabung mit dem Gottesgeist deuten.115

      Grundlage ist für Smith auf alle Fälle die magische Kategorie der Vergottung durch Gewinnung eines göttlichen Geistes als πάρεδρος, wie sie die Tauf- und Versuchungsgeschichte andeuten würden.116 Aus der frühen christlichen Tradition einer exorzistischen Benutzung des Jesusnamens werde deutlich: „Such use of the name of course depends on the supposition that the person named is a supernatural power. We have here another form of the notion of Jesus presupposed by the exorcism stories – the notion that he is, or is united with, a supernatural being, so that even his name is a power.“117

      Als solches Wesen, das sich zu den κρείττονα γένη gehörig wisse, sei Jesus θεῖος, υἱὸς θεοῦ, θεός, hebr./aram. gehöre er zu den בני אלהים, sei im Sinne apokalyptischer Mythologie himmlischer בר נשא. Wie das geheime Taufsakrament nach Smith magisch eine halluzinatorische Himmelsreise erschließe, so sei Jesus selbst in seinem Geistbesitz/seiner Besessenheit zum magisch-ekstatischen Umgang mit der himmlischen Welt befähigt; diese historische Tatsache spreche noch aus den Überlieferungen des Joh.ev. (3,13), aus dem Hymnus Phil 2,5-11 und aus 2. Kor 12,2-5. „Jesus appears in the gospels as one who knows the world of spirits. This was the age old claim of the goetes, and shamans were also famous for their ascents into the heavens. It was also the claim of the Jewish magician who put together The Book of Secrets (SHR).“118 Die nachösterliche Verehrung des Auferstandenen und Erhöhten bedeute eine Fortsetzung des halluzinatorischen Umgangs der Jünger mit ihrem nun ganz in die Welt des πνεῦμα eingegangenen Meisters, also eine Fortsetzung der spirituellen Übungen, die sie der Irdische gelehrt habe.119

      Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Smith ist hier nicht möglich.120 Smiths Arbeiten markieren u. a. den extremen Endpunkt einer einheitlich-kultgeschichtlichen Betrachtung der Jesus-Tradition und des Neuen Testaments. Die himmlische Dimension, die für das kultische Weltempfinden so charakteristisch ist, erschlösse sich nicht erst der Kultfrömmigkeit der Gemeinde, sondern schon der irdische Jesus verstände sich als himmlisches Wesen, insofern er sich und seinen Jüngern magisch-rituellen Zugang zum Himmel verschaffte. Der Kultgott, der als himmlisches Wesen das Sakrament stifte, sei der irdische Jesus.

      Damit ist deutlich, dass Smith Jesus radikal hellenisiert, ja paganisiert: Das sakramentale Denken hellenistischer Magie hätte auch Jesus erreicht. Damit wird Jesus ganz von der jüdischen Tradition getrennt, mit Teilen von ihr – so mit der häufiger erwähnten Zauberschrift ‚Buch der Geheimnisse‘121 – insofern zu vergleichen, als sich auch hier das heidnisch-magische Denken zeige.

      Damit ist die einheitlich-kultgeschichtliche Betrachtung von ihrem hellenistischen Ende her durchgeführt. Diese Lösung ist historisch sehr unwahrscheinlich. Denn das Thema ‚Reich Gottes‘ und der Kampf gegen ‚Sünde, Tod und Teufel‘ markieren Bindungen Jesu an die Kulttradition des Judentums. Der Himmel, zu dem die βασιλεία in enger Beziehung steht, ist nicht das heidnische Pantheon, sondern der Bereich der heiligen Nähe des Gottes Israels. Nicht Liberalismus, sondern eine eschatologische Befähigung, dem heiligen Willen Gottes ohne Tora genügen zu können, sind hier Zielpunkte. Man kann den Zugang zum Himmel, sofern man darin einen inneren Kern der Botschaft Jesu sehen will, nicht an der Apokalyptik vorbei religionsgeschichtlich bestimmen.

      Die in der übrigen kultgeschichtlichen Forschung angedeutete Richtung, Jesu Vollmacht aus einer eschatologischen und ins Himmlische reichenden Vollendung des jüdischen Kultes, Jesus als himmlisch-eschatologischen Hohenpriester zu sehen, hat die historische Wahrscheinlichkeit auf ihrer Seite.

      C) Zusammenfassung und Ausblick

      Jesus als den Erhöhten zu verehren, das war nicht erst eine neue Perspektive der Urgemeinde, sondern diese Betrachtung Jesu geht im Kern zurück auf ihn selbst: So lautet die gemeinsame Grundthese des hier aufgenommenen Teils der kultgeschichtlichen Richtung.

      Bertram sprach von einer immanenten kultischen Bedeutung, die Jesus seinen Worten und Taten gäbe, indem er ihnen eine übergeschichtliche, kultisch repräsentierbare Bedeutung zumesse. Bertram verstand diese übergeschichtliche Bedeutung in einem idealistischen, platonisierenden Sinn. Historisch-traditionsgeschichtlich bleibt damit diese von Bertram gespürte immanente kultische Bedeutung des irdischen Jesus unerklärt.

      K.L. Schmidts Hinweis auf die chasidische Traditionsbildung ist unter phänomenologischen Gesichtspunkten wertvoll; traditionsgeschichtlich zeigt sie, dass das Bild des zwischen Himmel und Erde mittelnden Hohenpriesters im chasidischen Judentum die Gestalt des schon zu Lebzeiten als über-irdischer Figur verehrten Zaddik prägt. Die kultgeschichtlich angegangene Frage nach dem schon als Irdischer erhöhten, himmlischen Jesus wird seit Schmidt darüber hinaus mit der Bedeutung der Vision(en) für Jesus verbunden.

      Diese bei Schmidt stark von der systematischen Fragestellung ‚Eschatologie und Mystik‘ aus geforderte Bedeutung des Visionären bei Jesus wird neuerdings von Müller und Smith in den Mittelpunkt ihres Jesus-Bildes gerückt. Traditionsgeschichtlich bindet Müller den Visionär Jesus, der Einblick in die himmlischen Prozesse hat, an die alttestamentliche Prophetie; die von Müller zurückgewiesene christologische Bedeutung der Vision Lk 10,18 wird jedoch von ihrem Inhalt gefordert, weil es um einen Bereich geht, in dem sonst der rechtlich legitimierte Kultus ordnend eingreift.

      Smith deutet den visionären Jesus einseitig von magischen Praktiken der hellenistischen Zauberpapyri her und unterschiebt dem Heimatmilieu Jesu in Galiläa massiv paganisierende Tendenzen.

      Angesichts dieser Situation scheint es immer noch verheißungsvoll zu sein, solche christologischen und historischen Ausblendungen durch eine Beleuchtung mit den Fragestellungen und Ergebnissen der älteren Arbeiten von Jeremias und Lohmeyer auszugleichen. Ihnen sind in der Folgezeit G. Friedrich und W. Grundmann gefolgt.

      Jeremias wies deutlich hin auf die Rezeption der Kultmotive, ja der Kultideologie der Tempelpriesterschaft in den verschiedenen Gruppen des frühen Judentums. Wenn der Tempel die Schöpfung verwaltet, so stellt Jesu Anspruch auf Vollendung der Welt und Überleitung zur Neuschöpfung ihn in eine Hochpriester-ähnliche Position. Seine Herrschaft über die in der Neuschöpfung vollendete Welt ist begründet in seiner zwischen Himmel und Erde mittelnden Hochpriesterschaft. Sie reißt beide Schöpfungsteile aus ihrer heilsgeschichtlich sekundären Entfremdung heraus.

      Noch stärker als Jeremias betont Lohmeyer: Jesus tritt auf mit dem Anspruch des himmlischen, eschatologischen Hohenpriesters. Als Menschensohn ‚verortet‘ er die Schöpfung eschatologisch. Diese neue ‚Verortung‘ beginnt damit, dass die himmlische Basileia, das himmlische Haus Gottes, durch Jesus zugänglich wird.

      Jeremias und Lohmeyer messen der überlieferungsgeschichtlichen Echtheits-Prüfung in diesem Zusammenhang keine ausgeführte Beachtung zu. So bleibt die Frage offen, ob in dem auf Jesus zurückgehenden Kern der Menschensohn-Tradition ein Hochpriester-ähnlicher Anspruch zu sehen ist, der im kultgeschichtlichen Sinne auf die eschatologische Neuvereinigung der Schöpfung zielt. Nicht mehr der Tempel, sondern der Menschensohn hat Vollmacht, Sünde zu vergeben und gegen die anti-kultischen Negativ-Kräfte, Sünde, Tod und Teufel, anzugehen. Gibt Jesus als Menschensohn der eschatologischen Neuschöpfung ihren zentrierenden Haltepunkt?

      G. Friedrich und W. Grundmann gehen stärker auf die Hochpriester-Tradition bestimmter jüdischer Kreise ein, in denen man einen messianischen Erlöser erwartet, der hochpriesterliche Züge trägt und als solcher Sohn Gottes heißt. Dabei bedarf insbesondere das komplizierte traditionsgeschichtliche Schema von Grundmann der Überprüfung: Ist die Vater-Sohn-Beziehung Jesu zu Gott nicht von vornherein am Modell hochpriesterlichen Tretens vor die Heiligkeit Gottes orientiert?

      Damit ergibt sich folgende Aufgabe für diese Untersuchung: Es sind zunächst innerhalb des frühen Judentums Grundlinien der Rezeption des vom Tempel ausgehenden Anspruchs auf Zentrierung der Welt und auf eine heilsame Verbindung der Schöpfungshälften Himmel und Erde aufzuzeigen. Wenn die genannte Forschungsrichtung etwas Richtiges gesehen hat