Margot Neger

Epistolare Narrationen


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bedient, sondern auch die Wärme bzw. Kühle der Räume imaginiert (20: leni adspergine fovet; 21: diem…excludit; 22: umbrosum; 24: cubiculum…hieme tepidissimum) und akustische Elemente einbaut (21: clamorem, sonum; 23: iucundissimum murmur…strepitu iucundam). Nur einmal werden uns Informationen zur Innenausstattung eines Zimmers geliefert, wenn Plinius ein mit Marmor ausgekleidetes cubiculum beschreibt (22: marmore excultum podio tenus), in dem sich ein Gemälde von Vögeln, die auf Zweigen sitzen, befindet (22: ramos insidentesque ramis aves imitata pictura). Es handelt sich hier um die einzigen Lebewesen, die der Epistolograph im Rahmen seiner Villen-Führung erwähnt, wohlgemerkt um eine Nachahmung (imitata) der Natur; dieses Bild korrespondiert mit der am Anfang der Ekphrasis gepriesenen Landschaft, die ihrerseits als die Imitation eines Gemäldes bezeichnet wird (13: formam…pictam).

      Nach der Portikus und ihren Räumlichkeiten folgt eine Ekphrasis der angrenzenden Bade-Anlage mit ihrem hypocauston, apodyterium und verschiedenen Wasserbecken sowie einem sphaeristerium (25‒27). Von dieser Badeanlage zweigt dann eine Kryptoportikus mit weiteren Zimmern ab (27‒28), von denen eines die Villa mit dem Hippodrom verbindet (28). Zwei weitere Kryptoportiken (29‒30) sowie eine Portikus (31) vollenden die Beschreibung der Gebäude, auf die Plinius seine Ausführungen zum Hippodrom folgen lässt (32‒40). Eine Besonderheit dieser Anlage sind die oben schon erwähnten „Inschriften“ aus Buchsbaum, die den Namen des Eigentümers und Gartenkünstlers wiedergeben (35). Zudem verdient eine paradoxe Aussage des Plinius über die kunstvolle Gestaltung des Hippodroms und seine Bepflanzung Aufmerksamkeit (35): et in opere urbanissimo subita velut inlati ruris imitatio. Wenngleich sich die Villa auf dem Land befindet, gilt sie Plinius als opus urbanissimum – die Stadt wird sozusagen aufs Land verpflanzt, das Motiv des rus in urbe54 in sein Gegenteil verkehrt. Die Natur wiederum findet sich keineswegs „ungefiltert“ in diese urbane Anlage integriert, sondern nur in Form einer Nachahmung (ruris imitatio). Überdies lässt sich die Junktur opus urbanissimum – ähnlich wie im Fall der oben diskutierten Begriffe descriptio und varietas – nicht nur auf die Villa, sondern auch auf den von Plinius verfassten Text beziehen, dem hier indirekt die rhetorische Qualität der urbanitas attestiert wird.55 Ähnliches gilt für den Begriff der imitatio, mit dem Plinius nicht nur die Nachahmung der Natur in seinem Garten, sondern auch seine epistolare Ekphrasis meinen dürfte, die – einem Gemälde vergleichbar – die Villenanlage nicht mit Farben, sondern Worten nachzeichnet und sich darüber hinaus mit den Ekphraseis kanonischer Autoren misst.56Plinius der JüngereEpist. 5.6

      Hat uns Plinius in Epist. 5,6Plinius der JüngereEpist. 5.6 geistig nach Etrurien versetzt und durch die Räumlichkeiten seines Anwesens schreiten lassen, führt er uns in Epist. 5,7Plinius der JüngereEpist. 5.7 wieder in seine Heimat Comum, allerdings in einer weitaus weniger anschaulichen Weise als im Brief zuvor. Epist. 5,7 diskutiert die Frage, ob eine Gemeinde – in diesem Fall die Heimatstadt des Plinius – als Erbe eingesetzt werden kann, wie es der verstorbene Saturninus in seinem Testament verfügt hat, und ob die Rechtslage oder der Wille des Verstorbenen höher gewichtet werden soll.57 Der Epistolograph bittet seinen Adressaten Calvisius Rufus, das Problem bei der nächsten Versammlung der Dekurionen in Comum zu erörtern (4).58 Während wir in diesem Brief erfahren, dass sich der Adressat in Comum aufhält, bleibt der Aufenthaltsort des Plinius unerwähnt. Epist. 5,7Plinius der JüngereEpist. 5.7 endet mit einer Rechtfertigung, warum Plinius keinen offiziellen Brief an Calvisius in seiner Funktion als Dekurio schreiben wollte, sondern lieber einen inoffiziellen, in dem er seinen Landsmann dazu zu bewegen versucht, seine Argumente vor der Versammlung vorzutragen (6): nam sermonem vultus, gestus, vox ipsa moderatur; epistula omnibus commendationibus destituta malignitati interpretantium exponitur. Neben Comum als gemeinsamer Heimat von Adressant und Adressat thematisiert der Brief das Problem von Nähe und Distanz: Anders als eine mündliche Rede (sermo), die durch Mimik, Gestik und Stimme begleitet werden könne, entbehre ein Brief dieser Mittel und sei der böswilligen Deutung der Leser ausgeliefert.59 Wird ein Brief ansonsten oft als halber Dialog oder Gespräch auf Distanz charakterisiert,60 führt uns Plinius in diesem Fall die Defizite schriftlicher Kommunikation gegenüber mündlicher vor Augen.

      Abgesehen von den Strategien der Raumkonstruktion sind die bisher betrachteten Briefe auch insofern bemerkenswert, als sie mehrere literarische Gattungen „durchdeklinieren“: In Epist. 5,2Plinius der JüngereEpist. 5.2 sind es die epistulae steriles, in 5,3Plinius der JüngereEpist. 5.3 die versiculi parum severi, in 5,5Plinius der JüngereEpist. 5.5 die Historiographie bzw. exitus-Literatur, in 5,6Plinius der JüngereEpist. 5.6 die Tradition der Ekphrasis und in 5,7 der Unterschied zwischen Brief und Gespräch bzw. Rede. In Epist. 5,8Plinius der JüngereEpist. 5.8 schließlich erklärt Plinius seinem Adressaten Titinius Capito, warum er sich trotz mehrfacher Aufforderung noch nicht bereit fühle, eine Historie zu schreiben, und vergleicht in diesem Zusammenhang die Historiographie mit der Redekunst.61 Anders als Epist. 5,7 gibt Epist. 5,8 überhaupt keine Hinweise darauf, wo sich die Briefpartner während der Korrespondenz gerade befinden. Auch sonst enthält der Brief kaum räumliche Elemente und konzentriert sich eher auf unterschiedliche Aspekte der Zeit, etwa wenn Plinius auf die häufigen Aufforderungen zur Komposition verweist (1: saepe), die Unsterblichkeit sowohl des Verfassers als auch der im Werk dargestellten Personen vor Augen hält (1: aeternitas; 2: diurnitatis amor…posteritatis memoriam; 7: rationem posteritatis; 11: κτῆμα), vom ständigen Nachdenken über literarischen Ruhm spricht (3: diebus ac noctibus), den älteren Plinius als Vorbild auf dem Gebiet der Geschichtsschreibung anführt (5: avunculus meus…historias…scripsit), auf seine eigenen Anfänge als Redner im Alter von neunzehn Jahren zurückblickt (8: unodevicensimo aetatis anno), über seine gegenwärtige Rolle als Redner reflektiert (8: nunc demum) und schließlich seinen Adressaten bittet, jetzt schon zu überlegen, mit welcher Epoche sich Plinius in einer Historie befassen könnte (12: iam nunc cogita, quae potissimum tempora adgrediar), damit er keine weiteren Gründe zum Zögern finde (14: cunctationis et morae iusta ratio). Während in diesem BriefPlinius der JüngereEpist. 5.8 also verschiedene Facetten der Zeit dominieren, weist lediglich die Junktur in foro (8) auf einen Raum hin, wobei mit dem Begriff forum wohl eher die Tätigkeit als Redner vor Gericht als das Forum als konkreter Ort gemeint sein dürfte.62 Durch Zitate aus VergilVergilAen. 5.195, wie insbesondere die Aposiopese quamquam o (3),63 evoziert Plinius die Schiffsregatta im fünften Aeneis-Buch und assoziiert dadurch literarisches Streben mit einem sportlichen Agon.64 Die Charakterisierung der Gattung Historiographie in Epist. 5,8 dürfte zudem einen Bezug zu Epist. 5,6Plinius der JüngereEpist. 5.6 enthalten: Plinius zufolge zeichnet sich die Historiographie gegenüber der Dichtung und Redekunst durch Beliebtheit aus, die unabhängig ist von der literarische Qualität des Werks; dies liege daran, dass die Menschen von Natur aus neugierig seien (4): sunt enim homines natura curiosi et quamlibet nuda rerum cognitione capiuntur, ut qui sermunculis etiam fabellisque ducantur. Derartigen sermunculi und fabellae kann man auch in der Gegend um das tuskische Landgut lauschen, wie Plinius seinem Freund Apollinaris schildert (5,6,6Plinius der JüngereEpist. 5.6: fabulas…sermonesque); die in den beiden Briefen thematisierten kunstlosen Formen mündlichen Erzählens stehen in Kontrast zur eloquentia summa von Rede und Gedicht (5,8,4) und zur Ekphrasis in der Tradition Homers, Vergils und Arats, wie sie in Epist. 5,6 geboten wird.

      Wenngleich die räumlichen Aspekte, die im Zentrum des vorliegenden Kapitels stehen sollen, in Epist. 5,8 in den Hintergrund treten, ist der Brief aus narratologischer Sicht dennoch aufschlussreich, da er eine Synkrisis der narrativen Techniken in Rede und Historiographie liefert. Der Text sei hier vollständig zitiert (9‒11):

      habet quidem oratio et historia multa communia, sed plura diversa in his ipsis, quae communia videntur. narrat illa, narrat haec, sed aliter: huic pleraque humilia et sordida et ex medio petita, illi omnia recondita, splendida, excelsa conveniunt; hanc saepius ossa, musculi, nervi, illam tori quidam et quasi iubae decent; haec vel maxime vi, amaritudine, instantia, illa tractu et suavitate atque etiam dulcedine placet; postremo alia verba, alius sonus, alia constructio. nam plurimum refert, ut Thucydides ait, κτῆμα sit an ἀγώνισμα: quorum alterum oratio, alterum historia est.

      Trotz