Gegenstück zu Epist. 5,2Plinius der JüngereEpist. 5.2, wo wir Plinius auf seinem Laurentinum begegnen. Mit dem in Epist. 5,18 entworfenen Bild der Erholung kontrastiert Epist. 5,19Plinius der JüngereEpist. 5.19, wo Plinius seiner Sorge um den erkrankten libertus Zosimus Ausdruck verleiht, ein Brief, der in der Forschung insbesondere als Quelle für die humanitas des Plinius gegenüber Sklaven und Freigelassenen Aufmerksamkeit erregte.99 Plinius beschreibt Zosimus als hochgebildeten Mann, der sozusagen als sein „Etikett“ die Kunstfertigkeit des Schauspielers beherrsche (3: et ars quidem eius et quasi inscriptio comoedus). Zosimus verstehe sich insbesondere auf das Vortragen (3: pronuntiat acriter, sapienter, apte decenter), spiele auch ausnehmend gut Zither und könne sowohl Reden, Geschichtswerke als auch Poesie äußerst geschickt vorlesen. Innerhalb von Buch 5 bildet der libertus somit das Gegenstück zu Calpurnius Piso, dessen Vortrag Plinius in Epist. 5,17,2‒3Plinius der JüngereEpist. 5.17.2‒3 beschreibt, sowie zu Plinius selbst, der seine Gedichte rezitiert (Epist. 5,3)Plinius der JüngereEpist. 5.3.100 Nach der Charakterisierung des Zosimus kommt Plinius auf das eigentliche Problem, die Krankheit, zu sprechen: Bereits vor einigen Jahren (6: ante aliquot annos) habe Zosimus sich bei einem Vortrag sehr verausgabt und Blut gespuckt, weswegen Plinius ihn für längere Zeit nach Ägypten schickte, von wo er kürzlich gut erholt zurückgekehrt sei (6: confirmatus rediit nuper). Nachdem er jedoch abermals mehrere Tage seine Stimme überanstrengte, habe er einen Rückfall erlitten und wieder Blut ausgeworfen (6: rursus sanguinem reddidit).101 Anstelle seinen Freigelassenen erneut nach Ägypten zu schicken, will Plinius ihn nun nach Forum Iulii in der Gallia Narbonensis senden, wo sein Adressat Valerius Paulinus102 ein Landgut besitzt (7: qua ex causa destinavi eum mittere in praedia tua, quae Foro Iulii possides). Häufig nämlich habe Plinius von Valerius Paulinus gehört, dass die Luft dort besonders gesund und die Milch für die Behandlung besonders geeignet sei (7: audivi enim te saepe referentem esse ibi et aera salubrem et lac eius modi curationibus accommodatissimum).103 Die mündlichen Erzählungen des Paulinus über die Vorteile seines Anwesens entsprechen der schriftlichen Beschreibung, die Plinius seinem Freund Apollinaris über seine Villa in Etrurien liefert (5,6,2Plinius der JüngereEpist. 5.6.2: saluberrimo montium subiacent). Offenbar befindet sich Paulinus während der Korrespondenz selbst nicht in Forum Iulii, da Plinius ihn bittet, seinen Leuten zu schreiben, damit sie vor Ort die nötigen Vorkehrungen treffen (8: rogo enim scribas tuis). Plinius schließt den Brief mit der Ankündigung, dass er Zosimus mit so viel Reisegeld (9: tantum viatici) ausstatten werde, wie es für die Fahrt nach Forum Iulii nötig sei.104
Mit den in Epist. 5,19Plinius der JüngereEpist. 5.19 kombinierten Bildern von Krankheit und Reise rückt das Ende des Buches in die Nähe, und zusammen mit dem Thema des Todes finden sich die beiden closure-Motive vereint in Epist. 5,21Plinius der JüngereEpist. 5.21, dem letzten Brief des Buches.105 Doch vor dem Ende kommt es noch einmal zu einem Anfang, wenn Plinius mit Epist. 5,20Plinius der JüngereEpist. 5.20 den „Briefroman“ über den Prozess der Provinz Bithynien gegen den Prokonsul Rufus Varenus eröffnet.106 Wurden wir in Epist. 5,19Plinius der JüngereEpist. 5.19 gedanklich nach Ägypten und Forum Iulii versetzt, so finden wir uns in Epist. 5,20Plinius der JüngereEpist. 5.20 im römischen Senat, wo Plinius als Anwalt des Varenus gegen die Bithynier auftritt. Der Fall des Varenus bildet in der Briefsammlung eine der magnae et graves causae, derer sich Plinius in Epist. 5,8,6Plinius der JüngereEpist. 5.8.6 rühmt, und die für Varenus gehaltene Rede will Plinius publizieren (5,20,2: liber indicabit). In diesem Zusammenhang kommt es wieder einmal zur Gegenüberstellung von einer Rede, die vor Gericht gehalten wird, und der Lektüre einer verschriftlichten oratio (5,20,3). Vor Gericht werde der Erfolg einer Rede durch Faktoren wie fortuna, memoria, vox, gestus, tempus und amor bzw. odium rei beeinflusst, was auf eine publizierte Rede nicht zutreffe. Mündlichkeit und Schriftlichkeit kontrastiert Plinius auch am Ende seines Briefes, wo er der inhaltsleeren Geschwätzigkeit seines Gegenanwalts (4‒5: respondit…plurimis verbis, paucissimis rebus…aliud esse eloquentiam, aliud loquentiam) die loquacitas seines Briefes gegenüberstellt (8), der die Neugierde des Adressaten auf die Rede zu mindern droht.
Aus dem letzten Brief des fünften Buches (5,21)Plinius der JüngereEpist. 5.21 geht hervor, dass sich der Adressat Pompeius Saturninus in Rom befindet (1: te in urbe teneri), während Plinius an einem nicht näher konkretisierten Ort außerhalb weilt107 und bereits in der Haupstadt erwartet wird, wo Saturninus anlässlich seiner Rückkehr eine Rezitation veranstalten will (1: quod recitaturum, statim ut venissem, pollicebantur; ago gratias, quod exspector).108 Tatsächlich begegnen wir in Epist. 6,1Plinius der JüngereEpist. 6.1 einem Plinius, der inzwischen in Rom eingetroffen ist (1: ego in urbe) und dort seinen Freund Calestrius Tiro vermisst.109 Der Übergang zwischen den Büchern 5 und 6 erinnert dadurch an eine literarische Technik, wie sie etwa Ovid in mehreren Metamorphosen-Büchern anwendet, wenn er am Ende eines Buches von einer Reise erzählt, die am Beginn des folgenden Buches vollendet wird.110 Abgesehen von der für Plinius erfreulichen Nachricht, dass sich sein Adressat in Rom aufhält, beinhaltete der Brief des Saturninus auch traurige Mitteilungen, wie diejenige von der Krankheit des Iulius Valens (2)111 sowie vom Tod des Iulius Avitus (3).112 Ähnlich wie in Epist. 5,16Plinius der JüngereEpist. 5.16 handelt es sich auch bei Avitus um eine mors immatura, die den jungen Mann als Quästor während der Rückreise aus der Provinz ereilte (3: decessit, dum ex quaestura redit, decessit in nave, procul a fratre amantissimo, procul a matre, a sororibus).113 Diese kurze Narration vom Tod des Avitus ist stilistisch ausgefeilt durch die Anapher von decessit sowie procul und der Präposition ab, was dem Satz einiges an Pathos verleiht. Während die junge Tochter des Fundanus zuhause starb und noch während ihrer schweren Krankheit dem Vater und der Schwester Trost spendete und sie ermutigte (5,16,3‒5), ist das Schiff fernab von Heimat und Familie der Schauplatz für den Tod des Iulius Avitus.114 Aus welcher Provinz er zurückkehrte, verrät uns Plinius nicht – wie in vielen anderen Briefen interessiert sich Plinius weniger für die räumlichen Aspekte als vielmehr für die Charaktereigenschaften der dargestellten Personen: So erfahren wir einiges über die vielversprechenden Anlagen des jungen Mannes, dessen Vorzüge – zu denen die Liebe zur Literatur zählte – durch den Tod zusammen mit ihm dahingerafft wurden (4‒5). Besonders tragisch ist es für Plinius, dass all die Talente des Avitus sine fructu posteritatis (5) dahingegangen sind, er also offenbar trotz seiner literarischen Studien nichts Schriftliches hinterlassen hatte.115 Das Ende des BriefesPlinius der JüngereEpist. 5.21 und zugleich des fünften Buches ist deutlich markiert, wenn sich uns Plinius als jemand präsentiert, der seine Trauer und seine Tränen zu zügeln versucht (6): finem epistulae faciam, ut facere possim etiam lacrimis, quas epistula expressit.116 Mit dem Ende des Briefes soll auch das Ende der Tränen einhergehen, wobei man das Verb expressit hier in doppeltem Sinn verstehen kann: Einerseits hat der Brief dem Verfasser die Tränen117 abgerungen, andererseits macht der Brief durch Worte und Ausdruck die Tränen für den Adressaten anschaulich bzw. bildet sie sozusagen sprachlich nach.118 Im Kontrast zur Geschwätzigkeit des vorhergehenden Briefes 5,20Plinius der JüngereEpist. 5.20 steht somit in Epist. 5,21 die Vorstellung, dass durch sprachliche Mittel das für den Adressaten nicht sichtbare physische Phänomen der Tränen nachgezeichnet wird.Plinius der JüngereEpist. 5.21
Im Rahmen einer linearen Lektüre des fünften Buches wurden die Strategien der Raumkonstruktion aus narratologischer Perspektive analysiert. Neben den Aufenthaltsorten der Briefpartner während der Korrespondenz wurden auch Räume als Schauplätze von Handlungen und Ereignissen sowie als Gegenstand von Beschreibungen in den Blick genommen. Zudem konstruiert Plinius in seinen Briefen Räumlichkeit auch durch die Darstellung verschiedener Objekte oder körperlicher Aspekte sowie visueller und akustischer Phänomene. Es hat sich dabei herausgestellt, dass seine Angaben zumeist sehr selektiv sind, was sogar auf die Villen-Ekphrasis in Epist. 5,6Plinius der JüngereEpist. 5.6 zutrifft, die alles andere als das Ziel einer vollständigen Beschreibung des Anwesens verfolgt. Sowohl in Hinblick auf den Ort, an dem sich die Briefpartner während der Kommunikation jeweils befinden, als auch auf die Schauplätze von Handlungen und Ereignissen, über die Plinius berichtet, muss der Leser oft selbst die räumlichen Details ergänzen, während Plinius nur kurze Hinweise gibt. Nach der Betrachtung der Raumkonstruktion soll sich das nächste Kapitel mit den