sich die beiden Briefpartner gerade befinden, noch, wo diese Rezitation stattgefunden hat – möglicherweise soll man sich wie in Epist. 5,3,11 das private cubiculum als Schauplatz vorstellen. Im Gegensatz zu Epist. 5,12 ist die Handlung des nächsten BriefesPlinius der JüngereEpist. 5.13 wieder eindeutig im römischen Senat (2: in senatu) verortet, wenn Plinius eine Fortsetzung von Epist. 5,4Plinius der JüngereEpist. 5.4 liefert und vom Fall der Vicetiner und ihrem Anwalt Nominatus erzählt.84 Nominatus, der von seinen Klienten Geld für den Rechtsbeistand angenommen, sie dann aber im Stich gelassen hatte, wurde auf Befehl des Prätors Nepos in den Senat geführt (1: inductus) und hielt dort eine Verteidigungsrede, in der er sein Verhalten rechtfertigte – insbesondere die sermones amicorum hätten ihn davor abgeschreckt, weiter gegen einen Senator vorzugehen, dem es nicht nur um die Abhaltung eines Wochenmarktes in Vicetia, sondern um Einfluss, Ruf und Ansehen ging (2). Wie auch aus dieser Stelle deutlich wird, bietet Buch 5 eine Palette an sermones unterschiedlicher Ausprägung (Gespräche, Erzählungen, Reden, Gerede), die verschiedene Reaktionen nach sich ziehen. Ähnlich einer Bühnenfigur verließ Nominatus nach seiner Rede den Saal unter mäßigem Beifall und weiteren Bitten und Tränen (3: erat sane prius, a paucis tamen, acclamatum exeunti. subiunxit preces multumque lacrimarum), woraufhin es im Senat zur Abstimmung und zum Freispruch kam (4‒7).
Nachdem in Epist. 5,13 Rom als Ort des Erzählers und der Erzählung im Zentrum stand, führt uns Epist. 5,14Plinius der JüngereEpist. 5.14 wieder nach Comum, wo sich Plinius für einen kurzen Urlaub im secessus befindet (1: secesseram in municipium; 9: includor angustiis commeatus) und von der Ernennung des Cornutus Tertullus zum curator Aemiliae viae erfahren hat.85 Den Hauptteil des Briefes bildet ein Lob auf Tertullus, mit dem Plinius eine lange Freundschaft verbindet (2‒6). Der Epistolograph ruft sich nach dieser laudatio selbst zur Ordnung, um seinen Brief nicht übermäßig auszudehnen (7: in infinitum epistulam extendam, si gaudio meo indulgeam), und kommt wieder auf die Einleitung zurück, indem er die Situation näher schildert, in der er von Tertullus’ Beförderung erfahren hat: In Begleitung seines Schwiegergroßvaters, der Tante seiner Frau und einigen Freunden habe er sich der Inspektion der Ländereien gewidmet (8: circumibam agellos), sich die Klagen der Bauern angehört, Rechnungen durchgesehen und schon seine Rückreise vorbereitet (8: coeperam etiam itineri me praeparare). Am Ende des Briefs erfahren wir, dass sich der Adressat Pontius Allifanus86 gerade in Kampanien befindet, wenn sich Plinius wünscht, dass die beiden zur gleichen Zeit in Rom eintreffen mögen (9: cupio te quoque sub idem tempus Campania tua remittat…cum in urbem rediero).
Im Gegensatz zu anderen secessus ist der in Epist. 5,14Plinius der JüngereEpist. 5.14 geschilderte nicht von literarischen Aktivitäten geprägt, sondern der Lektüre von pragmatischen Schriftstücken wie Rechnungsbüchern gewidmet (8: rationes legebam invitus et cursim – aliis enim chartis, aliis sum litteris initiatus). Einen auffälligen Kontrast zu dieser Tätigkeit bildet der Brief 5,15Plinius der JüngereEpist. 5.15, in dem sich Plinius zu seiner aemulatio mit den griechischen Epigrammen des Arrius Antoninus bekennt.87 Seinen Wetteifer mit diesen Gedichten vergleicht Plinius mit dem erfolglosen Versuch eines Malers, ein schönes und perfektes Gesicht angemessen wiederzugeben und verweist so auf die Kunst des Porträtierens (1: ut enim pictores pulchram absolutamque faciem raro nisi in peius effingunt). Da in Buch 5 ansonsten nur in Epist. 5,6Plinius der JüngereEpist. 5.6 die Rede von Malerei ist – dort ahmt die Landschaft ein schönes Gemälde nach (13) und ein Wandgemälde imitiert die Natur (22) –, wird dem Leser nahegelegt, einen Zusammenhang zwischen künstlerischer, ekphrastischer und poetischer imitatio herzustellen. Eine Verbindung besteht auch zu Epist. 5,16Plinius der JüngereEpist. 5.16, wo es um eine andere Form der Nachahmung geht: Plinius betrauert in diesem Brief die mors immatura der Tochter des Minicius Fundanus88 und bedient hier den Topos der Hochzeit, die sich in ein Begräbnis umwandelt.89 Im Rahmen seiner laudatio auf das Mädchen (2‒5) bietet Plinius eine bewegte descriptio des Charakters, in dem sich die Würde einer reifen Frau mit mädchenhafter Anmut vereinigten (3): ut illa patris cervicibus inhaerebat! ut nos amicos paternos amanter et modeste complectebatur!…quam studiose, quam intellegenter lectitabat! ut parce custoditeque ludebat! Es wurde bereits beobachtet, dass diese Schilderung CatullsCatullc. 3 passer-Gedicht c. 3 evoziert, bei dem es sich ebenfalls um eine Art Nachruf handelt.90 Der Tod ereilte die Tochter des Fundanus offenbar im Haus ihres Vaters, wo sie bis zuletzt tapfer gegen eine Krankheit ankämpfte, den Anweisungen der Ärzte folgte und sogar noch den Vater und die Schwester ermutigte (3‒5). Am Ende des Briefes bemerkt Plinius, dass das Mädchen seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten war (9): non minus mores eius quam os vultumque referebat totumque patrem mira similitudine exscripserat. Während ein Künstler beim Abzeichnen oder Abmalen eines Gesichts die angestrebte Ähnlichkeit oft nicht zustande bringt, wird mira similitudo durch natürliche Reproduktion und moralisches Bemühen geschaffen.91
Der Trauer über den Tod in Epist. 5,16Plinius der JüngereEpist. 5.16 (1: tristissimus) steht in Epist. 5,17Plinius der JüngereEpist. 5.17 an Vestricius Spurinna92 Freude über literarische Leistungen der Lebendigen gegenüber (1: quantum gaudium). Kompositionsdatum und dramatisches Datum des Briefes fallen auf denselben Tag (1: hodierno die), an dem Plinius im Auditorium des Dichters Calpurnius Piso weilte, als dieser ein elegisches Gedicht mit dem Titel Περὶ τῶν καταστερισμῶν („Verstirnungen“)93 vortrug. Das Spektrum der literarischen Gattungen, über die Plinius in Buch 5 bislang reflektiert hat (Briefe, Epigramme, Ekphrasis, Reden, Historiographie), wird hier um die Elegie erweitert. Wo diese Rezitation stattfand, wird nicht ausdrücklich erwähnt – man soll sich vermutlich das Haus des Calpurnius Piso als Ort der Vorlesung vorstellen, denn am Ende des Briefes wünscht sich Plinius, dass die Adeligen in ihren Häusern mehr schöne Dinge haben mögen als ihre berühmten Vorfahren (imagines), womit er insbesondere literarisch talentierte Nachfahren meint (6: cupio, ne nobiles nostri nihil in domibus suis pulchrum nisi imagines habeant).94 Nach der Schilderung in Epist. 3,1Plinius der JüngereEpist. 3.1, wie Vestricius Spurinna sein Alters-otium in seiner Villa verbringt, soll man ihn vielleicht auch in Epist. 5,17 dort verorten, wobei uns nirgendwo im Briefkorpus Hinweise auf die Lage seines Anwesens gegeben werden. Eine auffällige Parallele zum Titel „Verstirnungen“ des in Epist. 5,17 gerühmten Werks bildet der Hinweis in Epist. 3,1, dass Spurinnas Tagesroutine in ihrer geregelten Abfolge dem Lauf der Gestirne gleiche (2: ut certus siderum cursus). Die Ekphrasis der Tagesroutine Spurinnas in Epist. 3,1 entspricht als literarisches Projekt somit dem in Epist. 5,6Plinius der JüngereEpist. 5.6.43 genannten Werk des Arat über die Gestirne (43: vides, ut Aratus minutissima etiam sidera consectetur et colligat).95 Wie die Phainomena des Arat, so ist auch Epist. 3,1 nicht nur excursus, sondern opus ipsum (vgl. 5,6,43), und ähnliches dürfte für das Gedicht des Calpurnius Piso gelten. Neben dem in Epist. 5,17 imaginierten Himmelsraum liefert Plinius auch eine descriptio personae, wenn er Stimme und Haltung des jungen Dichters bei seinem Vortrag schildert (3): commendabat haec voce suavissima, vocem verecundia: multum sanguinis, multum sollicitudinis in ore, magna ornamenta recitantis. Calpurnius Piso zeichnete sich nicht nur durch seine angenehme Stimme und zurückhaltende Vortragsweise aus, sondern auch die Röte und Aufregung in seinem Gesicht.96 Es wird deutlich, dass Plinius in der Briefserie 5,15‒18 das Motiv der descriptio oris bzw. faciei variiert, indem er zuerst ein von einem Künstler gemaltes Gesicht (5,15,1) imaginiert und dann die von der Natur bewirkte Ähnlichkeit zwischen Vater und Tochter herausstreicht (5,16,9), bevor er in Epist. 5,17Plinius der JüngereEpist. 5.17 selbst eine descriptio oris liefert.Plinius der JüngereEpist. 5.17
Vom auditorium einer Rezitation versetzt uns Plinius in Epist. 5,18Plinius der JüngereEpist. 5.18 zunächst in das nicht näher lokalisierte Landgut des Calpurnius Macer,97 der zusammen mit Frau und Sohn die Annehmlichkeiten seiner villa amoenissima genießt, zu denen Meer, Quellen, Gärten und Felder gehören (1: frueris mari, fontibus, viridibus, agro, villa amoenissima). Plinius selbst befindet sich in Tuscis (2) und ist mal abwechselnd, mal gleichzeitig mit Studien und Jagd beschäftigt.98 Innerhalb des fünften Buches ist dies der zweite Brief, in dem Plinius sich auf seinem tuskischen Landgut verortet, und die Kürze