am 23.06.2017 und dann in der Stichwahl am 18.06.2017 zum französischen Staatspräsidenten wurde Ende 2016 auch von den kühnsten Wahlprognostikern als nicht wahrscheinlich prophezeit.
Die statistischen Grundlagen der meisten Wahlprognosen basieren auf dem „schwachen Gesetz der großen Zahl“. Daher sollte nicht nur eine Binomialverteilung verwendet werden, sondern man müsste die Antworten von Fragebögen oder Umfragen mit Multibinomialverteilungen (das Produkt mehrerer Binomialverteilungen) auswerten. Zusätzlich werden die Ergebnisse solcher Ereignisse von kurzfristig eintretenden, teils emotionalen, Elementen beeinflusst. Solche Einflüsse können nicht mittels Umfragen modelliert werden.
Im soziopolitischen Bereich können Multiplikatoreffekte, welche auch durch Medien geschickt manipuliert werden können, zu großen Risiken führen. Die Ursachen können soziale und materielle Ungerechtigkeit, lebensbedrohliche Umstände, Hungersnöte, politische Rahmenbedingungen, emotionale Enttäuschungen oder terroristische Gründe sein, die einzeln oder in Kombination zu einem explosiven Gemisch bis hin zu Aktionismus und Fanatismus heranreifen können. Solche Entwicklungen und unbekannte Risiken können mit keiner statistischen Betrachtung vorausgesagt werden.
Die derzeitig zunehmende Belastung unserer Natur und der fortschreitende Klimawandel können nicht mit der Beobachtung von systemischen Risiken unter Kontrolle gehalten werden [8]. Mit jedem zehntel Grad an Erderwärmung steigt das Risiko, dass der Klimawandel sich durch seine Folgen selbst verstärkt und nicht mehr zu stoppen ist.
Durch die Beobachtung von Phänomenen und die wissenschaftliche Aufbereitung der gesammelten Daten könnte es gelingen, die Auswirkungen von daraus entstehenden extremen Risiken zumindest ansatzweise zu vermindern. Ein Beispiel ist auch der Bericht des UNO-Klimarats IPCC (erschienen am 15.10.2018), der aufzeigt, wie wichtig eine Beschränkung der Erderwärmung auf maximal 1,5 °C ist.
Auch im Bauwesen treten unerwartete Ereignisse auf, wo technische Infrastrukturen, wie Brücken, Staumauern etc., versagen. Der Einsturz der von Ricardo Morandi zwischen 1963–1967 gebauten Zügelgurtbrücke in Genova am 14.08.2018 mit 43 Toten war unerwartet. Obwohl die Brücke seit Jahren immer wieder ertüchtigt und auch zum Zeitpunkt des teilweisen Einsturzes saniert wurde, trat der Kollaps unerwartet ein. Solche Versagensmechanismen können technisch durch robustere Tragsysteme verhindert und das Risiko eines schlagartigen Versagens durch ein kontinuierliches Monitoring zumindest reduziert werden [9].
Weltweit wurden in den vergangenen 150 Jahren viele Bauwerke für Infrastrukturen der Bahn, der Straßen, der Wasserver- und -entsorgung sowie der Energie- und der Kommunikationsversorgung gebaut. Allein in Europa gibt es entlang der Transeuropäischen Transportkorridore (TEN-T) über 1234 km Straßenbrücken mit Spannweiten über 100 m. In den USA wurden 200 000 Brücken (1/3 aller Brücken) von der Autobahnverwaltung (US Federal Highway Administration, FHWA) als nicht mehr ausreichend in Bezug auf die Tragfähigkeit und Funktion bewertet.
In den letzten 20 Jahren sind in verschiedenen Ländern Europas (Italien, Frankreich, Portugal, Spanien, Dänemark, Finnland, Norwegen, Irland, UK, Griechenland, Rumänien) mehr als 20 Brücken kollabiert – mit über 120 Toten. In den USA sind mehr als 30 Brücken eingebrochen und dabei mehr als 50 Menschen getötet worden.
Oft führt eine Kombination von Naturgefahren, Bauschäden und menschlichen Fehlern zu einer Katastrophe. So gab es in verschiedenen Tunnels Europas unerwartete Ereignisse mit vielen Toten:
Metro Baku, Aserbaidschan, 1995: 303 Tote,
Straßentunnel Mont Blanc, Frankreich–Italien, 1999: 39 Tote,
Straßentunnel Tauern, Österreich, 1999: 12 Tote,
Gletscherbahn am Kitzsteinhorn Kaprun, Österreich, 2000: 155 Tote,
Straßentunnel Siere, Schweiz, 2005: 28 Tote.
In der Bauwirtschaft werden bei einer Projektausarbeitung und -realisierung vielfach unbewusst technische, ökologische und wirtschaftliche Studien, Kosten- und Risikobewertungen, Qualitätsprozesse, Finanzierungs- und Kooperationsmodelle sowie in den Kosten-Nutzen- und Nachhaltigkeitsbewertungen ansatzweise holistische Konzepte verwendet.
Der Erfolg eines Projektes hängt wesentlich von der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Auftragnehmern und dem Auftraggeber während allen Projektphasen zusammen. Die Grundlagen für den Erfolg eines Projektes werden jedoch bereits in der Planungsphase gelegt. Daher liegt auch das größte Optimierungspotenzial in der Gestaltung der Planung und im Projektmanagement bis zur Vergabe der Arbeiten [10].
In der Entwicklung eines Bauprojektes, das oft einen langen Zeitraum beansprucht, spielen neben dem notwendigen Fachwissen die menschlichen Fähigkeiten, nämlich Vertrauen, Teamfähigkeit, Transparenz und Ehrlichkeit in der Kommunikation, eine ganz wesentliche Rolle. Im Projekt- und Risikomanagement sollten durch holistische Analysemethoden auch unbekannte Risiken und mögliche Extremereignisse erfasst werden. Die Projektverantwortlichen müssen dann gerade bei Großprojekten schnelle Entscheidungen mit Fach- und Erfahrungswissen treffen und konsequent umsetzen. Langsame Entscheidungen, geringes Fachwissen und Angst vor Verantwortung sind eine Kombination, die Risiken fördert.
Im Naturgefahrenmanagement haben die mit der Natur vertrauten Verantwortlichen schon immer, teils unbewusst, die Anzeichen und Phänomene möglichst ganzheitlich betrachtet. Unsere Vorfahren in den gebirgigen Gegenden der Alpen, Naturvölker aber auch der Autor in seinen Kindheitsjahren selbst haben die Zeichen der Natur kennen und respektieren gelernt. Dabei wurde das Wissen über Wind- und Wetterzeichen, das Beobachten über ein verändertes Verhalten von Tieren und Hinweise von sensiblen Individuen über Generationen weitergegeben und ständig durch neue und eigene Erfahrungen bereichert. So lernten und lernen auch heute noch Kinder, die sich in der Natur aufhalten, bereits sehr früh das Erkennen von Vorzeichen für sich ändernde Verhältnisse in der Natur und entwickeln einen Spürsinn für den Umgang mit solchen Gefahren. Heute geschieht die Prävention von Naturgefahren auf theoretischem Wege im Rahmen von Gefahren- oder Risikoplänen, durch periodische Beobachtungen sowie durch die Vorhaltung von Maßnahmen zur Früherkennung und Ausmaßminderung.
Trotz vorbereiteter Katastropheneinsatzpläne und periodischen Einsatzübungen mit freiwilligen Helfern und Berufskräften sieht die Realität vielfach anders aus. Sämtliche Einsatzpläne werden oft auf der Grundlage von historischen Daten entwickelt und nur punktuell können Beobachtungen oder ein Monitoring von Phänomenen durchgeführt werden.
Diese Beispiele zeigen, dass mit den derzeitigen statistischen Methoden bestimmte Entwicklungen in der Zukunft schwer vorausgesagt werden können. Noch schwieriger ist die Modellierung von unbekannten Risiken oder erkennbaren, jedoch nicht quantifizierbaren Risiken. Solche Risiken („seltene Ereignisse“) können nicht mit einer Normalverteilung, sondern ansatzweise mit Modellen der sogenannten „fetten Verteilungsenden“ bzw. „fat tails“ abgeschätzt werden.
Kritische Situationen sollten also möglichst früh erkannt werden. Die Analyse von Verkehrsunfällen oder Unglücke in Zusammenhang mit technischem und/oder menschlichem Versagen zeigen, dass die eigentlichen Ursachen des Unglücks oft zeitlich weit zurückliegen können (Fehler beim Entwurf, der Konstruktion oder Bau des Produktes oder des Bauwerkes). Die für das Ereignis entscheidende kritische Situation kann also zeitlich weit vor ihrer Auswirkung liegen.
Risikomanagement ist daher nicht nur ein ständiges Rechnen um das Risiko herum, sondern ein Prozess des ständigen Lernens, Erfassens und Handelns. Denn selbst wenn wir messbare Ergebnisse haben, ist nach Ansicht von Nassim Nicholas Taleb [11] Vorsicht geboten: „Wir konzentrieren uns leider zu stark auf das, was wir bereits wissen. Wir neigen dazu, nicht das Allgemeine zu lernen, sondern das Präzise.“
Chancen und Risiken sollten kontinuierlich und transparent untersucht, identifiziert, bewertet und in einem holistischen Sinne möglichst gesamtheitlich erfasst werden. Dazu gehört auch die Bereitschaft, alle erkennbaren Risiken frühzeitig ernst zu nehmen und eine Sensibilität gegenüber manchen Frühindikatoren und Risikofaktoren zu entwickeln. Daher sollten holistische Ansätze unter Einbezug von Beobachtungen und von Erfahrungen aus anderen Kulturen und Völkern unterstützt durch wissenschaftliche Methoden