Risiken zu den sieben schweren Fehlern (er sagte dazu „seven deadly diseases“) zählt.
Die letzte Finanzkrise (15. September 2008 mit dem Scheitern von zwei großen und traditionsreichen US-Investmentbanken bzw. mit Lehman Brothers die größte Firmenpleite der Geschichte) hat genau diese Schwachstellen aufgezeigt. Trotz Risikomanagement aber durch mangelnde Transparenz, unterschätzte „faule Kredite“ und überschätzte Chancen entstanden teilweise enorme finanzielle Schäden, hohe Verschuldungen und volkswirtschaftliche Haftungen. Sicher ist die Frage berechtigt, ob damals bei den Banken die Finanzrisiken systematisch klein gerechnet und die Kreditrisiken als zu wenig riskant eingestuft wurden (Handelsblatt vom 13.2.2012, „Aufseher und die Bilanzakrobaten“).
Heute müssen wir uns aber die gleiche Frage stellen: Hat sich die Welt an die Schulden gewöhnt? Die durchschnittliche Verschuldung der EU lag 2019 bei 86 % und die durchschnittliche weltweite Verschuldung bei 67 %. Nach der Finanzkrise im Jahre 2009 betrugen die weltweiten Schulden etwa 100 Billionen Euro bzw. das 2,1-fache der damaligen Wirtschaftsleistung. Ende 2019 war die globale Staatsverschuldung auf über 225 Billionen Euro angewachsen, das entspricht in etwa dem Dreifachen der Wirtschaftsleistung aller Staaten der Erde.
Die weltweite Gesamtverschuldung und die großen Schulden von Staaten in Fremdwährungen stellen auch wachsende weltwirtschaftliche Risiken dar. Wie gefährlich ist diese Entwicklung für die Weltwirtschaft? Laut dem internationalen Finanzinstitut IIF haben sich die Fremdwährungsschulden in den „Emerging Markets“ seit 2010 auf 2,7 Billionen Euro verdreifacht. Die Covid-19-Pandemie wird große und deutliche Spuren in der Weltwirtschaft hinterlassen. Nach der Covid-19-Krise werden die Arbeitslosigkeit und die armutsgetriebene Migration weltweit stark ansteigen.
Trotz unterstützender Maßnahmen der Zentralbanken brachen die Aktienkurse massiv ein. Die weltweite Tourismuswirtschaft und die damit verbundenen Wirtschaftszweige (Transport, Handel, Bauwesen etc.) rechnen mit herben Verlusten. Durch die aktive Unterstützung der Regierungen steigt die Staatsverschuldung noch weiter an.
Beunruhigend ist auch, dass der Anteil der Schwellenländer an der Leistung der Weltwirtschaft knapp 60 % ausmacht (ohne China etwa 40 %). Weiters entfallen etwa 75 % des Weltwirtschaftswachstums auf die „Emerging Markets“. Diese Länder sind solange stabil, wie das geliehene Kapital investiert und nicht konsumiert wird. Entscheidend ist dabei, dass die Weltwirtschaftsleistung steigt.
Aber kann die Weltwirtschaft mit einem begrenzten Lebensraum und begrenzten natürlichen Ressourcen immer wachsen? Vielleicht führt die Covid-19-Krise zu einem bewussteren Umgang mit den Ressourcen, zu einer neuen Arbeitsweise durch die Digitalisierung und damit zu einer verantwortlicheren Einstellung zum Lebensraum und zur Vergänglichkeit des Lebens.
Im Finanz- und Bankenbereich wurde durch das Einschreiten von Aufsichtsorganen zwar ein gewisses Monitoring erzielt und mit einem gezielten Risikomanagement begleitende Maßnahmen gesetzt. Damit konnte die Eigenkapitalausstattung verbessert, die Kernkapitalquote (Common Equity Tier, CET 1) erhöht, die Kreditvergabe begrenzt und eine angemessene Risikovorsorge geplant werden. Die Frage jedoch bleibt, ob mit Kennzahlen und statistischen Prognosen eine Risikokultur aufgebaut und die Sorgfalt erhöht werden kann. Genau in diesem Bereich muss mit Augenmaß und mit äußerst effizienten Verfahrensabläufen gearbeitet werden. Es zeigt sich nämlich, dass durch eine Erhöhung der internen und externen Kontrollen die Verwaltungsabläufe viel schwerfälliger und die Prozesse langsamer werden sowie durch eine Abnahme der Verantwortung und Zunahme der Angst genau das Gegenteil erreicht wird.
Die letzten 30 Jahre Bankenregulierung haben leider auch kaum was gebracht. Man hat in Europa mit den Regeln des „Basler Ausschusses für Bankenaufsicht“ versucht, das Risiko der Banken zu verringern. Die als Basel I im Jahre 1988, und Basel II im Jahre 2006 sowie die Regeln von Basel III im Jahre 2008 bekannt gewordenen Regulierungen hatten zwei Ziele:
Die Banken sollten solider werden und
es sollte gleiche Spielregeln für alle Banken weltweit geben.
Beide Ziele wurden nicht erreicht. Das zeigt auch eine Studie der Universität Wien [6]. Weder die Widerstandsfähigkeit gegen Pleiten noch die Ansteckungsgefahr anderer Institute im Falle einer Pleite, das sogenannte systemische Risiko, wurden verbessert. Das Risiko der größten europäischen Aktienbanken (20 % der größten Banken) hat sich seit 1988 laut Gehring und Iannino [7] stark vergrößert und ist bei den anderen Instituten im Wesentlichen unverändert geblieben. Offensichtlich haben die größten Banken jene Optionen, die ihnen die Risikomodelle als Möglichkeiten boten, verwendet und dadurch das ohnehin große systemische Risiko noch erhöht. Laut dieser Untersuchung sei in allen Banken, welche interne Risikomodelle benutzten, das systemische Risiko gestiegen. Nach Aussage der Autoren wird das Risiko vor allem durch Verhaltensänderungen getrieben, welche in einem unmittelbaren kausalen Zusammenhang zu den Basler Regelungen stehen.
Praktisch gesagt: Es wurden zwar Risikomanagement oder Kapitalerhöhungen angestrengt, jedoch Schwachstellen der Modelle ausgenutzt, und damit das systemische Risiko erhöht.
Regionale kleinere Banken wurden jedoch stabiler, haben faule Kredite abgebaut, das Eigenkapital erhöht und ein strukturiertes Risikomanagement eingeführt. Eine neue Gefahr könnte aber durch die folgende Wirtschaftskrise nach Covid-19 entstehen. Denn geraten viele Unternehmen durch die Krise in Zahlungsschwierigkeiten, so können sie ihre Kredite nicht mehr oder nicht mehr vollständig zurückzahlen. Die Banken müssten diese Kredite dann abschreiben.
Eine andere Chance ist die Digitalisierung der Bankengeschäfte. Jetzt sehen auch die konservativsten Banken, dass die Kunden ihre Finanzgeschäfte online abwickeln. Daher könnten nach der Covid-19-Krise viele Bankfilialen geschlossen und damit Bankangestellte arbeitslos werden.
Die Autoren Gehring und Iannino [7] weisen darauf hin, dass auch bei Versicherungsgesellschaften seit 1996 das systemische Risiko gestiegen ist. Der Basel-Prozess hat auch dazu geführt hat, dass extremere Ereignisse häufiger eintraten und dass das langfristige Wachstum der Wirtschaft durch diese Regeln gestört wurde.
In Bezug auf die Covid-19-Krise sind die Unternehmen kaum gegen solche Risiken abgesichert. Zwar gibt es Versicherungen, die Ertragsausfälle aufgrund von Betriebsunterbrechungen abdecken. Extreme Ereignisse durch Naturgefahren, wie Hurrikans oder Erdbeben, treten meistens regional begrenzt auf. Dies ist bei einer Pandemie nicht der Fall, denn dort treten weltweit gleichzeitig Schäden auf. Bei solchen Risiken, die in kurzer Zeit große Schäden anrichten, funktioniert das Prinzip der Risikostreuung nicht mehr. Daher ist bei Pandemien mit klassischen Versicherungen die Grenze der Versicherbarkeit erreicht.
Bei Finanzkrisen wird vielfach die Statistik strapaziert und Fraktilwerte mit unterschiedlichen Aussagewahrscheinlichkeiten zur Interpretation historischer Ereignisse herangezogen. Auch Finanzspekulationen (nicht immer klar, ob aus Dummheit, aus Fahrlässigkeit, aus Zufall oder aus Absicht) werden vielfach erst im Nachhinein interpretiert und Hinweise zur Interpretation retrospektiv entwickelt. Die Langzeitbeobachtung von sozialen, politischen und makroökonomischen Entwicklungen sowie die Sensibilität von einzelnen Phänomenen werden kaum in Betrachtung gezogen.
In letzter Zeit hat die Cyberkriminalität bedrohliche Risiken verursacht. Nach dem Global Risk Report 2018 des World Economic Forum (WEF) werden die Cyberattacken erstmals als das wahrscheinlichste menschlich verursachte Risiko für die Weltwirtschaft eingestuft. Das Center for Strategic and International Studies bezifferte den Schaden der Cyberkriminalität im Jahre 2017 auf über 500 Mrd. Euro. Begleitende Symptome sind der Vertrauensverlust auf den Kapitalmärkten und bei den Anlegern und Kunden. Interessant ist dabei, dass nach Erkenntnissen der Boston Consulting Group über 70% der erfolgten Attacken auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen sind und nur 30 % dieser Risiken durch technologische Barrieren hätten verhindert werden können.
Auch vor Wahlen und Referenden versagen immer wieder die Prognosen. In den Vereinigten Staaten von Amerika zeigten nahezu alle Prognosen ein anderes Ergebnis, als schlussendlich im November 2016 eintraf. Das Prognosemodell der New York Times bezifferte die Siegchancen der Gegenkandidatin mit 84 %, die Huffington Post mit 98 % und das Princeton Election mit 99 %. Auch der Brexit