mit den Nazis kollaborierenden französischen Behörden auf der Flucht in Marseille festgenommen und in Paris der Gestapo ausgeliefert. Nach schweren Folterungen erhängte er sich in seiner Zelle.
•Im Februar 1942 begingen Stefan Zweig und seine Frau Lotte in Brasilien Selbstmord. Erschöpft von den Jahren der Flucht habe ihn die Zerstörung seiner geistigen Heimat Europa nun völlig entwurzelt, schrieb Zweig in einem Abschiedsbrief. Der „Völkische Beobachter“ berichtete über den Tod des vielleicht größten österreichischen Schriftstellers seiner Zeit demonstrativ kühl: „Selbstmord des jüdischen Emigranten Zweig“ titelte das NS-Blatt seinen fünfzeiligen „Nachruf“.
•Zwei Monate später starb Robert Musil in seinem Schweizer Exil völlig verarmt nach einem Schlaganfall. Sein Opus Magnum, „Der Mann ohne Eigenschaften“, erschienen 1930, durfte nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland nicht mehr verkauft werden.
•1943 verschied der Regisseur und Begründer der Salzburger Festspiele Max Reinhardt mit 70 Jahren in New York nach zwei Schlaganfällen, verursacht durch einen Hundebiss. In Europa war er ein Star, in den USA hatte er nur einen, freilich großartigen Film gedreht („A Midsummer Night’s Dream“). Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in bescheidenen Verhältnissen.
•In New York starben im August 1945 der Autor Alexander Roda-Roda und der Komponist Béla Bartók – beide an Leukämie. Roda-Roda wie Bartók blieb der große Erfolg in den USA versagt.
•Der Wiener Autor Felix Salten kehrt ebenfalls nicht mehr in seine Heimatstadt zurück. Er stirbt 1945 in seinem Fluchtort Zürich. Vor seiner Ausreise aus Österreich hatten ihm die Nazis den Großteil seines Besitzes abgenommen. Die Rechte an seinem Roman „Bambi“ verkaufte Salten – übrigens ein Onkel von Karl Farkas – um nur 1000 Dollar. Walt Disney machte mit der Verfilmung Millionen. Mit Wien hatte Felix Salten schon nach seiner Flucht 1939 in einem Brief an einen Freund abgerechnet: „Ich habe die Wiener mein Leben lang weit überschätzt, und es gibt jetzt überhaupt keine Menschensorte, die ich so verachte, die ich so verdamme, wie die Wiener und die Österreicher überhaupt.“
Und nun wird also auch Franz Werfel die Städte seines Lebens – Prag, Wien, Venedig, Rom – nicht wiedersehen.
Aus Wien treffen weitere Todesnachrichten bei Alma Mahler-Werfel in Los Angeles ein. Ihr Stiefvater Carl Moll, ein Nationalsozialist der ersten Stunde, hat sich nach der Eroberung Wiens durch die Rote Armee vergiftet. Auch seine Tochter, also Almas Halbschwester, und deren Ehemann begingen Selbstmord.
Der Jugendstilmaler Carl Moll, der mit seinen Freunden Gustav Klimt und Koloman Moser 1897 die Wiener Secession gründete, hatte die verwitwete Mutter Almas geheiratet, als Alma 16 war. Sie verzieh ihrer Mutter die Wiederverheiratung nie, das Verhältnis trübte sich weiter ein, als diese noch ein Kind mit Carl Moll bekam.
Dennoch kaufte Alma mit Franz Werfels Geld 1931 eine Villa in der Steinfeldgasse auf der Hohen Warte, die an jene von Carl Moll und ihrer Mutter grenzte. Die Hohe Warte, eine kleine Erhebung in Wien-Döbling, war das angesagte Künstlerviertel dieser Zeit. Und Alma wollte große Feste geben.
Als sie im März 1938 mit Franz Werfel aus Wien floh, vertraute sie dem Stiefvater trotz der gegenseitigen Abneigung ihre Gemälde und die Villa treuhändig an.
Aber nun ist Carl Moll tot (Almas Mutter war schon 1938 verstorben) und die Villa in der Steinfeldgasse wurde im Krieg beschädigt, wird ihr aus Wien berichtet. Auch das Dachgeschoss, in das sich Franz Werfel zum Schreiben zurückzog, wenn ihm die rastlose Alma zu anstrengend wurde, ist völlig zerstört. Dort waren handschriftliche Partituren Gustav Mahlers und Manuskripte Franz Werfels aufbewahrt.
In jenem August 1945, in dem Franz Werfel, Roda-Roda und Béla Bartók sterben, werfen die US-Streitkräfte Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki ab. 100.000 Menschen werden sofort getötet, weitere 130.000 sterben bis Jahresende.
Der Einsatz der neuen Atomwaffe ist das Ergebnis einer mathematischen Kalkulation: Bei einer US-Invasion auf den japanischen Hauptinseln wären rund 250.000 amerikanischen Soldaten gefallen, so die Schätzung des Pentagon. Der Blutzoll der Japaner wäre doppelt so hoch gewesen, das weiß man seit den Kampfhandlungen um die kleineren Pazifikinseln.
Thomas Mann notiert in seinem Tagebuch etwas konsterniert über die antijapanische Stimmung in den USA: „Die Senatoren werden mit Telegrammen bombardiert: Wunsch, Land und Leute mit Atombomben zu vernichten.“
Bertolt Brecht, der Homo politicus, reagiert rasch. Er arbeitet gerade mit dem Hollywood-Star Charles Laughton an der englischen Übersetzung seines Stücks „Das Leben des Galilei“, geschrieben 1939 im dänischen Exil. Im Original war es entsprechend der historischen Ereignisse vor allem um die Auseinandersetzung der Wissenschaft mit der Kirche gegangen, in der englischen Version wird angesichts der Atombombe auch die Verantwortung der Wissenschaft selbst erörtert. „Die Atombombe hat die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Wissenschaft zu einem Leben-und-Tod Problem gemacht“, schreibt Brecht in sein „Arbeitsjournal“.
Er ahnt: In diesem August 1945 bricht ein neues Zeitalter an.
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