zum Film „Hangmen Also Die!“. Es basiert lose auf Ereignissen in Prag ein Jahr zuvor. Dort hatten Widerstandskämpfer den SS-Statthalter Reinhard Heydrich ermordet, das hatte blutige Vergeltungsmaßnahmen der Nazis zur Folge. Die Filmmusik stammt vom Wiener Hanns Eisler, wie Bertolt Brecht und Fritz Lang ein Flüchtling. Auch die meisten Schauspieler sind Emigranten.
Aber das ist es auch schon für Brecht, zu Hollywood passt er nicht. Er hat allerdings vor der Flucht mit seiner „Dreigroschenoper“ so prächtig verdient, dass sich die Familie in ein schmuckes kalifornisches Holzhaus mit vier Schlafzimmern und einem großen Arbeitsraum einmieten kann.
Zu den Partys bei den Werfels ist natürlich auch Brecht nicht eingeladen, der „Kommunist“, wie ihn die anderen hinter vorgehaltener Hand nennen.
Er trägt es wohl mit Fassung. Thomas Mann, den Dauergast bei Alma, kann er ohnehin nicht ausstehen. Brecht verabscheut die von Mann vertretene Kollektivschuld-These. Als Mann einmal schreibt, die Alliierten sollten „Deutschland zehn oder zwanzig Jahre lang züchtigen“, und gar meint, „eine halbe Million muss getötet werden in Deutschland“, nennt ihn Brecht in seinem „Arbeitsjournal“ ein „Reptil“ und fügt ironisch hinzu, das deutsche Volk müsse sich vor allem dafür rechtfertigen, „daß es nicht nur die Untaten des Hitlerregimes, sondern auch die Romane des Herrn Mann geduldet hat – die letzteren ohne 20 bis 30 SS-Divisionen über sich.“
Thomas Mann hält von Brecht politisch ebenso wenig wie der von ihm, er gibt jedoch zu: „Das Scheusal hat Talent.“
Einer der Stammgäste in Almas Salon hat Brecht ins Visier genommen: Friedrich Torberg. Er trifft ihn öfter, ist von seiner Intelligenz fasziniert und „erschrocken von seiner raffinierten Art des Diskutierens“. Torberg, geboren in der Wiener Porzellangasse, ist entschlossener Antikommunist. Das hat auch das FBI mitbekommen, das sich ständig in Emigrantenkreisen umhört. 1943 bekommt Torberg den Auftrag, ein Dossier über Brechts politische Ausrichtung anzufertigen. Torberg liefert.
Die Feste bei Alma Mahler-Werfel werden nun seltener: Franz Werfel hat schwere gesundheitliche Probleme. Am 13. September 1943, wenige Tage nach seinem 53. Geburtstag, erleidet er einen Herzinfarkt, den er knapp überlebt. Im Frühjahr 1944 zieht auch noch sein Freund Torberg nach New York.
Aber Alma und Franz Werfel streiten jetzt weniger, sie ist eine fürsorgliche Übermutter mit entsprechenden Reflexen: „Trotz der Herzschwäche blüht jetzt seine Sexualität wieder auf“, schreibt sie im Herbst 1944 in ihr Tagebuch. „Da ich Angst um ihn habe und vor allem vor den großen Schmerzen, die er seit Jahren nach einer Liebesfreude bekommt, such’ ich ihn abzulenken, was ihn aber irritiert. Seit zwei Tagen sagt er fortwährend: ‚Ich geh in ein Puff, um mich zu reizen!‘. Seine Augen hängen an jeder Weibsgestalt mit unstillbarer Gier.“ Er sei eigentlich schon immer so gewesen, meint Alma, „darum ist er heute so fertig“.
Sie führt Werfels Herzleiden also auf Triebhaftigkeit zurück.
Ausgerechnet Alma!
Beim Komponisten Alexander Zemlinsky hatte sie in den 1890er-Jahren als sehr junge Frau nicht nur Musikstunden genommen und danach den um fast 30 Jahre älteren Direktor der Wiener Hofoper Gustav Mahler geheiratet. Noch zu Lebzeiten Mahlers begann sie ein Verhältnis mit dem Berliner Architekten Walter Gropius, ging dann aber eine leidenschaftliche Beziehung mit dem jungen Maler Oskar Kokoschka ein („Wir haben uns aneinander wund gerieben“). Kokoschka war ihr völlig verfallen, dennoch heiratete sie 1915 Walter Gropius. Gropius war noch in den Schützengräben an der Frankreich-Front, als Alma den um elf Jahre jüngeren Franz Werfel kennenlernte. Sie ließ sich von Gropius scheiden und heiratete Werfel. 1932, da war sie 54, lernte sie den um 16 Jahre jüngeren Priester Johannes Hollnsteiner kennen, den Beichtvater und Vertrauten von Justizminister Kurt Schuschnigg, dem späteren Bundeskanzler. Alma mietete für die Treffen mit dem Geistlichen eine kleine Wohnung, wo sie ihn mit Champagner und Kaviar bewirtete.
Almas Tochter Anna aus der Ehe mit Gustav Mahler erinnerte sich später: „Sie hat ihn gefragt, wie das nun also ist mit der Keuschheit. Da hat er ihr erklärt, das mit der Keuschheit, das ist immer nur, während man das (den Talar; Anm.) anhat. Sonst ist es gar nicht notwendig.“
Aber jetzt stößt sich Alma an der „Triebhaftigkeit“ des schwer kranken Franz Werfel und führt sogar sein Herzleiden darauf zurück.
Zur Jahreswende 1944/45 hat sich Franz Werfels Zustand so weit gebessert, dass er Zeit in seinem Schreibquartier in Santa Barbara zubringen kann. Alma ist anstrengend, im Haus an der Küste ist er ungestört.
Dann kommt der Frühling und der Krieg in Europa ist zu Ende.
New York/Wien 1945/46
DREI FLÜCHTLINGE HABEN HEIMWEH
Karl Farkas, Hermann Leopoldi und Robert Stolz, große Unterhaltungsstars der Zwischenkriegszeit, sind mit knapper Not dem Tod entronnen. Jetzt planen sie die Rückkehr nach Wien, haben aber Bedenken.
Am Tag, an dem Adolf Hitler in seinem Führerbunker Selbstmord begeht, am 30. April 1945, feiert Karl Farkas seinen größten Triumph: Er tritt in der berühmten New Yorker Carnegie Hall auf. „Vienna at Night“ heißt die Operette, deren Libretto er zur Musik von Johann Strauß geschrieben hat. Er spielt selbst mit.
Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der Spaßmacher aus dem Wiener Kabarett „Simpl“ in den USA einschlägt? Man hätte nicht einmal hoch darauf gewettet, dass es Farkas überhaupt nach New York schafft. Es war ja tatsächlich knapp, die Gestapo war hinter ihm her.
Mit dem letzten Zug war er im März 1938 aus Wien in die Tschechoslowakei entkommen, sein Freund und kongenialer „Simpl“-Partner Fritz Grünbaum schaffte es nicht mehr über die Grenze. Er versteckte sich noch einige Wochen in Wien, dann wurde er an die Gestapo verraten. „Den Grünbaum haben wir!“, jubelte die Wiener Nazi-Presse.
Farkas und Grünbaum waren Hassobjekte der braunen Machthaber: „Sie setzten die neuen Einrichtungen des nationalsozialistischen Deutschlands in der perfidesten Art herunter. In ihren krampfhaften und geistlosen Witzen machten sie selbst vor den führenden Männern des neuen Deutschlands nicht halt“, höhnte der „Völkische Beobachter“, nachdem Farkas geflohen und Grünbaum ins KZ verschleppt worden war.
Als sich die Nazis anschickten, auch die Tschechoslowakei zu besetzen, flüchtete Farkas nach Paris. Seine Frau Anny und sein zehnjähriger Sohn Robert („Bobby“) kamen nach. Aber bald zeichnete sich ab, dass Nazi-Deutschland in absehbarer Zeit auch über Frankreich herfallen würde. Nun blieb ihnen nur noch die Flucht nach Übersee. Doch auch dieser Weg war versperrt: Das amerikanische Konsulat in Paris teilte der Familie Farkas ohne Umschweife mit, dass sie keine Visa bekommen würde. Robert hatte als Kleinkind eine Gehirnhautentzündung und war seither geistig behindert – und an Behinderte und Kranke wurden keine US-Visa ausgegeben. Schweren Herzens fuhren Anny und Robert zurück nach Wien und dann nach Bresnitz, ein kleines Dorf in Südböhmen, in dem Annys Eltern lebten.
Karl Farkas schlug sich mit Auftritten in Pariser Cafés durch. Als die Wehrmacht im September 1939 über Polen herfiel und das mit Polen verbündete Frankreich damit formal im Kriegszustand mit Deutschland war, wurde Farkas wie alle deutschen und österreichischen Flüchtlinge im wehrfähigen Alter in ein französisches Internierungslager gesteckt. Auch im Lager spielte er Kabarett.
Wenige Monate später marschierte die Wehrmacht in Belgien, den Niederlanden und Frankreich ein. Die meisten der in Lagern Internierten wurden vor der Ankunft der SS-Fahnder freigelassen und flohen ins noch unbesetzte Südfrankreich. In der Christnacht des Jahres 1940 überstieg Farkas die Pyrenäen Richtung Spanien und fuhr dann mit der Bahn nach Portugal. Er war jetzt 47.
Im Zielort Lissabon angekommen, spielte er wieder Kabarett. Da die Transatlantik-Schiffe New York wegen der U-Boot-Gefahr nicht mehr anliefen, ging es im Jänner 1941 auf einem der letzten Kähne, die sich noch auf den Atlantik wagten, zuerst nach Kuba und von dort entlang der US-Küste nach Norden.
Karl Farkas war auf hoher