wir Sie benachrichtigen«, sagte Adrian. »Wir haben ihn gefragt, aber…«
»Schon gut«, sagte Mareike ruhig. »Bitte sagen Sie mir, wo ich ihn finde, Herr Doktor.«
Adrian beschrieb ihr den Weg. Er hoffte, Esther werde zurückbleiben und ihm diese merkwürdige Geschichte erklären, aber das tat sie nicht.
»Ich begleite Sie, Frau Sandberg«, sagte sie. »Wenigstens bis zur Tür!« Sie wandte sich den beiden Männern zu, die einigermaßen ratlos herumstanden. »Bis später, Adrian, ich ruf’ dich an. Tschüß, Bernd.« Dann nahm sie Mareike Sandbergs Arm und zog sie mit sich zu den Fahrstühlen.
»Habe ich das jetzt eben wirklich erlebt?« erkundigte sich Bernd. »Oder habe ich das geträumt? Da stimmt doch etwas nicht, Adrian, oder?«
»So muß man das wohl sehen«, antwortete Adrian. »Aber ich gehe jetzt trotzdem nach Hause. Die Lösung dieses Rätsels wird warten müssen, bis ich ein bißchen geschlafen habe.« Er setzte sich wieder in Bewegung.
Bernd folgte ihm. Seine Stimme klang enttäuscht. »Schade! Findest du nicht auch, daß sie eine richtige Schönheit ist?«
»Wer? Esther?« fragte Adrian, um ihn zu ärgern.
»Esther sowieso«, antwortete Bernd unbeirrt. »Nein, diese Frau Sandberg. Blonde Haare und braune Augen…«
»Ich denke, du bist in Moni verliebt?«
Bernd blieb mit einem Ruck stehen. »Woher weißt du das?« fragte er entsetzt.
Adrian packte ihn am Arm und zog ihn mit sich. »Du hast es mir selbst erzählt, Bernd, als wir mal ein Bier zusammen getrunken haben, weißt du das etwa schon nicht mehr?«
Bernd warf ihm einen mißtrauischen Blick zu, denn daran konnte er sich in der Tat nicht mehr erinnern. Adrian hütete sich, ihm zu sagen, daß alle Bescheid wußten über seine Gefühle für Schwester Monika – auch diese selbst. Denn Bernd trug sein Herz auf der Zunge, aber ihm selbst war das wohl nicht bewußt.
»Los jetzt, ab nach Hause. Wir reden morgen weiter über die schöne Frau Sandberg.«
»Na gut«, sagte Bernd unzufrieden. »Bis morgen, Adrian.«
*
Robert Sandberg starrte Mareike an. »Was willst du hier?« fragte er.
»Ich habe zufällig erfahren, daß du einen Schlaganfall hattest, Robert«, sagte sie und bemühte sich darum, ihre Stimme nicht zittern zu lassen. Er hatte keine Macht mehr über sie, das sagte sie sich immer wieder vor.
»Du hättest nicht extra herkommen müssen«, sagte er kalt.
»Ich bin nicht deinetwegen hier«, erwiderte sie zu ihrer eigenen Überraschung. »Ich wollte jemand anders besuchen – und da bin ich Dr. Winter begegnet.«
Er sah sie aufmerksam an. »Du hast mich verlassen«, sagte er. »Ohne Erklärung, bei Nacht und Nebel.«
»Ja, Robert, das habe ich. Aber nicht ohne Erklärung. Du hast meine Erklärungen nur nie ernstgenommen. Wir beide können nicht glücklich sein zusammen.«
»Glücklich!« Es klang verächtlich, er spuckte das Wort förmlich aus. »Hattest du nicht alles, was du wolltest?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das hatte ich nicht. Ich wollte dein Leben teilen – aber ich wollte nicht, daß du über mein Leben bestimmst.«
Er schloß die Augen, und zum ersten Mal stellte sie fest, daß er müde aussah. »Du tust mir leid«, sagte sie ruhig. »Ich weiß nicht, was es für dich bedeutet, so zu leben, wie du es tust, aber ein glückliches Leben ist es ganz sicher auch für dich nicht.«
Dieses Mal antwortete er nicht sofort. Er öffnete die Augen wieder und sah sie nachdenklich an. »Ich werde den Anwälten sagen, sie sollen dich in Ruhe lassen, Mareike«, sagte er schließlich. »Wir werden uns um eine einvernehmliche Scheidung bemühen und versuchen, uns wie vernünftige Menschen zu benehmen. Was hältst du davon?«
»Viel«, sagte sie. »Aber warum auf einmal? Du warst doch sicher schrecklich wütend auf mich.«
»Das bin ich wahrscheinlich immer noch«, meinte er. »Aber vielleicht hast du ja recht. Wir passen einfach nicht zusammen. Ich werde von jetzt an mein Leben leben und du deins.«
»Ich bin froh, daß es nur ein leichter Schlaganfall war«, sagte sie leise. »Leb wohl, Robert.«
Er sah ihr nach, wie sie mit leichten Schritten zur Tür ging. Dort drehte sie sich noch einmal um und lächelte ihm zu. Dann war sie gegangen.
Es stimmte, er war immer noch wütend auf sie. Aber zum ersten Mal hatte er auch Achtung vor ihr, und darüber war niemand verwunderter als er selbst. Er würde ihr keine Steine mehr in den Weg legen. Sollte sie glücklich werden ohne ihn.
*
Esther sah Mareike Sandberg forschend an, als diese aus dem Zimmer ihres Mannes kam. »Und?« fragte sie vorsichtig. »Alles in Ordnung?«
Mareike nickte. »Ja, alles in Ordnung. Er war noch nie zuvor so nett zu mir, Frau Berger. Ausgenommen vor der Hochzeit natürlich.«
Sie schüttelte den Kopf. »Er wirkte anders als sonst, doch ich glaube trotzdem nicht, daß er sich jemals ändert. Aber das betrifft mich ja auch nicht mehr. Jedenfalls hat er mir eine friedliche Scheidung angeboten, und das ist mehr, als ich jemals zu hoffen gewagt hätte.«
»Das ist ja eine wunderbare Nachricht«, sagte Esther überrascht.
»Ja, nicht wahr? Trotzdem kann ich mich noch gar nicht richtig darüber freuen. Ich muß immer an Herrn Tanner denken und daran, daß er die Hoffnung verloren hat. Als ich bei ihm war, hat er mir richtig Angst gemacht.«
»Es ist seine Angst, nicht Ihre, Frau Sandberg, lassen Sie sich davon nur nicht anstecken. Und folgen Sie Ihren Gefühlen. Einen besseren Rat kann ich Ihnen nicht geben.«
»Ja, das werde ich, darauf können Sie sich verlassen. In Zukunft werde ich immer versuchen, das zu tun.« Sie sah Esther in die Augen. »Glauben Sie, daß er gelähmt bleibt?«
»Würde das etwas ändern?« fragte Esther zurück.
Mareike Sandberg schüttelte den Kopf. »Nein, für mich nicht. Aber für ihn natürlich. Ich weiß nicht, ob er sich jemals damit abfinden würde. Für ihn wäre es ein großes Unglück, und ich wünsche ihm sehr, daß es ihm erspart bleibt.«
»Ich wünsche es Ihnen beiden«, sagte Esther leise. »Frau Sandberg, nach allem, was jetzt geschehen ist, finde ich, es wäre besser, wenn Sie allein zu Herrn Tanner gehen. Ich kann ihn später besuchen. Aber Sie beide haben sicherlich einiges miteinander zu besprechen.«
Mareike Sandberg sah aus, als wolle sie ihr widersprechen, aber sie tat es dann doch nicht. »Ich fürchte mich ein bißchen, deshalb hätte ich gegen einen kleinen Aufschub nichts einzuwenden gehabt. Aber Sie haben natürlich recht, Frau Berger. Danke für alles. Sie haben mir sehr geholfen.«
»Viel Glück!« sagte Esther leise.
*
John starrte auf seine nutzlosen Beine und fragte sich, wie lange diese Quälerei wohl noch dauern werde. Tag um Tag verging, ohne daß er die geringsten Fortschritte machte, und das bedeutete: Jeden Tag wurde seine Hoffnung auf eine Besserung seines Zustandes ein bißchen kleiner. Und jeden Tag wurde seine Seele ein wenig dunkler.
Als es klopfte, wandte er nicht einmal den Kopf. Es war ihm gleichgültig, wer kam.
»Herr Tanner?«
Er starrte Mareike Sandberg an wie eine Erscheinung. »Ich hätte nicht gedacht, daß Sie sich noch einmal hierher wagen«, sagte er grob.
»Sie haben mich unterschätzt«, erwiderte sie sanft. »Obwohl ich zugeben muß, daß Sie mit Ihren Bemühungen, mich zu vergraulen, fast Erfolg gehabt hätten.«
Er kniff die Augen zusammen. »Warum sind Sie hier?« fragte er unfreundlich.
»Weil