Hendrik Terheyden

Augmentationschirurgie


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mit anderen weichen Materialien, wie PRF-Membranen und Kollagenvlies, ist förderlich, denn diese Materialein sind hydrophil und formen eine Art Gel, das keine Grenzfläche zur Körperflüssigkeit aufbaut. Auch zweischichtige Deckungen oder möglichst dicke Weichgewebelappen (Weichgewebeaugmentationen) verlängern die Strecke, die die Bakterien zurücklegen müssen. Für alles gibt es klinische Beispiele.

      Sehr effektiv ist es auch, den Bakterien erst gar keine Wachstumsgrundlage in Form von Fest-flüssig-Grenzflächen zu bieten. Mit anderen Worten, je weniger Fremdmaterial man in die Wunde einbringt, umso eher kann man eine Infektion vermeiden. Ein gutes Beispiel ist die Distraktionsosteogenese, die außer dem Distraktor kein Fremdmaterial benötigt und sich klinisch praktisch nie infiziert.

      Wenn dann doch ein Biofilm im Inneren der Wunde entstanden ist, sollten die hineingewanderten Bakterien möglichst wieder hinausbefördert oder abgetötet werden. Daher ist es in der Logik der Biofilmtheorie sinnvoll, die Patienten nach einer Augmentationsoperation ab dem dritten Tag regelmäßig einzubestellen, um die Nahtlücken lokal desinfizierend auszuspülen und die Nachbarzähne zu reinigen oder mit Chlorhexidingel zu bedecken.

      Die Stichkanäle einer Naht sind eine Schwachstelle. Man sollte klinisch einen guten Kompromiss zwischen der Brückenbildung für Bakterien und dem Zusammenhalten der Wundränder finden. Bei der normalen Intraoralchirurgie liegt dieser bei der Nahtentfernung nach 7 Tagen, bei Augmentationsoperationen wird eher 10 Tage mit der Nahtentfernung gewartet.

      Abb. 2-27 Zunehmende Entwicklung der bakteriellen Antibiotikaresistenz im Dekadenvergleich (modifiziert nach Boyanova L, et al. Anaerobe 2015:31:4–10).

      Abb. 2-28 Geografischer Nordwest-Südost-Gradient beim methicillinresistenten Staphylococcus aureus (Quelle: Surveillance Atlas of Infectious diseases, European Center for Disease Prevention and Control).

      Viele Patienten, die Langzeitantibiosen hinter sich haben, selektieren resistente Keime in ihrem Körper. Insbesondere betrifft dieses Patienten nach Tumorerkrankungen, aber unter Umständen auch voroperierte Patienten nach wiederholten implantologischen Komplikationen. Das kann nach der Erfahrung des Autors ein Grund sein, warum Wiederholungseingriffe häufig eine schlechtere Prognose als Ersteingriffe haben. In Hinsicht auf vorangegangene Langzeitantibiosen ist eine gründliche Anamnese demnach sinnvoll.

      An- und Auflagerungsosteoplastiken erfordern eine Weichgewebemobilisation zur Deckung des zusätzlichen Volumens. Sie sind daher dehiszenz- und infektionsgefährdeter als Einlagerungs- und Interpositionsosteoplastiken, die meistens nur adaptierend genäht werden oder sogar ganz offen zur Mundhöhle liegen (z. B. Ridge Preservation). Auflagerungsosteoplastiken funktionieren in einem kontaminierten Umfeld fast nur unter antibiotischem Dauerschutz. Je mehr alloplastisches, allogenes oder sogar proteinhaltiges xenogenes Fremdmaterial verwendet wird, desto mehr steigt der Bedarf an die Potenz und die Dauer der Antibiose. Man sollte also als Arzt einige der materialgetriebenen Behandlungsstrategien in der Implantologie der letzten Jahre überdenken.

      Einlagerungsosteoplastiken (z. B. Sinuslift) und Zwischenlagerungsosteoplastiken (z. B. Splittings, Sandwich) ersetzen zunehmend die An- und Auflagerungen. Sie bieten durch die Knochenbinnendefekte bessere Heilungsbedingungen und kommen mit Single-shot-Antibiotikaprophylaxen aus. Letztere haben kein großes Potenzial zur Förderung von Resistenzentwicklungen. Die Augmentation mithilfe von Interpositions- und Einlagerungstechniken ist eine mögliche Strategie gegen das Resistenzproblem in der Augmentationschirurgie.

      Manchmal ist es nach der Erfahrung des Autors bei multipel antibiotisch behandelten Patienten besser, mit dem Verfahren