mit überarbeitetem Text und ergänzenden Zeilen als »Leaving Green Sleeves«. Hörenswert ist auch die Aufnahme von der irischen Gruppe Anúna, hier mit der finnischen Ausnahmemusikerin Linda Lampenius, die auch als Linda Brava bekannt ist.
Sicher wird die Popularität für die Lady im grünen Kleid auch im 21. Jahrhundert ungebrochen bleiben, einschließlich der Klage des zurückgewiesenen Liebhabers.
Titel – Autoren – Interpreten
Greensleeves
Musik: Traditional – 16. Jahrhundert
Englischer Text: Traditional – 16. Jahrhundert
Bekannte Aufnahme auf Schellackplatte: Anne Shelton – 1949; Label: London
Überzeugende Darbietung: (als »Home In The Meadow«): Debbie Reynolds – 1962; Label: MGM
Hit in Deutschland: The Lords – 1966; Label: Columbia
Geniale Neuinterpretation: Leonard Cohen – 1974; Label: Columbia
Schöne Produktion: Loreena McKennitt – 1991; Label: Quinlan Road
Authentische Einspielung: Anúna, featuring Linda Lampenius – 2007; Label: Elevation
La Bamba
Mexico 17. Jahrhundert
Der Macho-Song
von Misha G. Schoeneberg
Es ist immer die gleiche Szene: Seit Hunderten von Jahren lungern jeden Tag im Hafen von Veracruz die jungen Stenze herum, Tagelöhner wahrscheinlich. Sie tragen ihr löchriges Hemd auf sonnenversengter Haut; und sie stehen dort an der Kai-Mauer in ihrer Duftwolke aus Tabak, Schweiß und billigem Parfüm, die ab und an vom salzigen Seewind übers Meer verweht wird. Doch sie sind jung und geben ganz mächtig an … – und sobald sich ein weibliches Wesen im Abendrot zeigt, da werden die jungen Kerle munter, sie fassen sich kurz in den Schritt und schon schwingen sie ihre Hüften und bieten ihren ganzen Charme auf: »Hey Du, schau her, tanz den La Bamba mit mir! Es braucht ja nur ein wenig Anmut. Hey mach mit! Hey, hey, hey, hier bin ich! Glaub bloß nicht, ich wär Matrose, nee, ich bin Kapitän! Und nur für dich tanz ich den La Bamba! Ba Ba Bamba, Ba Ba Bamba!«
La Bamba! Mehr Text hat das Lied nicht. Dem entsprechend basiert auch die musikalische Struktur des Songs auf einer sehr simplen Akkordfolge – Tonika, Subdominante, Dominantseptakkord (z. B.: C, F, G7) –, die fortwährend zyklisch wiederholt wird, harmonischer Ostinato genannt.
Und wäre dieser auf den Punkt gebrachte ewige Kreislauf des alten Balz-Spiels die ganze Geschichte des Stücks, so wäre es doch schon eine gute Erklärung für seinen bombastischen Erfolgszug rund um den Globus. Doch La Bamba, das alte mexikanische Volkslied, birgt ein tieferes Geheimnis, als man trotz x-hundert-fachen Hörens vermuten würde.
Die Geschichte des Liedes La Bamba ist eng verknüpft mit der 500 Jahre alten Geschichte der Stadt Veracruz in Mexiko. Dort in den Stadt-Archiven liegen stapelweise Dokumenten-Mappen, die alle die wahre Herkunft des Titels bezeugen. Der schreckliche Konquistador Hernán Cortés gründete die Stadt 1519 in einer Lagune. Für die ungeheure Menge Gold und Silber, die die Spanier dem aztekischen Volk raubten, wurde auf einer vorgelagerten Insel ein riesiges Fort errichtet, dieses Fort wurde Bamberia genannt. Von dort aus wurde die wertvolle Beute auf den Karavellen nach Spanien verfrachtet. Das lockte natürlich andere Räuber an, Piraten genannt. Ein Zwischenfall mit John Hawkins und Francis Drake ist verbürgt. Aber der namensgebende Gewaltstreich wurde von dem grausamen Piraten Lorenz de Graaf und seinen Mannen im Mai 1683 geführt: denn so nannten erst die Piraten, dann die Bewohner der Stadt diesen mächtigen Raubüberfall: »La Bamba!« (leitet man »La Bamba«, vom spanischen Verb »bambolear« ab, bedeutet es so viel wie schaukeln, auf- und abschwingen). Eine Woche oder länger geißelten die Piraten die Stadt, mindestens 30 Jungfrauen vergewaltigten sie pro Tag, »La Bamba!«. Doch der Terror nahm derart überhand, dass einige der Stadtbewohner es vorzogen, sich mit einem Sprung vom Kirchturm dem ganzen schmutzigen Programm zu entziehen.
Es gibt viele populäre Fassungen von La Bamba, die auf diese Geschichte in vielen variablen Strophen textlich Bezug nehmen: »Para subir al cielo / Um in den Himmel zu gelangen / Se necesita una escalera grande / braucht es eine große Leiter / Y otra chiquita / und eine kleine / Ay arriba y arriba, arriba iré / Ich komme, ich komme, ich werde da sein«. Noch heute erinnern diese zwei Leitern in Veracruz an das grausame »La Bamba« des Piraten de Graaf: Eine große und eine kleine Leiter führen genau auf den Kirchturm, von welchem sich damals so viele Stadtbewohner herunterstürzten.
Andere Quellen sagen hingegen, die vielen Strophen des Ende des 17. Jahrhunderts kursierenden Volkssongs in Veracruz, der La Bamba genannt wurde, ironisierten die jahrelange Aufregung und die ins Absurde gehenden Sicherheitsvorkehrungen gegen mögliche weitere Terrorattacken der Piraten. Für den bombastischen Mauerbau, der sich über Jahre hinzog und der die ganze Stadt umgürten sollte, hatten die Spanier eigens Menschen aus dem Kongo nach Veracruz verschleppt. Die zu Zwangsarbeit Versklavten waren vornehmlich Schwarze eines Stammes, der sich »Mbambo« oder gar »Bamba« nannte.
Später, als Veracruz von den Franzosen und US-Amerikanern besetzt war, wurde der Song eingesetzt, um sich über die Besatzer lustig zu machen, ohne dass diese die Ironie des Subtextes verstanden. So würde eben auch die Zeile »ich bin kein Matrose, ich bin Captain, aber wenn Ihr es wollt, dann tanze ich eben La Bamba, und immer Ba-Ba-Bamba« sich auf den zynischen Dialog zwischen einem gerade zur ungeliebten Seefahrt zwangsrekrutierten Landsoldaten (Captain) und seinem machthabenden Besatzungs-Rekruteur beziehen.
Bei genauer Betrachtung können die verschiedenen Erklärungsmodelle ohne Weiteres nebeneinander bestehen. So gesehen hat der Begriff La Bamba einen stetigen Bedeutungswandel durchlaufen und heute wissen selbst in Veracruz nur wenige Eingeweihte, wo das Wort La Bamba seinen eigentlichen Ursprung hat.
Die Einheimischen gehen zu Hochzeitsfeiern oder bunt geschmückt zum jährlichen Stadtfest von Veracruz, wo es gilt, zu immer neuen Versionen von La Bamba zu tanzen und zu balzen, denn dieses Fest ist auch gleichzeitig der städtische Abschlussball der Highschool-Schüler und Schülerinnen. Dort schließt sich der ewige Kreis und man redet lieber über die Instrumentierung der Jaracho-Bands – Geige, Jarana, Gitarre, oft auch Harfe – als über die Zeit, in der »La Bamba« noch der große Piratenüberfall war.
Trotz der Weisheit Salomons »Es geschieht nichts Neues unter der Sonne«, geschieht es manchmal doch: Da entdeckt dann ein Gitarre spielender Plantagen-Arbeiter-Junge aus Kalifornien auf der Suche nach seinen mexikanischen Wurzeln ein altes Volkslied, übernimmt den spanischen Text (obwohl der Sprache gar nicht mächtig), belässt die Akkorde wie sie sind, setzt jedoch einen satten Beat im klaren Viervierteltakt unter das Stück und legt in seine kraftvolle Stimme all das freche Begehren eines 17-Jährigen … und siehe da, ein Rock’n’Roll-Welthit war geboren!
Dieses kleine Wunder gelang dem 1941 in Pacoima, Kalifornien, geborenen Sänger und Gitarristen Ritchie Valens. Produzent Bob Keane hatte das junge Talent im Mai 1958 entdeckt. Im September wurde La Bamba in den Gold Star Studios in Hollywood von Ritchie Valens (Gesang und Gitarre), Irving Ashby, Carole Kaye (Gitarre), Buddy Clark, Rene Hall (Bass), Ernie Freeman (Klavier) und Earl Palmer (Schlagzeug) aufgenommen und einen Monat später als B-Seite seines selbstkomponierten Liebesliedes »Donna« (für seine Freundin Donna Ludwig) als Single veröffentlicht. Ende Dezember erreichte die Scheibe die US-Billboard-Charts, um Anfang des folgenden Jahres ein Bestseller und Riesen-Radiohit zu werden, und zwar beide Seiten. Das war erst Ritchie Valens’ zweite Single. Dass es zugleich seine letzte zu Lebzeiten veröffentlichte wurde, ist die große Tragik seines kurzen Lebens: Ritchie Valens war erst 17, als er in einer kalten, verschneiten Februar-Nacht nach einem gemeinsamen Konzert zusammen mit dem einflussreichen Rock’n’Roll-Musiker Buddy Holly und dem damals sehr populären Disc-Jockey The Big Bopper sowie dem Piloten in einer viersitzigen Beechcraft Bonanza im US-Bundesstaat Iowa abstürzte. Dieser Tag, der 3. Februar 1959, ging als »The Day the Music Died« in die Annalen der amerikanischen Pop-Geschichte ein und wurde zwölf Jahre später von Don McLean in seinem