Группа авторов

Sternstunden der Wahrheit


Скачать книгу

Küchen. Dem Raffinierten und Überkandidelten der Franzosen setzt Dollase Teutonisch-Handfestes entgegen: Labskaus, Matjesfilet auf Schwarzbrot mit rohen (!) Zwiebeln und selbstverständlich alles vom »Schwein von den Ohren bis zum Schwanz.« Bon appétit.

      Der zweite Feind der »Neuen Deutschen Schule« ist gefährlicher und heißt Jürgen Dollase. Sein Anspruch, »das Essen vernünftig zu beschreiben«, lenkt zunächst vom Essen ab, denn darüber muss jeder erst eine Runde lachen. Dollases Lieblingswort und Schwungrad »Textur« stammt aus der Textilindustrie. Bei ihm meint es Struktur oder Konsistenz, neben Temperatur und Aroma die wichtigste Eigenschaft alles Gekochten. Eine Trivialität also. Dollase schmiedet aus »Textur«, »Texturspiel« und »Texturbild« papierene Stichwaffen, die fast weh tun in ihrer lächerlichen und Lachreiz auslösenden Prätention. Gebratene Gänsestopfleber mit Karotten an einer Kaffee-Sauce erzeugen »einen wichtigen Effekt der kulinarischen Dekonstruktion, nämlich den erheblich veränderten Blick auf Zusammenhänge durch texturelle Veränderung ihrer Bestandteile«.

      Wo »kulinarische Aufklärung« (Dollase über Dollase) so daherkommt, ist der Bluff nicht weit weg. Wer »das Pauillac-Lamm, das Sisteron-Lamm, das Salzwiesen-Lamm« nicht blind unterscheiden kann, hat keine Ahnung davon, wie die »strukturalistische Theorie und Praxis der kulinarischen Konstruktion« funktioniert und wie »die Nussigkeit« von Fisch »perfekt und originell dekliniert wird«. Gehen wir essen? Nein, wir deklinieren noch ein wenig weiter.

      Rudolf Walther (13.11.2007)

      Ist es eine Meldung, wenn dem Zeichner durch ein Missgeschick Tusche auf die frische Arbeit schmaddert und das Bild versaut? Normalerweise nicht, denn das kommt öfter vor. Meldepflichtig wird es jedoch dann, wenn das fünf Minuten vor Redaktionsschluss passiert, der Redakteur auf glühenden Kohlen sitzt, weil garantiert gleich jemand aus der Produktionskontrolle anruft (»Mach ma’ hinne!«) – und es garantiert nachher kein Mittagessen mehr geben wird. Schließlich kann er erst dann zur Pause, wenn die Seite fertig ist. Dabei hatte er sich so auf die Penne al salmone gefreut, die auf dem Speiseplan standen und für die er auf das Schulbrot verzichtete, das er sich normalerweise täglich für die Pause zu schmieren pflegte. Doch der Zeichner hatte die Lösung: Deckweiß! Statt die Zeichnung noch einmal neu anzufertigen, übermalte er den hässlichen Tuscheklecks mit dem strahlendsten Weiß seines Lebens. Nun noch ein paar Striche, und die Zeichnung kam gerade noch rechtzeitig. Der Redakteur schwelgte im Glück: Noch nie waren Lachsnudeln so gut wie heute!

      (7.1.2008)

      Kannibale von Rotenburg verspeist kurz vor Wahl hessischen Ministerpräsidenten

      Ganz Deutschland ist erschüttert. Die Nachricht schlug gestern ein wie eine Bombe: Roland Koch wurde aufgegessen. Wie der hessische Landeswahlleiter Wolfgang Hannappel am Freitagnachmittag auf einer Pressekonferenz in Wiesbaden bekanntgab, wurde der Spitzenkandidat der Christlich Demokratischen Union und Ministerpräsident des Landes Hessen, Roland Koch, Opfer des sogenannten Kannibalen von Rotenburg. In ersten Stellungnahmen zeigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der SPD-Vorsitzende Kurt Beck betroffen. Die Oppositionsführerin im hessischen Landtag Andrea Ypsilanti (SPD) erklärte: »Ich bin ein Stück weit entsetzt.« Vertreter der Grünen und der Linken sprachen ihr Bedauern über den Vorfall aus. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte eine lückenlose Aufklärung der Tatumstände an und forderte eine Ausweitung der Vorratsspeicherung auf Kannibalen.

      Nach ersten Ermittlungen des BKA muss es dem Täter Armin Meiwes gelungen sein, am Freitagmorgen aus der Justizvollzugsanstalt Kassel zu fliehen. Meiwes habe sich zum Wohnort des Ministerpräsidenten begeben und ihn in seinem Haus allein angetroffen. Daraufhin habe Meiwes Koch zerlegt, gekocht und aufgegessen. Ob der für ein ähnliches Delikt bereits einsitzende »Kannibale« Helfershelfer hatte, wollen die Behörden in einer umfassenden Untersuchung klären. Das BKA stellte eine Sonderkommission mit dem Namen »Coq« zusammen, an der 400 Beamte beteiligt sind.

      Wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel in seiner Ausgabe am Montag berichtet, habe Meiwes laut Aussagen von Mithäftlingen seit Monaten Salz und Pfeffer gehortet. Meiwes hätte wörtlich geäußert: »Ich habe noch eine größere Mahlzeit vor mir.« Zuletzt hätte sich der »Kannibale« mehrfach enttäuscht darüber gezeigt, dass ihm bei seiner Verurteilung die bürgerlichen Rechte aberkannt worden seien und er bei der Hessenwahl keine Stimme abgeben könne. Meiwes hatte sich im Gefängnis einer von den Grünen unterstützten Häftlingsgruppe angeschlossen, vermutlich auch, um leichter an Bioprodukte und erlesene Gewürze zu gelangen. Wie das Magazin Essen & Trinken vorab meldet, habe Meiwes Ministerpräsident Koch als Coq au vin zubereitet und dafür exquisite Produkte verwendet, die er alle mitgebracht habe.

      Nach Polizeiangaben befand sich Roland Koch wegen einer Erkrankung allein zu Hause. Wo sich seine Sicherheitsbeamten aufhielten, ist zur Stunde noch nicht geklärt. Gegen 13.45 Uhr sei die Ehefrau des Opfers nach Hause gekommen und habe eine verschmutzte Küche sowie im Esszimmer Knochen und andere Überreste einer opulenten Mahlzeit vorgefunden. Da ihr Mann verschwunden war, habe sie sofort die Mitarbeiter der Senatskanzlei verständigt, die eine Gewalttat ausländischer Jugendlicher vermuteten. Eine eilig eingeleitete Fahndung konzentrierte sich jedoch schnell auf den seit dem frühen Morgen flüchtigen Meiwes, der allerdings wegen des schweren Essens nicht weit kam. Er wurde am Freitagnachmittag von einem Spezialkommando der Polizei in der Frankfurter Freßgass festgenommen, wo ihn einige Börsianer erkannten, die sich zum Wochenschluss des Aktienmarktes mit ein paar Flaschen Champagner über ihre Verluste hinwegtrösteten.

      In einer ersten Vernehmung bekannte sich Meiwes zu der Tat, bestritt aber politische Motive. Wie das Magazin Focus berichtet, habe er immer wieder von einem »unbändigen Hunger« gesprochen, der durch die Nahrung in der Justizvollzugsanstalt nicht gestillt werden könnte.

      »Ich weiß nicht, ob das lecker war«, sagte der bekannte Fernsehkoch Horst Lichter der Nachrichtenagentur dpa. Gegenüber den »RTL II News« erklärten Teilnehmer der Sendung »Das perfekte Promi-Dinner«, dass sie Koch nicht gern als Coq au vin essen würden. Der Gastrokritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Jürgen Dollase, allerdings sprach von einer »interessanten Textur der Sauce«, die ihm ein Informant übermittelt habe.

      Wie es nun in Hessen weitergeht und wann die Landtagswahl stattfindet, ist noch völlig ungewiss. Ob die CDU auch ohne Koch wieder mit dem Thema innere Sicherheit in den Wahlkampf zieht, konnte unter dem Schock der Ereignisse in der Partei niemand sagen. Der potenzielle Nachfolger Kochs, Innenminister Volker Bouffier, kündigte jedoch eine »schonungslose Auseinandersetzung« an über die Frage, ob »Grüne und Kommunisten die Finger im Spiel hatten«.

      In Frankfurt am Main kam es derweil zu unschönen Szenen in den Straßen der Problemviertel. Nachdem die Nachricht von der Verspeisung Roland Kochs bekannt wurde, zogen hunderte Mitglieder arabisch-türkischer Jugendgangs durch die Mainmetropole und verteilten unter lautstarken Jubelgesängen Bonbons und andere Süßigkeiten an Passanten – »als Nachtisch«, wie es hieß.

      Michael Ringel (26.1.2008)

      Archäologen finden ältestes Werkzeug Ostfrieslands

      Gestern präsentierten Archäologen im ostfriesischen Ort Hesel das älteste archäologische Fundstück Ostfrieslands. Dabei handelt es sich um ein etwa 40.000 Jahre altes Werkzeug aus Feuerstein. Seine Form erinnere an die Maus eines Computers, laufe aber an beiden Enden spitz zu, beschreiben die Archäologen das Objekt. Lebensuntüchtig wie Archäologen sind, wissen sie allerdings nicht, wozu der noch heute messerscharfe Stein verwendet wurde. Dabei muss man nur den ostfriesischen Nationalsport Nummer eins kennen, um zu wissen, wofür das historische Alltagsgerät diente. Das 40.000 Jahre alte Ding ist ein Flaschenöffner. Denn ohne Öffner hätten die alten Ostfriesen ja die Kronkorken nicht von den Bierflaschen bekommen und wären elendig verdurstet. Damals war der Bügelverschluss mit dem »Plopp« schließlich noch