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Sternstunden der Wahrheit


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      Heutzutage kommt es in Deutschland immer wieder zu »Beißzwischenfällen«, so heißt das im Beamtendeutsch, wenn Killer-Köter mal wieder eine Rentnerin oder ein Kleinkind totgebissen haben. Verursacher sind natürlich Ausländer. Die heißen American Pitbull Terrier oder Mastino Napoletanos – ganz gemeine Viecher, für die ihre schmierigen Besitzer (sexuelle Versager) jetzt ganz ganz viel Steuern bezahlen müssen. Ein deutscher Hund beißt keinen Deutschen. Wer hat schon mal einen Teckel gesehen, der einem Jogger die Waden zerfetzt hat? Eben! Zwergdackel sind keine Kampfhunde. Deutsche Schäferhunde auch nicht. Die haben ehrenvolle Berufe, arbeiten als Schutz-, Lawinen-, Blinden- oder Polizeihunde und werden als Begleit- und Familienhunde geschätzt. Der Führer hatte auch einen. Prima Tiere!

      Jetzt gibt es da allerdings diese neue Statistik. Da haben sich deutsche Beamte die Mühe gemacht, in 93 deutschen Kommunen fünf Jahre lang jeden bekannt gewordenen Hundebiss zu notieren. Natürlich tauchten die üblichen Verdächtigen auf. Am beißfreudigsten erwies sich allerdings der Deutsche Schäferhund, er war mit 1.956 Angriffen fast so oft vertreten wie alle anderen Rassen zusammen. Keine Frage, diese Hunde sind eine Gefahr für die Volksgesundheit und müssen schnellstens beseitigt werden. Aber wohin damit? Sind Kampfhunde Sondermüll? Gehören sie in die Biotonne? Oder kann man sie auch zu Futtermehl verarbeiten? Fragen über Fragen. Dabei liegt die Lösung doch auf der Hand: Wir essen die Deutschen Schäferhunde einfach auf! Milliarden Menschen auf der Welt essen täglich Hund. Also? Hier ein paar Tipps. Wenn der Deutsche Schäferhund so zehn bis zwanzig Wochen alt ist, schmeckt er am besten. Zubereiten wie Kaninchen. Eine besondere Delikatesse ist Deutscher-Schäferhund-Hirn, wenn es noch nicht durch die angeborene Aggressivität zäh und ledrig geworden ist. Hier das Rezept: 100 gr. Deutscher-Schäferhund-Hirn, Öl, Salz, Pfeffer, 1 Zwiebel, 1 Ei, etwas Petersilie. Zubereitung: Das Schäferhund-Hirn waschen und die Haut abziehen. Das Öl in der Pfanne erhitzen und die gehackte Zwiebel anschwitzen lassen. Dann das Hirn hinzugeben und anbraten. Wer’s mag, kann noch ein Ei dazugeben. Nach eigenem Geschmack mit Salz, Pfeffer und Petersilie abschmecken. Das gibt ein leichtes, köstliches Frühstück, eine schöne Alternative zum normalen Rührei.

      Wenn der Deutsche Schäferhund schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat, ist er trotzdem noch zu gebrauchen. Sehr lecker sind die Keulen. Man nehme eine entbeinte Schäferhundkeule, lege sie zwei Tage in eine Marinade aus Ölivenöl, Rotwein, Orangensaft, Zwiebeln und Lorbeerblättern. Danach gut abtropfen lassen, anbraten und zwei Stunden bei 220 Grad in den Backofen. Dazu passen Schupfnudeln, Rotkraut und ein schwerer Bordeaux. Es kann auch mal ein strammer Dobermann sein, wenn gerade Schäferhund aus war. Ansonsten bin ich sicher: Wenn wir erst einmal auf den Geschmack gekommen sind, bekommt der Ausdruck »Beißzwischenfall mit Deutschem Schäferhund« eine ganz neue Bedeutung.

      Karl Wegmann (14.3.2000)

      Wahre Lokale: Der neue und immer lockende Frankfurter »Wienerwald«

      Begonnen hat mein Interesse, mein neu erwecktes und bald verschärftes Interesse am Wienerwald, hier am speziell Frankfurter Wienerwald hinter der Katharinenkirche an der zentralen Hauptwache, damit, dass ebendort, und aber keineswegs in der Buchhandlung nebenan, ab 1993 die monumentale und monumental inkommensurable Autobiografie »Ein Leben für den Wienerwald – Vom Kellner zum Millionär und zurück«, erschienen zu Recht im Selbstverlag, denn ansonsten hätte sie rechtens eigentlich nur noch bei Suhrkamp erscheinen dürfen, des Wienerwald-Nestors Friedrich Jahn zum Kaufe angeboten wurde, an der Theke und für solide 16,80 Mark, nachdem der Kellner das herrlich und logohaft grünliche mit einem riesigen Farbfoto des glänzend und wie bierschaumgeboren ordinären Jahn-Kopfs aus einer Art Ausstellungsvitrine im Erker nebenan gefischt hatte –: die Lektüre lohnt übrigens überaus und auch heute noch Jahre post mortem Jahns: Nirgendwo erfährt man sonst so authentisch, wie wunderbar durstig, dumm und dumpf es zuging im schon etwas späteren Nachkriegsdeutschland und speziell im aufstrebenden Millionendorf München, das damals grad auch heimlich Hauptstadt der Republik wurde; wie F. J. Strauß zu Jahns tiefer Befriedigung im dortmaligen Debut-Wienerwald nicht Bier trank, »sondern soff« (Jahn); wie dieser sein Freund und unselige CSU-Vorsitzer selig ebd. oder auch zur Abwechslung bei der Filialeröffnung in Manhattan im Vollsuff wilde Drohungen ausstieß dergestalt, wer ihn an der Kanzlerschaft hindere, den werde er kaltmachen. Usw. usf.

      Jahn, nach seinem tiefen Fall samt Wienerwald-Kollaps, viele Jahre nach der »wunderbaren Wienerwaldvermehrung« inklusive Franchise-Innovationen bis hin zum Weltkonzern in den 70ern, diente seinem ihm geraubten Lebenswerk in den 90ern, seinen letzten Lebensjahren, für vergleichsweise kleines Salär noch als eine Art nebenberuflicher Spiritus rector; nicht mehr als Herr über 24.000 Mitarbeiter in global 1.500 Hendl-Stationen – stark verkleinert immerhin wurde die Idee Wienerwald von ihm und anderen Verantwortungsträgern irgendwie doch weitergeführt – und ich aber bin heute, gut 45 Jahre nach der Urgründung, extrem froh drum und dankbar.

      Zwar war und ist die Idee Wienerwald in den gewandelten Lifestyle-Relationen und überhaupt Arschlochhaftigkeiten der neuesten Zeit großlinig offenbar nicht länger zu halten; die Leute wollen es teurer und verkasperter und halt noch viel dümmer; ich aber wüsste heute in Frankfurt zu Messe- und sonstigen gastronomischen Stresszeiten nicht, wohin mit mir und meinen Leuten – denn die nahen lokalfolkoristischen Abfüllstätten »Römer« oder »Steinernes Haus« sind da von Japanern, Bayern, Amis und bisweilen sogar Hessen allzeit rammelvoll bis ultimo. Möglicherweise trägt der Wienerwald noch von Jahn her an der Negativ-Legende, sehr altmodisch und nicht-ganzdichto und irgendwie auch vielleicht allzu österreichisch oder eben halt CSU-mäßig zu sein – an all dem ist nichts wahr als seine noch immer frappante Preisfreundlichkeit. Die Folge aber ist heute eine recht angenehme Aufgelockertheit in den Gastreihen selbst zu Extremzeiten. Der einzige Nachteil: die häufig ersehnte gemütliche bierzeltähnliche Krakeelerstimmung von München Herzogstraße 1960 ff., die geht unterm immer noch grasgrünen Hühneremblem wohl nie mehr zusammen – na ja, da wechselt man dann halt irgendwann mal über den Main rüber ins nahe und unglaublich laute und extrem vulgäre Sachsenhausen.

      Etwas undurchschaubar sieht sich der heutige Frankfurter Wienerwald gemanagt und offenbar sogar fast gesteuert von einer wechselnden Equipe, wohl mehr aus dem Afrikanischen; also irgendwie von Marokkanern, Algeriern und sonstigen stark bräunlichen und aber gewaltig freundlichen Gesellen und Kameradinnen vielleicht auch aus Zaire oder jedenfalls Nepal und Feuerland – begrüßt aber hätte F. Jahn gewiss, dass als Spitzenangebot das sehr wohlschmeckende halbe Grill-Hendl immer noch für 9,90 Mark mit Salat durchgeht. Und zur Not gebilligt hätte er wer weiß sogar so mondäne Erfindungen wie das »Chicky«, den »Burger-Chicken-Cheeseburger« mit allerdings »Wienerwald Bauernhofgarantie« – und dass aber der berühmte Wienerwaldsalat seit kurzem ein »Wellness Klassiker« ist, das schert seine neuesten von mir angeschleppten Gäste Kay und Jürgen eh nicht; weil die zum 5. Mai schon gar nichts anderes zu tun haben, als im lieblich lindenüberduftet anitalianisierten Wienerwald-Vorgartenlokal froh ein Bier nach dem anderen in sich hineinzuschütten. Nach der spirituellen Weise des alten Johann-Strauß-Walzers: »Wenn froh des Lenzes Ruf erschallt und von den Bergen widerhallt, wie lockt’s zum Tanz in’ Wienerwald ...«

      Nein, außer dem aus Dichtermund schon übergenug besungenen Frankfurter Wasserhäuschen und außer dem an dieser Stelle unlängst bereits etwas im Übermaß heilig gesprochenen Randalier- und ehemaligen Grün-Ökologenlokal »Horizont« hat Frankfurt hic et hoc nämlich nun einmal nichts Gescheiteres zu bieten als den alten und runderneuerten Friedrich Jahn. Und das Schöne: Endlos bescheiden geworden, sind wir auch noch ob dieser Zumutung sehr zufrieden.

      Eckhard Henscheid (17.5.2000)

      Spät in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wurde im Berliner Stadtteil Schöneberg ein Mann mit knurrendem Magen dabei beobachtet, wie er an der Hintertür eines bereits geschlossenen Schnellrestaurants rüttelte. Eine Passantin wollte bereits die Ordnungskräfte herbeirufen, als der stämmige Gasthaus-Chef