Nun, wenn es so einfach wäre … Aber so wahrt sie jedenfalls ihren Platz in der dogmenfreien Engelreligion.
Lassen wir uns von Helga Schaub ein wenig in die Welt der dunklen Kräfte hineinführen. Ihre theoretische Grundlage ist das „Gesetz der Resonanz“. Gute wie schlechte Gedanken und Gefühle senden Schwingungen aus, diese wirken weiter und fallen irgendwann einmal auf ihren Urheber zurück. Wer Böses erlebt, hat zuvor Böses getan oder gedacht. Dieses von ihr so genannte „Gesetz von Ursache und Wirkung“ – „Was ich säe, das werde ich ernten“47 – geht nur auf, wenn man im Sinne des Karma-Gedankens mehrere Existenzen in Rechnung stellt. Und es enthält vielleicht eine allzu deterministische Erklärung für das Leid eines Menschen. Aber mit der Aufmerksamkeit für die Fortwirkung negativer und positiver Energien kann doch viel erklärt werden. Das in sachlichem Ton gehaltene Buch führt überzeugende Beispiele für die Wirkung von bösen Gedanken, Flüchen, Verwünschungen und spiritistischen Praktiken an. Ein Beispiel: Ein Mann heiratet eine Frau, deren Eltern und Verwandten aus Rumänien stammen. Die Beziehung zu den Schwiegereltern ist von Anfang an schlecht. Dann wird der Mann krank, mit Symptomen, die auf eine Vergiftung hindeuten. Alle medizinischen Untersuchungen verlaufen ergebnislos. „Als ich in seinen Arbeitsbereich im Haus kam, spürte ich nach etwa zwei Minuten einen metallenen Geschmack auf der Zunge, mir wurde übel und leicht schwindelig. Ich verließ den Raum und stellte einige Tests an, die einwandfrei Folgendes ergaben: Auf feinstofflicher Ebene, die mit herkömmlichen Methoden nicht messbar und nicht sichtbar ist, wurden diesem Klienten ganz gezielt in seinen Arbeitsbereich Giftstoffe geschickt, die die oben beschriebenen Symptome auslösten.“48 Es stellte sich heraus: Die Schwiegermutter hatte einen Magier damit beauftragt, dem Mann zu schaden. Nachdem nun die Räume „gereinigt“ und die schwarze Magie gebannt war, kann die Heilerin den Mann davon überzeugen, die Schwiegermutter in seine Gebete einzuschließen und ihr alles Gute zu wünschen. Denn nur mit Liebe ist gegen das Böse anzukommen, nur das Licht kann die Dunkelheit erhellen. – Helga Schaub ist Expertin für die Wahrnehmung feinstofflicher Wesenheiten, so sagt sie. Diese Wesenheiten sind normalen Analyseinstrumenten nicht zugänglich; ist damit schon ausgemacht, dass es sie nicht gibt? Sie erklärt: Ein Mensch kann durch dunkle Energien besetzt werden, vor allem dann, wenn seine Aura schwach und durchlöchert ist, etwa bei Alkoholikern. Die dunklen Kräfte können zum Beispiel durch okkulte Praktiken herbeigerufen werden, und die Autorin warnt nachdrücklich davor, dass junge Menschen an okkulten Handlungen und spiritistischen Sitzungen teilnehmen. „Viele Menschen sind sich dessen gar nicht bewusst, dass schon das Tragen oder Aufzeichnen des satanischen Pentagramms oder der Gebrauch des Satanskreuzes sowie die Anrufung des Fürsten der Dunkelheit genügen, um diese dunklen Energien anzulocken. Wehe den Geistern, die ich rief!“49 Es kann sich auch um die Geister Verstorbener handeln, die sich etwa nicht von ihren Besitztümern lösen können oder noch auf Rache sinnen. Da sie Energie benötigen, docken sie an andere Personen an und ernähren sich von deren Energie. Eine solche Person ist dann zeitweilig oder dauernd „besetzt“. Die Folgen sind Schwäche, Lustlosigkeit, tiefe Traurigkeit und eine Reihe körperlicher Beschwerden, die die Autorin zum Zwecke der Erkennbarkeit detailliert aufführt. Manche dieser verirrten Seelen machen auch als Poltergeister auf sich aufmerksam. Sie müssen davon überzeugt werden, sich abzulösen und abholen zu lassen in die jenseitige Welt. Gelingt dies, ist beiden Seiten gedient, der „besetzten“ Person und der armen Seele. „Geben Sie der verirrten Seele liebevoll zu verstehen, dass Sie alleine leben möchten, und dass sie sich im Licht weiterentwickeln darf. Sprechen Sie zu den Verstorbenen, nennen Sie sie beim Namen, wenn Sie wissen, um wen es sich handelt.“50 Auch dies ist ein Clearing, ein Exorzismus. Neben solchen durch menschliche Energie verursachten Schädigungen beschreibt Helga Schaub auch die negativen Energien, die durch technisch erzeugte Strahlung, durch Handys oder durch Elektrosmog im Büro ausgelöst werden und die nicht selten zu Erkrankungen führen. Dagegen kann man sich durch bestimmte Maßnahmen, unter anderem durch geeignete, strahlenabsorbierende Steine schützen. Doch der eigentliche Schutz gegen alle Arten dunkler Mächte wird erreicht durch Glauben, durch liebevolle Gedanken, durch Lachen, Singen und inneren Frieden, durch Gebet und Gedankenreinheit. Das ist gar nicht magisch, und es ist in jedem Fall zu empfehlen.
4. Satanische Mächte
Satan und seine Engel, den Fürsten der Hölle in seinem Schrecken, die finsteren Mächte und Gewalten, die nach alter Vorstellung mit zur Welt der Engel gehören, haben wir bisher noch nicht angetroffen. Sie kommen in dieser ,hellen‘ Engelreligion nicht oder nur ganz am Rande vor. Die niedlichen Parkplatzengel einer Giulia Siegel wären ohne Zweifel zu schwach, um gegen sie aufzukommen, und auch die Maßnahmen der Helga Schaub griffen wohl nicht. Ist die dunkle Seite der Engelwelt heute ganz vergessen? Nein, aber ich finde sie an einem völlig anderen Ort. Vor mir liegt der Band „Heavy Metal Thunder. Album Covers that Rocked The World“ von Neil Aldis und James Sherry. Er enthält Abbildungen von über 400 Covers von Alben aus der Heavy-Metal-Musikszene von 1970 bis 2005. Schon auf dem Titelbild grinst eine Teufelsfratze. Und dann sind sie in diesem Band alle versammelt: die Teufel und Dämonen, die Verdammten der Hölle, die Täter und die Opfer grausamer Gewalt. Es ist ein Pandämonium, ein Album des Grauens. „Welcome to Hell“ heißt eine Produktion der britischen Band Venom von 1981, auf dem Cover erscheint ein gehörnter Teufel im satanischen Pentagramm. „Possessed“ ist eine weitere Produktion der gleichen Band von 1985. Gezeigt werden geheimnisvoll durchleuchtete Kinder mit dem Satanszeichen auf der Brust. „Reign in Blood“ heißt ein Album der Band Slayer (1986). Das Cover zeigt eine Szene aus der Hölle in der düsteren Art, wie man es von mittelalterlichen Darstellungen des Jüngsten Gerichts kennt: Menschen, die bis zum Hals in einer feurigen Flüssigkeit stehen, bocksköpfige und gehörnte Teufel, weitere Insassen der Hölle, darunter auch ein Bischof. „A Catalogue of Destruction“ wird auf dem Sampler Speed Kills (1987) angeboten, ein weiterer Sampler ist „Hell Comes to Your House“ betitelt (1984) und zeigt ein muskulöses, schweins- oder drachenköpfiges Wesen, das ein friedliches Castle in seinen Klauen hält. Besonders grauenerregend sind die Covers der Gruppe Iron Maiden. In der Produktion „Life after Death“ (1985) ist das eiserne Mädchen51 dem Grabe entstiegen, enthäutet, mit leeren, wahnsinnig blickenden Augen und einem schrecklichen Gebiss treibt sie von nun an ihr Unwesen. Ein „Inkubus“ wird auf der Aufnahme der gleichnamigen Band unter dem Titel „Beyond the Unknown“ (1990) beschworen: eine bedrohliche, rotäugige und wie ein Mönch gekleidete Gestalt vor einer Ruinenlandschaft. Immer wieder Teufel und Dämonen, von einer beachtlichen Fantasie der Künstler ausgeführt. Der Gipfel der Scheußlichkeiten ist vielleicht: Cannibal Corpse mit den Alben „Eaten Back to Life“ (1990) und „Butchered at Birth“ (1991). Auf letzterem Cover wird eine junge Frau von halbverwesten Fleischerdämonen mit blutigem Messer geschlachtet, das Kind wird ihr aus dem Leib gerissen. Die abgerissene Nabelschnur ist inmitten all des Blutes noch zu erkennen. Darstellungen kruder, unvorstellbarer Gewalt auch auf vielen anderen Bildern. Daneben findet man Impressionen einer zerstörten, todverfallenen Welt. Nuclear Assault zeigt unter dem Titel „Survive“ (1988) ein zerbröckelndes Atomkraftwerk, darüber einen hässlich grinsenden gehörnten Totenkopf, das alles in einer schwefelgelben, giftigen Atmosphäre. Das Atomkraftwerk taucht auch bei „World Remise“ (1994) der Gruppe Obituary wieder auf, eingebettet in eine Landschaft grün-gelblich rauchender Fabrikschlote. „Cause of Death“ (1990) und „Slowly we Rot“ (1989) heißen weitere Produktionen dieser Gruppe. „Death Shall Rise“ (Cancer, 1991) könnte das Motto all dieser Bildmotive sein. Der Sensenmann mit Teufelskopf erhebt sich hier kraftstrotzend über einer Landschaft aus menschlichen Körperteilen.
Im Grunde genommen müsste man die Musik dazu hören. Aber für jemanden, der in der europäischen Musiktradition aufgewachsen ist, ist hier eigentlich keine Musik zu hören. Nur ein Grunzen, Stöhnen, Kreischen der „Shouter“ genannten Sänger, begleitet von wahnsinnig schnell hämmernden Rhythmen, in einer Lautstärke (live) von 100 Dezibel und mehr. In der Industrial-Musikszene werden gerne auch Geräte wie Hämmer oder Kreissägen zur Begleitung eingesetzt. Das sind für mich Geräusche aus der Hölle.
Was ist das alles? Der Reiz des Verbotenen? Die Faszination durch eine dunkle, mysteriöse Welt? Das Spiel mit den Tabus? Das Vergnügen am Schock? Die Lust am Horror? Oder einfach die Auswirkung einer