Christian Thiele

Positiv führen für Dummies


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Zeit und beantworten Sie folgende zwölf Fragen für sich mit Ja oder Nein – so ehrlich wie möglich.

       Den Kontakt mit meinen Mitarbeitern halte ich in der Regel so knapp wie möglich oder vermeide ihn komplett – er strengt mich zu sehr an.

       Es fällt mir in letzter Zeit schwerer, konzentriert zu arbeiten. Ich lasse mich leichter von E-Mails, Anrufen und so weiter stören und finde dann schlechter wieder in den Arbeitsfluss.

       Bei Misserfolgen oder Schwierigkeiten in der Arbeit fühle ich mich häufiger niedergeschlagen.

       Ich fühle mich häufig wie in einem Hamsterrad aus Verantwortlichkeiten, Terminen und Wünschen an mich – und komme gefühlt kaum voran.

       Nach der Arbeit kann ich kaum abschalten.

       Meine Laune zu Beginn der Woche oder zum Start des Arbeitstages ist schlechter als früher.

       Für Hobbys und Familie fehlt mir häufig die Energie, ich nehme mir dafür auch weniger Zeit als früher.

       Ich trinke mehr Alkohol, als mir guttäte.

       Ich bin schnell genervt und gereizt und erkenne mich dann kaum wieder.

       Mein Schlaf leidet darunter, dass ich häufig nachts aufwache und dann vor lauter Grübelei schwer wieder einschlafen kann.

       Ich habe deutlich mehr körperliche Beschwerden als früher – wie zum Beispiel häufige Erkältungen, Kopf-, Rücken- oder Bauchschmerzen, Verspannungen. Doch der Arzt findet keine körperlichen Ursachen.

       Das Wochenende oder der Urlaub reicht mir häufig nicht mehr zur Erholung aus.

      Zählen Sie, wie viele Aussagen Sie mit »Ja« beantworten würden. Jeder hat immer mal wieder Phasen, in denen die Belastung ansteigt. Wenn Sie aber drei oder mehr Aussagen angekreuzt haben, könnte das auf Anzeichen von dauerhafter Überlastung hindeuten. Vor allem, wenn Ihr Körper schon Warnsignale aussendet. Sollten Sie fünf und mehr Aussagen angekreuzt haben, ist Ihnen wahrscheinlich schon bewusst, dass Dauerstress Ihnen den Elan raubt und das Wohlbefinden eintrübt. Haben Sie sieben und mehr Aussagen angekreuzt, dann sind Sie höchstwahrscheinlich seit längerer Zeit massiv überlastet und Ihre Gesundheit ist höchstwahrscheinlich in akuter Gefahr. Sie sollten dringend einen Arzt aufsuchen oder sich anderweitig Hilfe suchen, um einen Burn-out noch vermeiden zu können (nach Bertelsmann-Stiftung 2011).

      Achtsame Selbstführung

      Wenn Sie sich allerdings langfristig um andere kümmern können wollen, müssen Sie sich auch um sich selbst kümmern. Damit Sie in immer schnelleren, komplexeren und unübersichtlicheren Lageveränderungen klar denken, entscheiden und empfinden können, sollten Sie wissen, wie Sie der Dauerbeschleunigung immer wieder Fokus, Präsenz und Achtsamkeit entgegensetzen können.

      

Im Januar 2015 gingen vom alljährlichen Treffen der internationalen Wirtschaftselite im Schweizer Nobelskiort Davos außergewöhnliche Bilder um die Welt: Jeden Morgen um acht Uhr, vor Beginn der eigentlichen Sitzungen, trafen sich etliche Konzernlenker in Socken, setzten sich im Schneidersitz auf den Teppich in einem der Konferenzräume, schlossen die Augen. Und dann machten sie Achtsamkeitsmeditationen – unter der Anleitung von Jon Kabat-Zinn, Professor für Molekularbiologie an der University of Massachusetts Medical School, und fotografiert von der Weltpresse. Mehrere Wirtschaftsgrößen ließen sich zu ihrem Umgang mit Stress und zu ihren Fokusübungen befragen und zitieren.

      

Zur Begriffsklärung: Achtsamkeit ist eine Form von Aufmerksamkeitsfokussierung, die in nicht urteilender Weise ein präziseres Wahrnehmen des gegenwärtigen Moments ermöglicht. Achtsamkeit fokussiert mit Techniken wie etwa der Meditation auf das Hier und Jetzt. Gleichzeitig ist Achtsamkeit eine Haltung, unterschiedliche Gedanken, Gefühle und Handlungsimpulse ohne Bewertung anzunehmen.

      Mit Achtsamkeit nehmen Sie Einfluss auf Ihre Wahrnehmung, Ihre Empfindungen und Ihr Verhalten. In zahlreichen Studien wurde nachgewiesen, dass Achtsamkeitsübungen das geistige, körperliche und soziale Wohlbefinden deutlich verbessern können. Auch der Umgang mit Erfahrungen von Leid und Schmerz sowie die körperliche und seelische Regeneration nach belastenden Erfahrungen lassen sich durch Achtsamkeitspraktiken verbessern. Gerade in Zeiten der Krise und massiver Veränderung ist schnelle Erholungsfähigkeit eine strategische Ressource.

      Mit Achtsamkeitsübungen stärken Sie nicht nur Ihre eigene Wahrnehmungs-, Entscheidungs- und Kommunikationsfähigkeit als Führungskraft – sondern Sie tun damit auch Ihren Mitarbeitern und Ihrer Organisation einen Gefallen.

      

Halten Sie kurz bei der Lektüre inne, wenn Sie möchten, und machen Sie eine erste Achtsamkeitsübung zur Fokussierung mit drei Fragen: Wo sind Sie gerade mit Ihrer Aufmerksamkeit? Wie genau sind Sie gerade aufmerksam? Was tut Ihnen gerade gut? Nehmen Sie mögliche Anpassungen vor, wenn nötig. Und dann lesen Sie gerne weiter, hoffentlich mit frischer Aufmerksamkeit!

      Das Konzept der Achtsamkeit speist sich aus ganz unterschiedlichen Quellen, therapeutischen, religiösen, wissenschaftlichen. Buddhistische Mönche üben sich genauso in Achtsamkeit wie sie moderne Neurowissenschaftler mit bildgebenden Verfahren untersuchen oder Therapeuten im Umgang mit Klienten lehren und praktizieren. Man findet aber auch Wurzeln dazu in der christlichen Tradition. Der Molekularbiologe und Mediziner Jon Kabat-Zinn hat die Achtsamkeit in die moderne westliche Medizin, Psychotherapie und Gesundheitsförderung mit seinen MBSR-Kursen (mindfulness-based stress reduction, auf Deutsch achtsamkeitsbasierte Stressreduktion) eingeführt – und später auch beim Davos-Gipfel sowie in Vorstandsetagen bekannt gemacht.

      Die Achtsamkeitsforschung ist nicht allzu alt. Dennoch gibt es bereits viele Untersuchungen, die unter anderem auf folgende Wirkfaktoren von Achtsamkeitstechniken schließen lassen – auf sich selbst als Vorgesetzter sowie auf die von Ihnen Geführten:

       Die Angstzentren im Gehirn werden bei Menschen, die regelmäßig meditieren oder andere Achtsamkeitspraktiken verfolgen, besser in Schach gehalten. Sie werden daher gerade in widrigen oder unübersichtlichen Situationen bessere Entscheidungen treffen können, wenn Sie Ihre Achtsamkeit trainieren.

       Meditationspraxis erhöht die graue Gehirnmasse im Bereich des Frontstirnlappens und des Hippocampus, zwei Hirnregionen, die für die Emotionsregulation zuständig zu sein scheinen. Gerade sehr unter Druck stehende, zu cholerischen Ausbrüchen neigende Vorgesetzte können durch Fokusübung ausgeglichener bleiben.

       Die Großhirnrinde (Kortex), Teil der grauen Gehirnmasse und zuständig für Wahrnehmung, aber auch für bestimmte Bewegungen sowie für Assoziationen, vergrößert sich durch Meditation. Meditations- und andere Techniken dürften Ihnen zu mehr Ideen und Lösungsmöglichkeiten verhelfen.

       Zu den in anderen Körperarealen nachgewiesenen Effekten zählen unter anderem: geringeres Schmerzempfinden bei Migräne- oder Fibromyalgie-Patienten, verminderter Blutdruck, abnehmende Herzfrequenz, verminderter Sauerstoffverbrauch und vermindertes Ansprechen auf Stresshormone. Sie werden gesünder bleiben als Führungskraft, wenn Sie sich in Achtsamkeit üben.

       Außerdem zeigen Untersuchungen, dass sich das Wohlbefinden, das Stressniveau und weitere unterschiedliche Gesundheitswerte von Mitarbeitern verbessern, wenn sich ihre Führungskraft in Achtsamkeit übt.

       Weiteren Studien zufolge ist das Klima unter den Mitarbeitern sowie deren Verhältnis zur Führungskraft besser,