Christian Thiele

Positiv führen für Dummies


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klare Entscheidungen zu finden und vertreten.

      Kurzum: Aus Chaos Konsens schmieden, das wird gerne von Entscheidern verlangt. Vor allem Führungskräfte in der »Sandwich-Rolle« müssen widerstreitenden Anforderungen von oben, von unten und von der Seite gerecht werden. Wenn Ihnen das auch so geht: Sie sind damit nicht allein, vielleicht ist das ja auch schon ein Trost …

      Denn klar, effektiv und gesund handeln, führen, kommunizieren kann nur, wer die zwei oder mehr Seelen in der eigenen Brust, von denen schon in Goethes »Faust« die Rede ist, wahrnehmen und befrieden kann. Wer die innere Vielstimmigkeit als einen Reichtum, wer interne Pluralität von Rollen, Einstellungen, Wünschen, Meinungen, Tendenzen und so weiter als Ressource versteht.

      Die Ich-Zustände

      Fragen Sie sich in Konfliktsituationen manchmal, wer Sie oder die Person, mit der Sie gerade in Auseinandersetzung sind, eigentlich reitet? Wundern Sie sich gelegentlich, wie schwer Sie sich mit Entscheidungen tun, weil die Pro-und-Kontra-Liste immer länger und das Optionskuddelmuddel damit nur größer statt kleiner wird? Reagieren Sie manchmal auf Handlungen oder Aussagen anderer viel intensiver, als Ihnen eigentlich recht ist? Den meisten Menschen geht das immer mal wieder so, egal ob Führungskraft oder nicht. Und die meisten Menschen sind zunächst ähnlich ratlos, woher so etwas kommt und wie sie damit konstruktiv umgehen können.

      Der kanadische Psychiater Eric Berne hat als Antwort auf solche und ähnliche Fragen in den 1950er-Jahren die Transaktionsanalyse begründet (mehr zum Thema erfahren Sie in Transaktionsanalyse für Dummies). Sie bietet, in kritischer Reaktion auf die oft defizitfokussierten Theorien von Sigmund Freud, ein wohlwollendes Modell menschlicher Verhaltensweisen an. Positiv Führende sollten es kennen und nutzen – sowohl für sich selbst als auch im Umgang mit anderen. Berne unterscheidet dabei zwischen drei verschiedenen Ich-Zuständen:

       das kindliche Ich

       das Eltern-Ich

       das erwachsene Ich

      Diese Ich-Zustände bilden sich im Laufe des Lebens als eine Mischung aus Gefühlen, Denkweisen, Überzeugungen, Erfahrungen. Sie verfestigen sich mit zunehmendem Alter und lassen sich aber umwandeln und anpassen, wenn man sich ihrer bewusster wird.

      Die Mitarbeiter wiederum werden als Reaktion auf dieses Eltern-Ich auf Dauer immer unselbstständiger, reagieren auf die Helikopterführung mit immer weniger Eigeninitiative, vertuschen Fehler aus Angst vor Kritik: Sie gehen in das sogenannte »kindliche Ich«. Es ist entweder an sehr unsicheren, angepasst-unterwürfigen Sprech- und Verhaltensweisen oder an stark trotzig-rebellischem, aufmüpfigem, desorganisiertem Verhalten zu erkennen.

      

Vergegenwärtigen Sie sich eine typische Situation aus letzter Zeit, in der Sie sich über einen Mitarbeiter oder Kollegen geärgert haben. Welcher der drei Ich-Zustände ist da bei Ihnen »angesprungen«, das Eltern-Ich, das kindliche Ich oder das Erwachsenen-Ich? Wie hat sich das angefühlt? Woher kennen Sie diesen Ich-Zustand und wofür ist er gut, welche Funktion hat er? Und wo nervt, stört, stresst dieser Zustand Sie oder andere? Wie könnte ein anderes, in der Regel erwachseneres Ich in der Situation fühlen, handeln, kommunizieren? Was wäre dann anders? Und wie könnten Sie diesen anderen Ich-Zustand in der nächsten ähnlichen Situation zu Wort kommen lassen?

      Ein Vorgesetzter, der aus dem »Erwachsenen-Ich« heraus denkt, handelt und kommuniziert, fragt die Mitarbeitenden nach Fakten, bittet um Einschätzungen und Interpretationen, schlägt vor, lässt widerstreitende Meinungen zu, kann auch einmal sagen: »Ich weiß es nicht!« Er denkt und spricht in Optionen, Wahrscheinlichkeiten, wägt das Für und Wider in unklaren Situationen ab. Sprich: Er geht mit den Mitarbeitenden auf Augenhöhe um, hat realistische Erwartungen an ihre Potenziale, lässt sich von Argumenten anderer überzeugen, wenn sie die eigenen schlagen, egal auf welcher Hierarchieebene. Er lässt Freiräume, wünscht und gestattet Mitgestaltung und Selbstorganisation (agile Führung).

      Das Innere Team

      Um den Menschen im System kennenzulernen, muss das System im Menschen genauer erkannt werden. So ähnlich würde der Hamburger Psychologe Friedemann Schulz von Thun das von ihm entwickelte Arbeitswerkzeug zur Selbstreflexion begründen – das Innere Team. Sie können es nutzen, um Ihren inneren Kontext besser zu klären, um widerstrebende Anforderungen an Sie und in Ihnen besser zu verstehen, zu akzeptieren und dann wirksam und gesund zu handeln und zu kommunizieren. Und um Fehlentscheidungen, innere Zerrissenheiten und Unklarheiten in der Außenwirkung zu begrenzen, Blockaden auflösen, Automatismen verflüssigen sowie Ambivalenzen klären zu können.

      Grundsätzlich können Sie mit dem Inneren Team auf unterschiedliche Arten arbeiten. Sie können:

       verschiedene Perspektiven, die Sie auf eine bestimmte Situation haben, sichtbar machen und einander gegenüberstellen

       mit der Klärung und Versöhnung innerer Konflikte und Dilemmata Ihre Bandbreite an Formen des Denkens, Handelns und Kommunizierens verbreitern

       die »innere Teamformation« eines Mitarbeiters oder einer anderen Person, die Ihnen zu schaffen macht, klären – oder zumindest sich dieser annähern

      

Angenommen, Ihnen wird eine neue Stelle angeboten: andere Firma, andere Aufgabe, andere Mitarbeiter, vielleicht auch eine andere Stadt. Welche Teammitglieder in Ihnen könnten sich da melden: Ist da vielleicht ein Karrieremensch, der sich über die Veränderung freut? Ein Sicherheitsbeauftragter, den das Gehaltsplus ruhiger schlafen ließe? Gleichzeitig aber auch ein Loyaler, der seine bisherigen Mitarbeiter ungern verlässt? Und ein Familienmensch, der sich sorgt, dass er dann Kinder und Partnerin noch weniger sieht als jetzt? Das sind nur hypothetische Vorschläge – welche vier, fünf Teammitglieder melden sich bei Ihnen zu Wort? Was wollen, was sagen diese inneren Stimmen – und was nicht?