Rollen und Stimmen in uns zu vereinen haben, die sich gar nicht immer gleich grün sind. Diese unterschiedlichen Teammitglieder machen Sie flexibel, anpassungsfähig, einfühlsam.
Wenn Sie mögen: Nehmen Sie ein Blatt Papier, zeichnen Sie – ganz grob – einen Menschenleib auf, also sich selbst, und malen Sie darin die fünf, sechs wichtigsten inneren Wortmelder dieser inneren Teamdynamik auf. Geben Sie Ihnen Kurznamen (zum Beispiel »der Zweifler«, »die Abenteurerin«, »der Vollstrecker«, »die Bewahrerin«, »der Ängstliche«, »die Geschäftsfrau«, »das Heinzelmännchen« etc.), die am besten einen neutralen oder gar positiven Beigeschmack haben.
Fragen Sie sich, welches dieser Teammitglieder welche Funktion hat? Welche eher groß und welche eher klein sind, welche sich früh und laut zu Wort melden und welche eher leise und spät oder gar nicht? Und welches Teammitglied mit welchem kann und welches mit welchem gar nicht? Vielleicht finden Sie auch für jedes Teammitglied ein Symbol und einen typischen Satz – dieser kann, muss aber nicht wirklich so gefallen sein. Häufig gibt es letztlich einen Konflikt zwischen zwei wichtigen Teammitgliedern.
Im Fall der Beförderung könnten das der Karrieremensch und der Familienvater sein: Der eine möchte mehr Einfluss, mehr Anerkennung. Der andere will tagsüber eher weniger Stress als mehr und am Feierabend die Kinder häufiger sehen. Die beiden könnten in einem Dialog wie folgt miteinander sein: »Ich will wirklich mitgestalten können und nicht mehr nur ein kleines Rädchen sein«, sagt der Aufstiegsorientierte. Und der Familienmensch, der dem Stellenwechsel skeptisch gegenübersteht, sagt: »Arbeit ist nicht alles, meine Familie ist mir eigentlich das Wichtigste.« Die anderen inneren Teammitglieder gesellen sich der einen oder anderen Fraktion hinzu und sind daher für oder gegen den Stellenwechsel.
Wenn Sie sich Ihre innere Aufstellung vergegenwärtigt und aufgemalt haben: Wie vollständig finden Sie Ihr Team? Könnten Sie für manche Gelegenheiten noch zusätzliche Spieler brauchen, Einwechselspieler(innen) sozusagen? Und welche Teammitglieder könnten, wenn Sie sie einmal gehört und gewürdigt haben, ruhig ein bisschen leiser und weniger dominant auftreten? Wer gehört worden ist, wird selten unerhört. Welche anderen Teammitglieder rumpeln so schnell und laut auf die Bühne, dass sie andere zu Unrecht überschatten? Und welche haben sich häufig zu sehr zurückgehalten und dürften ruhig ein wenig häufiger und lauter auf die Bühne treten? Oder welche haben Sie sogar auf einen Platz in den Kulissen verbannt, weil sie Ihnen nicht vorzeigbar genug erscheinen? Welchen Nutzen hat jedes der Teammitglieder vielleicht früher mal gehabt oder hat es noch heute? Und welchen Preis hat dieses Teammitglied?
Wenn Sie es das nächste Mal mit einem »schwierigen Kandidaten« zu tun haben oder vor einer komplizierten Situation stehen: Welche Stimmen in Ihnen sollen etwas lauter werden? Und welche leiser? Welche können Sie nach einem kurzen Auftritt mit einem höflichen Applaus von der Bühne bitten – und welche werden Sie aus den Kulissen aufrufen?
Wieder zurück zum Stellenangebot: Der Familienvater, der bleiben will, und der Aufstiegswillige, den die neue Aufgabe lockt, haben einander gehört. Verstehen, was der eine will und was der andere braucht. Und dann können Sie als Vorgesetzter Ihres Inneren Teams sich zum Beispiel darauf verständigen, dass Sie noch so lange auf dem bisherigen Job bleiben, bis die Kinder etwas größer sind und Sie sie eh seltener sehen werden. Oder dass Sie jetzt aktiv nach neuen Stellen suchen – die aber zwei Homeoffice-Tage möglich machen oder keine längere Fahrtzeit als bisher beinhalten. Das wären mögliche Kompromisslösungen, mit denen sämtliche Mitglieder Ihres Inneren Teams gut leben könnten.
Sie werden feststellen: Die Zusammensetzung Ihres Inneren Teams verändert sich – je nach Zusammenhang, je nach Rolle, und sie entwickelt sich auch über die Zeit. Es kommen Teammitglieder hinzu. Manche treten simultan auf, manche zeitversetzt. Manche werden neue Aufgaben oder Namen bekommen, manche werden einflussreicher und andere weniger wichtig werden.
Einige werden sich leichter ins Team einfügen, mit der Zeit kommt es vom Durcheinander und Gegeneinander über ein Nebeneinander zu einem Miteinander – und vielleicht sogar Füreinander der inneren Spieler. Und manche dieser inneren Stimmen können Sie irgendwann verabschieden, weil Sie sie vielleicht gar nicht mehr brauchen. Sie haben ihren Dienst an Ihnen getan. Und vielleicht hilft Ihnen die Erhebung Ihres Inneren Teams auch dabei, Konflikte mit Mitarbeitern, Kollegen oder Ihrem Vorgesetzen besser einsortieren zu können – wenn Sie sich das mögliche Innere Team Ihres Konfliktpartners vorstellen und überlegen, mit welchen dieser Spieler Sie in Koalition gehen könnten.
Fokus finden und halten
Nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) von 2018 arbeiten – je nach Anzahl der Mitarbeiter – 18 bis 23 Prozent an der oder jenseits der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Zunehmend mehr und komplexere Aufgaben, die häufig mit immer weniger Personal zu bewältigen sind, Termindruck und Dauer-Erreichbarkeit, beschleunigt und verstärkt durch die digitalen Medien, und dann auch noch die Corona-Krise mit ihrer Ungewissheit, einem Strom an Negativnachrichten, vielfältigen eigenen Sorgen und Befürchtungen von Mitarbeitern: Das bereitet vielen Führungskräften enormen Stress.
Gerade Menschen in leitender Funktion neigen dazu, unterschiedliche Themen, Programme, Geräte mehr oder weniger parallel bearbeiten zu müssen und zu wollen – das sogenannte »Multitasking«. Wissenschaftliche Studien haben allerdings nachgewiesen, dass Menschen gleichzeitig oder in kurzer Taktung hintereinander unterschiedliche Aufgaben nicht gut bewältigen können, die Folgen davon sind unter anderem:
Fehler
Leistungsminderungen
längere Reaktionszeiten
erhöhte Unfall- und Sicherheitsrisiken
Das überforderte Gehirn
Das menschliche Gehirn – auch das der Führungskraft – ist für die parallele Wahrnehmung von unterschiedlichen Stimuli nur bedingt geeignet, es reduziert bei Reizüberflutung die Aufnahme und Verarbeitung auf eine verdauliche Menge.
Wie stark beeinträchtigt die Smartphone-Kommunikation das Autofahren? Bei einer Studie im Fahrsimulator wurde das untersucht, indem Testpersonen vor einer roten Ampel bremsen sollten. Mehr als doppelt so viele der Probanden überfuhren – im Vergleich zur Kontrollgruppe – die Ampel, wenn sie währenddessen ein Telefongespräch führten. Die Bremszeit der Multitasker verringerte sich merklich.
Die Folgen vieler Multitasking-Erfahrungen sind:
eine verringerte Erfahrung der Präsenz,
schlechteres Erinnerungsvermögen,
mehr Konzentrationsmängel und Fehlentscheidungen,
schlechtere Stimmung
höhere Anfälligkeit für Burn-out-Erkrankungen.
Hartmut Rosa, Soziologieprofessor in Jena, spricht von unserer Zeit als einem »Zeitalter der Beschleunigung«, in dem sich wirtschaftlicher Wandel, gesellschaftliche Ausdifferenzierung und Individualisierung sowie technischer Fortschritt gegenseitig befeuern. Daraus entsteht ein Geschwindigkeitsrausch, der sich selbst beschleunigt, auf immer weitere Kreise ausgreift und schließlich den Einzelnen anfälliger macht für Symptome von Stress, Überforderung oder andere Erkrankungen.
Der Vorgesetzte als Täter und Opfer
Führungskräfte sind davon in besonderem Maße betroffen und treiben diesen Wandel häufig selbst weiter an, ob sie wollen oder nicht. Sie sind somit gleichzeitig Verursacher und Opfer des Zeitkonfettis, also der häufigen, belastenden Beschleunigung und Unterbrechung des Arbeitstaktes.
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