Millionen von Jahre, in denen Wind und Wasser den Grand Canyon formten. Dies sind meine Erfahrungen, und auf sie habe ich auf die eine oder andere Art ein ganzes Leben lang reagiert. Sie gehören allein mir, so wie jedes Individuum seine eigenen besonderen Erinnerungen hat. Sich darüber klarzuwerden, welche Erlebnisse aus der Kindheit emotionale Anker darstellen, ist eine lohnenswerte Aufgabe. So viele wichtige Entscheidungen, die wir alle auf unserem Lebensweg treffen, sind direkte Auswirkungen dieser Geschehnisse.
Ich kenne meine Schwachstellen und gebe sie auch zu. Ich bin nicht immer der Mann gewesen, der ich sein wollte. Während ich all die Jahre durch das Leben stolperte hin zum Erfolg und sogar – das gebe ich beinahe ungläubig zu – zum Glück, habe ich einige wichtige Lektionen gelernt. Übernehmen Sie davon, was Sie wollen. Beherzigen Sie die Lehren, die Ihnen vernünftig erscheinen. Dies ist die Summe meiner Erfahrungen und meines Lebens.
Im Dezember 1970, ein Jahr nach Ende der Dreharbeiten zur dritten und letzten Staffel von Raumschiff Enterprise und bevor daraus ein kulturelles Phänomen wurde, wählte man mich für ein neues Stück eines jungen Autors namens Mart Crowley aus. Crowley schrieb später das ausgezeichnete Stück The Boys in the Band [deutscher Titel der Verfilmung des Stoffes: Die Harten und die Zarten]. Doch hier handelte es sich um Remote Asylum. Ich spielte einen „physisch und psychisch ausgebrannten amerikanischen“ Tennisprofi. Eine liebenswerte Frau namens Nancy Kelly übernahm die Rolle meiner „kosmopolitischen, noch nicht geschiedenen Geliebten“.
Die erste Aufführung fand im Ahmanson Theatre in Los Angeles statt, wo wir auf dem Weg zum Broadway mögliche problematische Passagen ausmerzen wollten.
Das Stück begann mit Nancy Kelly und mir, die im Dunklen die eröffnenden Textpassagen sprachen. Dann erstrahlten die Scheinwerfer, und der Vorhang öffnete sich. Wir hatten schon seit einigen Wochen geprobt, da es sich um eine schwierige Aufführung handelte. Sie spielte in einer wunderschönen Mittelmeervilla, die – wie wir schnell entdeckten – nicht das Paradies auf Erden war, sondern „ein Inferno darstellte, wo sich ein schmerzhaftes, höllisches Scheitern abspielte“.
In der Premierennacht standen wir auf der dunklen Bühne und warteten auf unser Zeichen. Nancy lehnte sich zu mir herüber und flüsterte die Worte, vor denen sich jeder Schauspieler fürchtet: „Spielen wir in einem desaströsen Drama?“
Das „schmerzhafte, höllische Scheitern“ bezog sich tatsächlich auf das Stück. Wir hätten es vielleicht schon bei den Proben erahnen können, doch waren betriebsblind. Wir machten unsere Jobs, und das Stück wurde einen ganzen Abend lang aufgeführt.
Schauspieler wissen, ehrlich gesagt, nur selten, ob das Theaterstück, der Film oder der Pilotfilm für eine Serie, an dem sie gerade arbeiten, ein Erfolg oder ein Misserfolg wird. Ich selbst habe das in den unterschiedlichsten Variationen miterlebt und weiß bestens, wie wenig ich eigentlich darüber sagen kann. Einmal spielte ich die Hautrolle in dem einzigen Film, der jemals in Esperanto gedreht wurde, der universellen Sprache. In jedem Land dieser Welt war das also eine „fremdsprachige“ Produktion. Als der Streifen herauskam, hatte ich die Sprache längst wieder vergessen. Sogar ich verstand die Handlung nicht! Doch beim Dreh hatte ich genauso hart gearbeitet wie bei allen anderen Produktionen, in denen ich auftrat. Ich erlaubte es nicht, dass Zweifel an der Qualität oder am Potenzial des Projekts mein Arbeitsethos auch nur im Geringsten beeinträchtigten. Ich ging zum Dreh und zog den Job durch.
Jeder Erfolg, der mir zuteilwurde, begann damit, pünktlich am Set zu erscheinen, vorbereitet zu sein und die bestmögliche Arbeit abzuliefern. Das zu erwähnen, sollte eigentlich überflüssig sein. Denn es ist keiner tiefen Weisheit geschuldet, sondern nur gesundem Menschenverstand. Doch während meines gesamten Lebens markierte diese Einstellung einen wichtigen Unterschied zu anderen Kollegen. „The Show Must Go On“ ist das Credo des Schauspielers, was sich allerdings nicht so leicht auf alle Tätigkeiten übertragen lässt. Ein solides Arbeitsethos bildet auf jeden Fall die Grundlage für den Erfolg: Erscheine rechtzeitig und gut vorbereitet zur Arbeit!
Ich weiß nicht, wie man nicht arbeitet. Mein Arbeitsethos ist offensichtlich tief in mir verankert. Wie ich herausfand, führte Arbeit zu immer mehr Arbeit. Für mich gibt es nichts Erschreckenderes als leere Seiten im Terminkalender.
Ich weiß nicht, ab wann genau ich von der Arbeit wie besessen war, doch ich bin es noch immer. Im Januar 2016 – ich war 84 Jahre alt – befand ich mich auf Tournee mit einem Soloprogramm. Ich spielte acht Shows in acht Städten an acht Abenden. Lucky Dave Memory, mein Bühnenmanager und „Mädchen für alles“, begleitete mich auf der Reise. Wir landeten am Donnerstagabend auf dem Newark Airport und mieteten uns am folgenden Morgen einen kleinen Fiat, mit dem wir zur Show im Rahmen der Westbury Music Fair nach Long Island fuhren. Am Samstagmorgen sollten wir laut Plan vom LaGuardia nach Chicago fliegen, wo ein Auftritt im Rialto Square Theatre in Joliet, Illinois, anstand.
Am Freitagmorgen setzte sich Lucky Dave auf den Beifahrersitz – und ich mich hinter das Lenkrad. Ich liebe es, Auto zu fahren, hatte jedoch noch nie einen Fiat gesteuert. Wir führten ein wenig Gepäck mit uns, das kaum in den Kofferraum passte. Auf der Fahrt nach Long Island hörten wir die ersten Verkehrsnachrichten, die einen schweren Schneesturm ankündigten, der an der Küste entlang von Washington hochzog. Sie meldeten bis zu 70 Zentimeter Neuschnee weiter südlich, sagten aber nur rund acht Zentimeter für New York voraus. Ich war ein wenig besorgt, doch nicht beunruhigt. Als wir Westbury erreichten, meldeten sie ungefähr 15 bis 20 Zentimeter flockigen Niederschlag. Am späten Nachmittag hatte sich das Ganze in einen unvergleichlichen Schneesturm verwandelt, der das Gebiet um New York mit bis zu einem Meter Schnee eindecken sollte.
Unter diesen Bedingungen musste ich jedoch nach Long Island gelangen und danach Richtung Illinois fliegen.
Laut Vorhersage sollte der Sturm ungefähr um Mitternacht auf New York treffen. Wenn ich den Auftritt also rechtzeitig beenden würde, könnte ich noch zum LaGuardia Airport gelangen und vor dem großen Schneefall in Richtung Chicago abheben, von wo aus es dann nach Joliet weitergehen sollte. Meine Assistentin, die Tourmanagerin Kathleen Hays, versuchte ihr Möglichstes, um Plätze zu reservieren. Sie buchte uns einen Platz, aber dann hörten wir, dass um 16 Uhr LaGuardia, JFK und Newark geschlossen worden seien. Ich rief Kathleen an. „Wie sieht es mit Hartford aus? Hartford schließt nie!“ Wie sich herausstellte, bot Hartford einen Flug nach Chicago an, der jedoch sechs Stunden dauerte und zwei Zwischenstopps beinhaltete. Buch es einfach, meinte ich. Mir war das egal. Ich musste eine Show absolvieren.
Um 20 Uhr schloss man Hartford. Lucky Dave fragte mich: „Und nun? Was machen wir nun?“
Ich schaute ihm in die Augen. Lucky Dave ist eine abenteuerlustige und mutige Seele. Wir merkten schnell, den gleichen Gedanken gefasst zu haben: Wir mussten da durchfahren!
Ich möchte es noch einmal rekapitulieren: Ich war 84 Jahre alt und hatte all meine Rechnungen bezahlt. Auf meinem Bankkonto war mehr Geld, als ich jemals ausgeben würde. Der Theatermanager aus Joliet hatte sich mit Kathleen in Verbindung gesetzt und ihr erklärt, dass er es verstehe, wenn wir absagen würden. Es gab sprichwörtlich keinen zwingenden Grund, unbedingt dorthin zu fahren.
Allerdings dachte ich nicht ernsthaft darüber nach, die Show abzusagen. Die Show muss weitergehen. Ich verbrachte sieben Jahrzehnte damit, pünktlich und vorbereitet zu erscheinen. Irgendetwas tief in mir warnte mich, dass mein Ende an dem Tag einsetzen würde, an dem ich nicht mehr korrekt und wie von mir gewohnt erschiene. Lucky Dave ermutigte mich: „Heute Abend kommt ein Freund zum Auftritt. Er wiegt über 100 Kilogramm und kann hinten sitzen.“ Dann erinnerte er mich, dass er als New Yorker gar keinen Führerschein besitze. Doch sein Freund Big Pete werde sich mit mir abwechseln.
Okay, nun hatten wir einen Plan gefasst. Niemand behauptete, es sei ein guter Plan, aber es war zumindest ein Plan. Nach Ende der Show um 22 Uhr wollten wir uns in den kleinen Fiat mit Vierradantrieb quetschen und dem Schneesturm davonrasen.
Wegen der durch den Schneefall verursachten Verzögerungen begann der Auftritt allerdings später als geplant. Nachdem ich das übliche Treffen mit den Fans und das Autogrammschreiben beendet hatte, war es beinahe 23