David Fisher

Lebe Lang ... und was ich auf meinem Weg lernte


Скачать книгу

entschlossen: „Wenn wir es nur über die George Washington Bridge schaffen, bevor es zu schneien anfängt …“

      Wir kamen problemlos über die Brücke und auf den Jersey Turnpike. Ich war voll konzentriert. In dem Augenblick gab es in meinem Leben nichts Wichtigeres, als es rechtzeitig nach Joliet zu schaffen, um den Soloauftritt zu absolvieren. Ich war wie besessen.

      Ich musste dahin. Wir schafften es auf die US 80. Immer noch kein Schnee. Kurz nach Mitternacht sah ich die ersten Flocken im Licht der Scheinwerfer.

      Wir durchfuhren Pennsylvania, als uns der Blizzard mit voller Wucht traf. Ich konnte kaum etwas vor mir auf der Straße erkennen. Bei den meisten Fahrzeugen, die noch unterwegs waren, handelte es sich um schwere Trucks, die mit einer Geschwindigkeit von 70 oder 80 Meilen pro Stunde an mir vorbeirasten. Vom Rücksitz aus gab Big Pete schließlich kleinlaut zu: „Ich weiß nicht, wie man bei Schnee fährt.“

      Auch egal. Ich war nun der Kommandant dieses Schiffes und würde uns nach Illinois bringen. Da ich aus Montreal stammte, wusste ich, wie man bei Schnee fährt. Natürlich hatten die fünf Jahrzehnte, die ich nun in Kalifornien lebte, wenig Möglichkeiten zum Üben geboten. Ich entschied also, mich hinter einen Truck zu klemmen, der den Weg für uns bahnte, fand einen mit vernünftiger Geschwindigkeit und fuhr ihm hinterher.

      Die Wetterbedingungen verschlechterten sich. Auf der Straße lagen mindestens 15 Zentimeter Schnee, der zu überfrieren begann. Ich folgte dem Truck mit einem Sicherheitsabstand von rund 40 Metern. Plötzlich schoss er blitzschnell zum Standstreifen rüber – und direkt vor mir stand ein silberner Audi mitten auf dem spiegelglatten Highway. Mir gelang es, den Wagen rüberzuziehen, wodurch ich um Haaresbreite am Hindernis vorbeikam. Als ich den Audi passierte, sah ich, dass er in der falschen Fahrtrichtung stand – alle Lichter leuchteten auf: Scheinwerfer, Blinker, Bremsleuchten. Ich warf Lucky Dave einen Blick zu. Er starrte direkt nach vorne, seine Augen so weit aufgerissen, wie ich es noch nie gesehen hatte.

      Es ging weiter. Wir fuhren, als hinge mein Leben davon ab, nach Joliet zu gelangen, was – wie wir später herausfinden sollten – auch auf eine unheimliche Art zutraf. Nach einer weiteren Stunde Fahrt entschieden wir uns zu einem Stopp, um zu tanken und etwas zu uns zu nehmen. Als wir langsam an den Parkplätzen vorbeisteuerten, bemerkte ich die gewaltigen, dicht aneinander geparkten Trucks. Sie glichen einer Elefantenhorde, die darauf wartete, dass der gleißende Schneesturm abklang. Schließlich parkte ich ebenfalls. Während Big Pete zum McDonald’s hastete, versuchte ich, den Sturm auf meinem Handy nachzuverfolgen. 50 Meilen vor uns bestand noch eine einhundertprozentige Schneewahrscheinlichkeit, doch 30 Meilen weiter lag sie nur noch bei 90 Prozent.

      „Da ist eine Lücke!“, jubelte ich in Richtung Lucky Dave und Big Pete. Zehn Prozent schienen momentan schon viel zu sein. Wir sprangen zurück in den Wagen, brausten los, schlängelten uns in den Verkehr auf dem Highway ein und passten uns dem Verkehrsfluss an. Nicht länger als sieben oder acht Minuten später stand mitten auf der Straße ein Auto. Es war der silberne Audi! Ich steuerte um ihn herum, aber diesmal blockierten die Bremsen. Glücklicherweise gelang es mir, an dem Wagen vorbeizuschlittern. „Das ist der Geister-Audi“, rief ich verblüfft. Das war doch nicht zu fassen! Ich war die letzten zwei Stunden mindestens mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 Meilen gefahren, weitaus schneller als der andere Verkehr. Wie konnte er da vor uns sein? Dafür gab es keine rationale Erklärung, denn wir hatten auch nur kurz gehalten. Aber dort stand er.

      Es begann stärker zu schneien. Ich fuhr weiter. Was wir hier veranstalteten, ergab keinen Sinn. Ich wusste das, konnte aber nicht anders. Auf der Straße befand sich keine Menschenseele, denn sogar die schwersten Trucks standen nun am Rand. Ich fuhr weiter, hatte jedoch eine panische Angst, dass wir vom Highway rutschten und in einer Schneeböe landeten. Uns stand nichts zur Verfügung, was wir eventuell gebraucht hätten, nicht einmal eine Decke. Schließlich meldete sich Big Pete zu Wort und schlug vor, dass es vielleicht sinnvoll sei, auf einem Rastplatz zu halten.

      Sinnvoll? Anhalten? „Ich muss nach Joliet“, drängte ich, die Augen auf das fokussiert, was noch irgendwie auf der Straße zu erkennen war.

      Als wir das 90-Prozent-Gebiet erreichten, schien sich der Schneefall zu beruhigen. Dann gelangten wir in den Bereich von 80 Prozent. Und – peng – fuhr ich aus dem Sturm heraus.

      Wir erreichten Joliet am Morgen. Ich schlief einige Stunden und absolvierte danach den Auftritt. Niemanden schien es zu interessieren, dass ich mein Leben riskiert hatte, um nach Joliet zu gelangen. Das Publikum hatte die Karten gekauft und wollte unterhalten werden.

      Nach der Show wollte ich ein wenig schlafen, doch ich fühlte mich so aufgekratzt, dass es unmöglich war. Wir setzten uns in den Fiat, Big Pete mühte sich auf den Rücksitz, und schon ging es auf direktem Weg nach Detroit. Ich setzte Big Pete am Flughafen ab, von wo aus er nach New York zurückflog, absolvierte den Auftritt in Detroit und flog am nächsten Tag nach Hause.

      Wie verrückt war ich nur gewesen? Drei Kerle in einem Fiat 500? Was hatte mich dazu getrieben? Tja, sicherlich nicht Big Pete, denn als Mann ohne Führerschein hatte er nicht den leisesten Schimmer von Antrieben.

      Ich lernte in meinem Leben früh eine Lektion, die immer einen Unterschied ausmacht: Der Erfolg beginnt mit dem Erscheinen, dem Auftreten, dem Kommen. Ich denke, die Behauptung ist zutreffend, dass nicht jede Show oder jeder Film, in dem ich aufgetreten bin, als prestigeträchtig angesehen werden kann. Falls ich jedoch etwas ablehne, mache ich mir lange und intensiv Gedanken darüber. Statt abzusagen, sehe ich lieber jeden Job als Gelegenheit, meinen Beruf als Schauspieler auszuüben. Und dafür erhalte ich sogar noch eine Gage!

      Ich muss zugeben, dass ich zuerst zögerte, als man mir die Rolle des „Fernsehproduzenten“ im Film Das Horror-Hospital von 1982 anbot. Es ist die Story „eines geistig verwirrten, Frauen hassenden Killers, der eine Journalistin überfällt. Als er herausfindet, dass sie den Angriff überlebt hat, taucht er im Krankenhaus auf, um sie auszuknipsen“. Ich erwartete sicherlich keinen Kritikerjubel, sondern wollte meinen Job so gut wie möglich machen und den Scheck entgegennehmen. Und danach hoffte ich auf ein neues Angebot.

      Es war ein Job, und ich sagte zu. Ich verfolgte den Mörder durch die Korridore des Krankenhauses.

      Vor langer Zeit habe ich eine Story gehört, die mir im Gedächtnis haften blieb. Nur wenige wissen, dass der junge John Wayne einer der ersten der sogenannten „Singing Cowboys“ war. Wayne drehte eine Serie von B-Movies. Sie verursachten kaum Kosten, es gab so gut wie keine Story, abgesehen von der Tatsache, dass der Typ mit dem weißen Hut den Typen mit dem schwarzen Hut verprügelt, und sie mussten in sechs Tagen im Kasten sein. Anscheinend stapfte Wayne also während der großen Depression auf dem Fox-Gelände herum und traf den großartigen Humoristen Will Rogers. „Wie läuft’s so, Kid?“, fragte ihn Rogers.

      Als Antwort ließ Wayne seiner ganzen Enttäuschung freien Lauf und beklagte sich darüber, dass das Studio ihn zum Drehen von schrecklichen B-Movies verdonnert habe und er dabei Songs schmettern müsse. Er klagte immer weiter.

      Rogers hörte sich das alles geduldig an. Als John Wayne sich beruhigt hatte, gab er ihm den besten Ratschlag seines ganzen Lebens. „Du arbeitest doch?“, fragte er

      Wayne nickte: „Yeah.“

      „Arbeite weiter“, meinte Rogers lapidar und ging seines Weges.

      Das bringt meine Einstellung auf den Punkt: Arbeite weiter.

      Geh hin, mach deinen Job, und es werden sich positive Folgen einstellen. Und manchmal bedeutet das eben auch, seinen Job unter weniger optimalen Bedingungen zu erledigen.

      Die fortlaufende Arbeit eines Schauspielers hängt meist einzig und allein von den Entscheidungen anderer Menschen ab. Je älter man ist, desto schwieriger wird es in diesem Geschäft, Rollen zu finden, das ist eine unumstößliche Realität. An einem bestimmten Punkt der Karriere suchen die für das Casting Verantwortlichen einen „William-Shatner-Typ“, da William Shatner nicht mehr William Shatner spielen kann. Doch wenn man überaus viel Glück hat – so wie es bei mir der Fall war –, wird man so bekannt, dass die Macher noch weiterhin Spaß an einer Zusammenarbeit haben.

      Um die leeren Seiten meines Terminkalenders