und Gittern vor den Fenstern. Hier gibt es stattliche Kirchen, blühende Parks und Vorgärten mit Zitronenbäumen und Palmen, mitunter so groß wie Wassertürme, Latino-Minimärkte, Grillstellen, koreanische Schnapsläden und von Mexikanern betriebene Burgerbuden. Auf so manchem Rasen rosten alte Karren vor sich hin. Man kann auf Flohmärkten shoppen, sich in unabhängigen Boutiquen mit Beauty-Produkten eindecken, einen Moped-Laden besuchen oder etwas bei Garage Sales erstehen. So wie in jeder armen Gegend, gibt es hier eine starke Second-Hand-Kultur.
Immobilienmakler, die nördlich der Interstate 10 tätig sind, benennen mit Feuereifer Nachbarschaften um, um sie dadurch reizvoller zu machen. Die Gegend von Los Angeles, in der ich eine Zeitlang lebte, war nacheinander unter den Namen Mid-City, Miracle Mile, Mid-Wilshire und Picfair Village bekannt. Doch Ice Cubes Viertel war eher vom Bandenunwesen als von schönen Ortsnamen geprägt. Der Block entlang der Van Wick Street, wo er aufwuchs, stand unter der Kontrolle der 111 Neighbor Hood Crips, die sich nach der 111th Street, die sich zwei Blocks südlich befand, benannt hatten. Alternativ kennt man die Gang auch unter der Bezeichnung N-Hood. Und wenn man sich noch weiter südlich begab, über den Imperial Highway hinaus, landete man im Territorium der 115 Neighbor Hood Crips. In der Nähe gab es noch weitere Untergruppierungen der Crips, die jeweils Gebiete, die sich über zehn Blöcke oder weiter erstreckten, für sich in Anspruch nahmen.
Gang-Mitglieder kamen direkt auf einen zu, um zu fragen, woher man kam – und falls ihnen die Antwort missfiel, verpassten sie einem eine Abreibung. Man musste selbst gar kein Crip sein, um sich von deren Konkurrenz eine Tracht Prügel einzufangen. Es reichte schon aus, einfach nur in einem von Crips dominierten Viertel zu wohnen. Darum trauten sich die Kids aus Cubes Block auch nicht oft in die nahegelegene South Van Ness Street, die ausgewiesenes Bloods-Territorium war. Nicht einmal ahnungslose Kinder kamen ungeschoren davon. Als er die zweite Klasse besuchte, setzte sich Sir Jinx im Schulbus neben ein Mädchen, das sich nach seinem „Set“ erkundigte. „Set?“, fragte er. „Was ist das denn?“ Er sollte es noch früh genug erfahren.
Trotz allem war die Straße, in der außer Cube und Jinx auch viele brave Angestellte lebten und von wo aus man an klaren Tagen den berühmten Hollywood-Schriftzug sehen konnte, keine so schlechte Gegend. Zumindest relativ gesehen. Dane Webb, der frühere Chefredakteur von Rap Pages, beschreibt das Viertel als „mit Gangs übersät“, betont aber auch, dass es eher die „gehobene Arbeiterklasse“ repräsentierte.
„Es sieht zwar wie eine nette Nachbarschaft aus, aber sobald es dunkel wird, kannst du Schüsse hören“, erklärte Cube einmal. In seiner Kindheit wurde auch sein eigenes Zuhause beschossen: „Überall lagen Patronenhülsen, die die Polizei einsammelte. Direkt auf dem Rasen.“
Juice
Cube war untersetzt, gut gebaut, ein sportliches Naturtalent, das sowohl beim Basketball als auch beim Football mehr als eine gute Figur machte. Seine Freunde und er lieferten sich raue Football-Partien auf der Straße. Ihr Abschnitt der Van Wick Street gegen andere Blocks. Es war nichts Außergewöhnliches, wenn einen jemand vom Spielfeld auf den Rasen hinter dem Bürgersteig schob – oder sogar in geparkte Autos rammte. Cube spielte auch in der lokalen Pop-Warner-Liga, wo er als Outside Linebacker und Fullback zum Einsatz kam. Sein Bruder nannte ihn gelegentlich Juice (wie in „Orange Juice“), da er dieselben Initialen wie der ehemalige NFL-Star O.J. Simpson hatte.
O’Shea wuchs als jüngstes von vier Geschwistern in einer sich nahestehenden Familie auf. Als er älter wurde, kauften seine Eltern ihm einen VW-Käfer – damals der letzte Schrei. Sie arbeiteten an der UCLA, seine Mutter Doris in der Verwaltung und sein Vater Hosea als Platzwart. Der gradlinige Hosea besaß eine Garage voller Werkzeug und mähte vielen Leuten im Viertel den Rasen. Hosea brachte Cube bei, ein Anführer zu sein, wie er sagte, während ihm Clyde einbläute, dass Gangs Zeitverschwendung seien. „Mein Bruder hatten den ganzen Scheiß schon hinter sich, also sagte er, Mann, du brauchst das nicht zu tun“, erklärte Cube später. „Es ist echt nicht ganz ohne, immerhin sind ein paar dieser Motherfuckers von N-Hood mittlerweile echte Killer. Ich frage mich, wie ich mich ohne diese Familienstruktur entwickelt hätte.“
So wie alle anderen erlebte auch Cube schlimme Dinge. Am schlimmsten war aber, als am 29. Juni 1981, er war gerade zwölf, seine Halbschwester Beverly Jean Brown, Hoseas Tochter aus einer vorherigen Beziehung, von ihrem Mann umgebracht wurde. Beverly war 22, wunderschön und voller Leben. Sie und ihr Mann Carl Clifford Brown waren noch keine zwei Jahre verheiratet. Laut der Los Angeles Times nahm Brown Beverly nach einem „Ehestreit“ daheim in der West 53rd Street in South Central als Geisel. „Polizeibeamte, die das Haus umstellten, sagten, sie hätten dumpfe Schüsse gehört. Dennoch versuchten sie weiterhin, Brown per Megafon und Telefon zu kontaktieren. Nach Mitternacht betrat eine Spezialeinheit das Haus und fand den verwundeten Brown und seine tote Ehefrau.“ Brown erlag den Folgen seines Selbstmordversuches schließlich am am 27. Juli 1981, nicht ganz einen Monat später.
„Er war ein Möchtegern-Bulle“, sagte Cube. „Er bewarb sich beim LAPD, wurde aber nicht genommen. Dann verfiel er in eine Depression.“ Brown war im letzten Jahr des Vietnamkriegs Sergeant bei der Air Force gewesen und anschließend noch drei Jahre im Dienst geblieben. Er und Beverly Jean hinterließen einen Sohn, der damals erst eineinhalb Jahre alt war.
1970 fällte ein Richter das Urteil, dass der Los Angeles Unified School District Rassentrennung betrieb, und ordnete an, diesen Missstand zu beheben. Anfang der Achtziger wurde Cube in ein integratives Schulbus-Programm aufgenommen und besuchte ab der Junior-High eine Schule im San Fernando Valley. Die Schulen in seiner Nachbarschaft galten als problematisch. Die nächstgelegene High School, die Washington Preparatory, war zum Beispiel eine Hochburg der Crips. Die William Howard Taft High School war hingegen ein ferner, fast schon irrealer Ort, der von Eukalyptusbäumen gesäumt und von retro-futuristischer Architektur geprägt war. Die Schule verfügt über einen riesigen Outdoor-Sportkomplex und ist von Multimillionen-Dollar-Villen umgeben, wurde jedoch im Laufe der Jahre auch Schauplatz von Schießereien. Auch Sir Jinx besuchte kurzzeitig diese Schule und beschrieb sie als „Promi-Schule“ für reiche Kinder, die in Porsches vorfuhren. Zu ihren Absolventen zählen etwa Justine Bateman, Lisa Kudrow und Mitglieder von House of Pain. Cube war ein guter Schüler, der Einsen und Zweien nachhause brachte. Er spielte gemeinsam mit seinem Freund T-Bone, einem Tailback, als Fullback im Footballteam. Doch sein wahres Interesse war die Musik. Er und Sir Jinx formierten mit ihren Freunden Darrell Johnson (bekannt als K-Dee, was für Kid Disaster stand) und Barry Severe, der mit Cubes Schwester Patricia ausging, eine Gruppe. Da Severe älter war und schon ein Auto besaß, konnte er sie ins Studio chauffieren, wo man professionell klingende Tracks aufnahm. Sie nannten sich selbst Stereo Crew und waren Entertainer und keine Gang-Mitglieder. Laut K-Dee war Cubes erster Rap-Name eine Hommage sowohl an Ice-T als auch an Prince: Purple Ice.
Die Tracks klangen roh. Severe, der mittlerweile als Bewährungshelfer in Sacramento lebt, ließ mich an drei sehr raren Songs der Stereo Crew aus den frühen Achtzigerjahren teilhaben. „Sie klingen sehr altbacken“, warnte er mich – und tatsächlich finden sich hier scheppernde Drumcomputer gepaart mit mechanischen Stimmeffekten und einfachem Scratching, wie es im frühen Hip-Hop in L.A. üblich war. (Und dann noch diese bizarr heulenden Gitarrensolos!) „Bust It Up“ zieht sich über fast sechseinhalb Minuten. Cube wird darin von den anderen vorgestellt: The Ice is frozen, the Cube is fire / You will drop as he gets higher.
Doch Cube schien von Anfang an zu wissen, was er wollte. So swingte er etwa auf einem Track namens „To Reach the Top“: I never use a gun, or a knife / And I’ll be at the top for the rest of my life. Er rappt rasant und verständlich in seiner präpubertären Stimme. Sogar noch unwiderstehlicher ist die Anti-Gewalt-Hymne „Gangs“, die Randalierer anprangert, die alte Ladys ausrauben und nicht die Namen von Schützen preisgeben. Cubes Strophe ist das Highlight. In gerade einmal 45 Sekunden spinnt er eine tragische Geschichte von einem mit einer .44er bewaffneten Gang-Mitglied, dessen Normalo-Freund bei einem Drive-by abgeknallt wird. Der Gangster reagiert, indem er die Angreifer umbringt, was ihn schließlich auf den elektrischen Stuhl bringt. Es war eine für Cube typische Story mit moralischer Botschaft, die ein wenig seine Rolle in Boyz n the Hood vorwegnahm.
Als Teenager vertritt man mitunter starke Überzeugungen – und verabschiedet sich auch wieder von ihnen. Angesichts des explosiven Materials, das sie schon