zur Schule ging oder sich eine Arbeit suchte – und DJ-Gigs ließ sie nicht als solche gelten. Da Dr. Dres Stiefvater Curtis Crayon gleichzeitig der Onkel von Sir Jinxs war, zog er, als sie ihn schließlich hinauswarf, zu seinem jüngeren Stiefcousin, der mit seinen Freundinnen in wilder Ehe lebte. Cube und seine Stereo-Crew-Kumpels waren begeistert, dass ein angehender Star bei ihnen im Block wohnte. Immerhin hatte sich Dre mit „Surgery“ lokal einen Namen gemacht. Die Stereo-Crew-Mitglieder wollten unbedingt mit ihm arbeiten, doch anfangs hatte Dre nur wenig Bock auf diese kleinen Rabauken. „Mann, ich will echt nichts mit denen zu tun haben“, sagte er. „Das ist mein Cousin und er geht mir auf die Nerven.“
Irgendwann gab Dre aber nach und willigte ein, sich Stereo Crew in der Garage anzusehen. Er war beeindruckt, vor allem von Cube, dessen Talent schon mit 15 offensichtlich war. Dre und Cube wurden rasch enge Freunde, gingen zu Rap-Shows, düsten mit dem Auto nach Crenshaw, fuhren Achterbahn in Disneyland oder baggerten Mädels an. Trotz des Altersunterschiedes – Dre ist vier Jahre älter – hatten sie nicht nur musikalisch viel gemeinsam. Beide interessierten sich für Bauzeichnen, hassten Gangs und hatten den Tod von Geschwistern verkraften müssen. „Ich schwänzte die Schule und er holte mich ab“, erzählte Cube. „Ich fuhr den ganzen Tag mit ihm herum. Wir hingen ab.“ Sogar wenn man sie heute sieht, wirkt es noch so, als wäre Dr. Dre Cubes großer Bruder.
Ungefähr zu dieser Zeit sponserte der Radiosender KDAY einen Rap-Wettbewerb unter dem Motto „Best Rapper in the West“, dem Gewinner winkte ein Plattenvertrag. Nachdem die Stereo Crew die Juroren in den ersten Runden noch mit Killer-Rhymes hatte überzeugen können, fielen sie im Finale, das im Hollywood Palladium stattfand, einem technischen Missgeschick zum Opfer: Der DJ ließ ihre Cassette an der falschen Stelle laufen. „Cube war stinksauer und ging rüber zum DJ und sagte: ‚Was machst du da? Du verkackst unsere Show!‘“, erinnert sich Severe an den Vorfall, der vermutlich schlechten Eindruck auf die Juroren machte. Sie belegten letztlich den zweiten Platz.
Doch zum Glück hatte die Gruppe bereits Kontakt zu einem Label, und zwar über Alonzo Williams, der sie durch Dre kennengelernt hatte. Lonzo half ihnen, einen Deal für einen Song bei Epic Records zu landen. Er und Dre produzierten schließlich gemeinsam den Track „She’s a Skag“, der 1986 veröffentlicht wurde. Obwohl der Song eher pillepalle war, enthielt er ein paar witzige Zeilen. Cube veralbert das Objekt seiner Begierde als schmuddeliges Girl, weil sie seine Avancen zurückweist. I said, ‚I’m Ice Cube from the Stereo Crew‘, rappt er. She looked at her friend and they both said ‚Who‘?
Cli-N-Tel verließ World Class Wreckin’ Cru noch vor ihrem Album Rapped in Romance, das 1986 erschien, und wurde durch Barry Severe ersetzt. Er wollte sich nun Master B nennen, doch Dr. Dre war der Meinung, dass „Shakespeare, the Poet of Love“ besser zu ihrer Mädchenschwarm-Truppe passte. Die verbliebenen Stereo-Crew-Mitglieder nannten sich von nun an C.I.A., was ursprünglich für „Criminals in Action“ stand, aber dann zu „Cru in Action“ abgeschwächt wurde. Sie traten in Clubs wie dem Eve After Dark auf und veröffentlichten 1987 einen Tonträger mit drei Tracks auf Alonzos Label. Ihr Beastie-Boys-Einfluss war besonders stark und mit „Ill-Legal“ eiferten sie ganz klar Licensed to Ill nach. Auch parodierten sie populäre Songs. So wurde Run-DMCs „My Adidas“ zu „My Penis“ und aus „Pee-Wee Herman“ wurde „VD Sermon“, ein humorvoller Schwank über Geschlechtskrankheiten, der beim Publikum großen Anklang fand. In dieser Phase, die dem Gangsta-Rap vorausging, waren solche Parodien schwer angesagt. Toddy Tee verwandelte Whodinis „The Freaks Come Out at Night“ in „The Clucks Come Out at Night“ – mit Clucks waren Crackheads gemeint. Sein von Dr. Dre produzierter Hit „Batteram“ war einerseits als Kommentar zu Daryl Gates’ bevorzugtem Kriegsgerät zu verstehen, andererseits aber auch als Anspielung auf Shane Browns „Rappin’ Duke“, das seinerseits eine Art Parodie war, die sich John Wayne als Rapper ausmalte. Auch Notorious B.I.G. nahm in „Juicy“ darauf Bezug: Remember ‚Rappin‘ Duke, duh-ha, duh-ha?
Jeder Radio-DJ, der etwas auf sich hielt, lieferte Parodien von Radiohits. Die Gruppe von DJ Russ Parr von der KDAY-Morgenshow, Jimmy & the Critters, verwandelte „Rumors“ (Look at all these rumors/ surrounding me every day) vom Timex Social Club in „Roaches“ (Look at all these roaches/ Around me every day.). Dieser Trend wurde sicherlich auch durch den Erfolg von „Weird“ Al Yankovic befeuert, der 1983 mit Songs wie „I Love Rocky Road“ und „Another One Rides the Bus“ auf der Bildfläche erschienen war. Immerhin war Yankovic in Lynwood aufgewachsen, das im Norden an Compton angrenzte. Die frühen Achtzigerjahre waren eine freundlichere, sanftmütigere Zeit für Westküsten-Hip-Hop. Und Ice Cube alberte nicht weniger herum als alle anderen auch – bis er überraschend den Kurs korrigierte.
Skateland
Rollschuhbahnen waren lange Zeit wichtige Brutkästen der urbanen Jugendkultur. Sie stehen nicht nur für guten, sauberen Spaß inklusive Zuckerschock für Kids mit Knubbelknien, sondern dienten auch Jugendlichen als Einstieg in die Nachtclub-Szene, die noch zu jung zum Trinken waren. „Miami bass“-DJs wie der Southern-Rap-Pionier Luke Campbell, der für seine Arbeit mit der 2 Live Crew bekannt wurde, legte in den Achtzigern auf Rollschuhbahnen Platten für Teens auf. Three 6 Mafia fanden in der Rollschuhbahn Crystal Palace in Memphis ein Zuhause und der Rapper Nelly nahm mit seiner Gruppe St. Lunatics in einer auf, die den Namen Saints trug. ATL, ein Jugend-Drama von 2006, das sich an die Realität anlehnte, zeigt den Rapper T.I., wie er eine Bahn in Atlanta namens Cascade unsicher macht.
Zwei Rollschuhbahnen waren von kritischer Bedeutung für den Hip-Hop der Achtzigerjahre in Los Angeles. Die eine, World on Wheels in Mid-City, wurde von Crips bevölkert. Der Teppich war verklebt mit Süßigkeiten und Limo und Bilder von Rollschuhen mit Flügeln zierten die Wände. Die Hartholzbahn selbst funkelte. „Jheri-Curl-Frisuren waren in Mode und es wurde so heiß da drinnen, dass die Böden nass wurden“, erinnert sich der KDAY-Programmgestalter Greg Mack. Im World on Wheels legte seine DJ-Crew Mixmasters Platten mittels einer speziell präparierten Telefonleitung für ein Live-Publikum zu Hause auf.
Comptons Antwort auf diese Starthilfe für Nachwuchsrapper hieß Skateland U.S.A., eine voluminöse Anlage, in der bei Partys und Konzerten bis zu 2.000 Kids Platz fanden. Skateland war Comptons erste Rollschuhbahn, die 1984 ihre Pforten öffnete, nachdem ein Vater-Sohn-Team eine über 3.700 Quadratmeter große, abgebrannte Bowlingbahn übernahm, in der sämtliche Kupferverdrahtungen und Rohrleitungen herausgerissen worden waren und deren Dach mit Löchern übersät war. „Der Schimmelgeruch war so intensiv, dass man ihn mit einem Messer hätte schneiden können“, erzählt Besitzer Craig Schweisinger. Er und sein Vater hatten die Immobilie einst für einen Spottpreis erstanden. Der jüngere Schweisinger verdiente sich seinen Ruf als „verrücktester weißer Mann in Compton“, da sich Skateland in der Nähe der West Piru Street, also inmitten des Stammesgebietes der Bloods befand. Die Events glichen einem Meer aus roten Hosen und Hüten. Nie sah man Leute in Blau. „Es gab nur einen Ein- und Ausgang“, so Sir Jinx. „Wenn du dich dorthin verirrt hattest, prügelten sie dir die Scheiße aus dem Leib.“
Das Vorgehen der Schweisingers war durchaus altruistisch. Sie renovierten die Einrichtung und ließen 1.500 Quadratmeter Boden aus hartem Ahornholz verlegen. Nach der Eröffnung von Skateland mussten alle Besucher durch Metalldetektoren hindurchgehen, um Waffen draußen zu halten, obwohl es Kids laut Schweisinger dennoch gelang „Stanley-Messer, Rasiermesser und chirurgische Scheren“ hineinzuschmuggeln.
Anlässlich einer besonders verrückten Show von Eric B, in die sie 2.600 Leute packten, bewaffneten sie zwei Security-Leute sogar mit Uzis. Dies sorgte für Unmut bei Feuerwehr und Polizei, die daraufhin mit einem Hubschrauber und Hunden anrückten. Dre trat bei der Eröffnung 1984 mit der World Class Wreckin’ Cru auf. Er wurde rasch zum Stammgast und spielte mit DJ Yella und Eric Wright spätnachts Domino an der Snackbar. Sie arbeiteten an Texten und übten in der DJ-Kabine. Allerdings musste sie Schweisinger ermahnen, ihre Cocktails – Pepsi mit E&J Brandy – nicht auf dem Mischpult zu verschütten.
Dr. Dre und Ice Cube gaben ebenfalls eine gemeinsame Show im Skateland. Der warnte Cube, dass das Publikum Mittelmäßigkeit nicht tolerieren würde. „Ich erklärte ihm, dass er diesem Publikum etwas bieten müsste, weil sie dir sonst volle Becher auf’n Arsch warfen“, sagte Dr. Dre. Sie brachten schmutzige Parodien, so wurde aus Salt-N-Peppas „I’ll