Nané Lénard

SchattenHaut & SchattenWolf


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dir nichts sagen. Es gibt bestimmte ethnische Marker, die bei unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen vermehrt auftreten. Die habe ich hier aber nicht gefunden. Behinderungen aufgrund von Chromosomenveränderungen liegen auch nicht vor.“

      „Dann suchen wir also eher einen gesunden Europäer? Na, davon gibt es ja nicht so viele.“ Hetzer war enttäuscht. Er hatte sich mehr erhofft. „Und der Abgleich mit der Kartei hat auch nichts ergeben?“

      „Nein, unser Unbekannter ist ein unbescholtenes Blatt.“

      „Danke dir, Seppi, dass du dir die Zeit genommen hast. Darf ich dich bitten, dass du die DNA noch aufhebst? Ich habe noch etwas damit vor. Ich möchte sehen, ob Mica an der Leiche welche findet und sie dann vergleichen.“

      „Kein Problem, ist eh gespeichert. Bis dann, Hetzer, mach’s gut und viel Glück bei der Suche.“

       Stille Wasser

      Die Staatsanwältin Frau Dr. Kukla und Kriminalhauptkommissar Mensching erwarteten sie schon, als das Team Hetzer/Kruse eintraf.

      „Wir erwarten umgehend Ihren Bericht, meine Herren. Jetzt sofort mündlich und heute noch schriftlich. Gegen 12 Uhr haben wir eine Pressekonferenz anberaumt. Halten Sie sich bitte zur Verfügung.“

      „Wir müssen ermitteln!“, entfuhr es Kruse. Der Blick von Frau Dr. Kukla traf ihn wie ein Messer.

      „Wenn Sie schon vorher intensiver und gewissenhafter ermittelt hätten, wären wir heute vielleicht nicht an diesem Punkt, an dem wir jetzt stehen. Nämlich wie wir der Presse erklären sollen, dass wir es nicht verhindert haben, dass Benno Kuhlmann umgebracht worden ist. Obwohl er so viele Tage verschwunden war.“

      „Hatte ich Ihnen nicht ausdrücklich aufgetragen, dass dieser Fall oberste Priorität hat?“, bemerkte Mensching spitz.

      „Und was haben Sie getan? Einen Pfarrer und eine Haushälterin in Hameln befragt ...“.

      „Moment“, sagte Hetzer bestimmt, „wir wollen doch bei der Realität bleiben. Es ist schon richtig, dass wir auch im Mordfall von Pfarrer Fraas ermittelt haben, aber wir sind durchaus zweigleisig gefahren und haben alles darangesetzt, Bennos Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Es gab aber überhaupt keine Spuren – bis auf einen mysteriösen Unbekannten, der sich in der Nacht einfach aufgelöst hat.“

      „Bleiben wir doch bitte bei den Realitäten!“

      „So war es aber. Wir hatten einfach keine Anhaltspunkte. Suchen Sie mal in einer Kneipe nach DNA. Sie können sich aber beruhigen, Chef. Es ist nämlich egal, ob wir erst da oder da oder gleichzeitig ermittelt haben.“

      „Wieso?“

      „Da bin ich aber mal gespannt!“ Frau Dr. Kukla setzte sich auf die Tischkante und schlug die Beine übereinander.

      „Das ist ganz einfach. Ich habe eine Vermutung.“

      „Dann schießen Sie mal los.“

      „Ich denke, dass die beiden Fälle zusammengehören könnten.“

      „Wieso das?“

      „Weil die beiden Toten etwas gemeinsam haben. Sie sind beide kastriert. Komplett. Bei Pfarrer Fraas und bei Benno Kuhlmann fehlen das männliche Glied und die Hoden. Es gibt einen Unterschied. Bei Fraas sind die Genitalien kurz vor seinem Tod einfach abgeschnitten worden. Bei Kuhlmann hat sich der Mörder die Mühe gemacht, ihn zu operieren und kurzzeitig leben zu lassen. Dennoch könnte es derselbe Täter sein. Nach der Obduktion wissen wir mehr.“

      „Ich habe schon mit Frau Dr. von der Weiden gesprochen, Hetzer. Sie beeilt sich und gibt uns sofort Bescheid. Das wäre natürlich ein Ding. Dann hätten wir es vielleicht mit demselben Mörder zu tun. Das hieße dann auch, dass es möglich wäre, dass wir mit weiteren Verbrechen rechnen müssen. Bitte untersuchen Sie, ob es weitere Vermisstenfälle in Hameln oder Rinteln und Umgebung gibt.“

      „Jenseits des Berges auch?“

      „Sie meinen Kleinenbremen, Bückeburg und so weiter? Das wird wohl nicht nötig sein. Aber von mir aus. Sie tun doch sowieso, was Sie nicht lassen können, oder?“

      Hetzer ließ die Aussage von Frau Dr. Kukla unkommentiert und nahm sich vor, seinen Kollegen Schütte vom LKA anzurufen. Er konnte im ViCLAS-System prüfen, ob irgendwo Taten mit einer ähnlichen Vorgehensweise verübt worden waren. Das Analysesystem zum Verknüpfen von Gewalttaten wurde bereits seit zehn Jahren in Deutschland eingesetzt.

      „Wären Sie denn so freundlich, uns eben noch die Situation in der Eulenburg zu beschreiben, damit wir uns nachher nicht blamieren, Kruse.“ Mensching sprach mit lauerndem Unterton.

      „Benno Kuhlmann ist auf dem Dachboden der Eulenburg von einer jungen Ärztin gefunden worden. Er hing kopfüber an einem Deckenbalken. Nackt. Um die Füße eine Metallkette. Der Tod erfolgte wahrscheinlich am Fundort nach einem gezielten Stich in den Hals. Es fand sich eine große Blutlache unter dem Toten und zahlreiche Spritzer ringsum. Frische Narben im Bereich des vorderen Halses und im Genitalbereich. Dort war das gesamte Gemächt entfernt worden. Die Körperoberfläche war leicht rußig überzogen. Es fehlten die Haare. Wir vermuten, dass sie abgeflammt worden sind. Die Verwesung hatte schon eingesetzt. Er war von Maden bevölkert.“

      „Vielen Dank für die detaillierte Schilderung. Dann können wir doch davon ausgehen, dass der Täter in jedem Fall ein Mann gewesen sein muss. Es gehört schon einige Kraft dazu, einen so großen Körper wie den von Kuhlmann kopfüber an einen Dachbalken zu hängen.“

      Hetzer überlegte.

      „Ja, das ist wohl wahrscheinlich, obwohl es auch starke Frauen gibt. Wenn es sich wirklich um einen Serientäter handelt, spräche das auch für einen Mann. Es gibt nur sehr wenig Frauen, die Mordserien verübt haben.“

      „Diese Kastrationen – falls die Fälle zusammenhängen – sprechen doch für ein Beziehungsdelikt oder einen Racheakt nach Missbrauch. Vielleicht sollten Sie da, besonders bei dem Geistlichen, genauer nachhaken. In der nahen Vergangenheit sind so viele Fälle aufgedeckt worden. Möglicherweise wehrt sich hier ein Opfer auf eine andere Art.“

      „Es könnte sich auch um sexuellen Sadismus handeln. Wir müssen in jede Richtung weiterermitteln. Wichtig ist jetzt erst einmal das Ergebnis der Obduktion. Daraus werden sich Hinweise für unser weiteres Vorgehen ergeben. Bitte entschuldigen Sie uns jetzt. Wir müssen noch einen schriftlichen Bericht anfertigen.“

      Kruse und Hetzer zogen sich in ihr Büro zurück.

      „Diese olle Mistzicke!“

      „Meinst du etwa die Frau Staatsanwältin, Peter?“

      „Nie im Leben, wie kommst du denn darauf?“

      Hetzer grinste und begann seinen Bericht zu tippen.

       Bennos Vermächtnis

      Das Schreiben ging ihnen schwer von der Hand. Sie waren viel zu sehr mit ihren Gedanken beschäftigt. Auf einmal waren die Fälle vielleicht nur noch einer und viel komplexer, als sie vermutet hatten. Das wirkte sich bereits auf ihren Bericht aus. Noch bevor sie konkret wussten, dass Fraas und Kuhlmann demselben Mörder in die Augen geschaut hatten, konnten sie beides nur noch schwer gedanklich trennen. In ihr Schweigen hinein klingelte das Telefon.

      „Hallo Wolf, ich bin es, Mica. Alles klar bei euch? Ich dachte, ich rufe euch zuerst an, bevor ich die Chefetage informiere.“

      „Das ist aber nett von dir, Mica. Du zeigst ja direkt menschliche Züge.“

      „Jetzt hast du aber angefangen, Hetzer!“, schmunzelte Mica empört durchs Telefon. „Aber Schwamm drüber. Apropos Schwamm. Er schwamm in Maden. Benno, meine ich.“

      „Das haben wir schon vor Ort gesehen. Da erzählst du uns nun nichts Neues.“

      „Nun wartet doch mal. Ich