Marco Gehrig

Jahresabschluss nach dem Schweizer Rechnungslegungsrecht


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      Der Einzelabschluss eines rechnungslegungspflichtigen Unternehmens sowie die Konzernrechnung einer Unternehmensgruppe erfüllen mehrere Funktionen (image Abb. 3).

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      Informationsfunktion

      Wirtschaftliches Handeln setzt zuverlässige Informationen, d. h. zweckorientiertes Wissen, voraus. Dies gilt sowohl für das Individuum als Arbeitnehmer, Verbraucher, Anleger als auch für jene Organisationen, welche je nach Aufgabe und Rechtsstellung im Rahmen der arbeitsteiligen Wirtschaft Betriebe, Unternehmen, Vereine oder Stiftungen genannt werden. Die Informationsfunktion ergibt sich aus OR 958 I.

      Aus den Bestimmungen geht jedoch nicht klar hervor, an wen sich die Informationen des Jahresabschlusses richten. Die gesetzliche Pflicht zur Aufstellung eines Jahresabschlusses dient, wie im BGE 133 III 453 ausdrücklich hervorgehoben worden ist, primär der Selbstinformation der Unternehmensinhaber und -leiter über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ihrer Unternehmen. Gesetzliche Adressaten sind auch Aussenstehende: Aktionäre, Genossenschafter, Inhaber von Anleihensobligationen, übrige Gläubiger jedoch nur nach Vereinbarung (z. B. in einem Darlehens- oder Kreditvertrag) oder, auf Verlangen, sofern sie ein schutzwürdiges Interesse nachweisen (Drittinformation).

      Nachdem die kaufmännische Buchführung, vom Sonderfall der kleinen Unternehmen mit vereinfachter Buchhaltung abgesehen, von Gesetzes wegen auch die Ertragslage während des Geschäftsjahres darzustellen hat, sind Informationen über die Ertragslage in Form einer ausführlichen Erfolgsrechnung (OR 959a I) ebenfalls Bestandteil der Pflichtinformation. In den Rechnungslegungsnormen der EU (RL 2013/34, Art. 13) und IAS (IAS 1/81a) wird noch die sachlich unzutreffende Bezeichnung Gewinn- und Verlustrechnung (Statement of profit or loss) verwendet. Zur Entlastung des Zahlenwerkes von Bilanz und Erfolgsrechnung dienen die ergänzenden Angaben im Anhang.

      Die Informationsfunktion hängt eng mit der Funktion der Rechnungslegung als Führungsinstrument zusammen. Die Informationen aus dem Jahresabschluss dienen den Adressaten bei der Entscheidungsfindung (decisions making) von Risikokapitalgebern (Kauf, Halten oder Verkauf von an der Börse oder ausserbörslich gehandelten Aktien), von Gläubigern (Kreditwürdigkeit des Unternehmens) und nicht zuletzt auch der Unternehmensleitung (Investitions- und Finanzierungsprojekte, Bilanzstrukturmanagement).

      Aus der Sicht der Adressaten und ihrer unterschiedlichen Informationsbedürfnisse ist zu beachten, dass bei Ermittlung und Festlegung von Grössen des Jahresabschlusses trotz Regulierung im Rechnungslegungsrecht (OR 957-961d) ein erheblicher Ermessensspielraum besteht. So sind für den Jahresabschluss viele Schätzungen (Abschreibungsmethoden, Höhe der Rückstellungen, usw.) notwendig. Dies schränkt die Informationsfunktion beim Aufstellen des Jahresabschlusses ein.

      Deshalb wird in Abweichung der obligationenrechtlichen Vorschriften zur Verbesserung der Aussagekraft für den Einzel- und den Konzernabschluss in besonderen Fällen eine Aussage nach dem True and Fair View-Konzept verlangt.

      Rechenschafts- und Kontrollfunktion

      Für die nicht an der Geschäftsleitung beteiligten Streubesitz- oder Minderheitsaktionäre sowie die bezüglich der Mitwirkungsrechte von Aktionären gleichgestellten Gesellschafter einer GmbH (OR 805) kommt dem Jahresabschluss als Instrument der Rechenschaft eine zentrale Bedeutung zu. Sie haben Anspruch darauf, von der Unternehmensleitung zu erfahren, ob die ihr zur Verfügung gestellten Mittel optimal eingesetzt und eine angemessene Rendite erwirtschaftet hat. Bei Grossunternehmen mit einer erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung für einen breiteren Kreis von Anspruchsberechtigten wie Arbeitnehmern (Arbeitsplatzsicherheit), Lieferanten (Stabilität der Geschäftsbeziehung), öffentlichen Gemeinwesen (Steuereinnahmen) ist die Pflicht zur Rechenschaftsablegung zwar erwünscht, von Gesetzes wegen in der Schweiz jedoch nicht vorgeschrieben. Freiwillige Veröffentlichungen von nicht börsenkotierten Grossunternehmen sind jedoch äusserst selten.

      Gemäss einer bei einem mittelgrossen Unternehmen durchgeführten Umfrage wird die Rechenschaftsablage gegenüber den Anteilseignern als wichtige Funktion betrachtet.

      Ausschüttungsbemessungsfunktion

      Kapitalerhaltungsfunktion

      Die Ausschüttungsbemessungsfunktion wird zudem durch Ausschüttungssperrvorschriften bei Kapitalgesellschaften ergänzt (OR 671 ff., E 2014 OR 672). Sie hat deshalb auch eine Kapitalerhaltungsfunktion. In AG und GmbH soll durch einschränkende Vorschriften zur Gewinnverwendung und Kapitalrückzahlungen ein Reinvermögen in der Höhe des Aktienkapitals bzw. des Stammkapitals erhalten bleiben. Weil die Haftung der Unternehmenseigentümer gegenüber den Gläubigern je nach Rechtsform des Unternehmens unterschiedlich ausfällt, ist die Gestaltung der Kapitalerhaltungsfunktion von der Rechtsform des Unternehmens abhängig (Personen-Unternehmen, Kapital-Unternehmen, Genossenschaft).

      Steuerbemessungsfunktion