Roy Palmer

Seewölfe Paket 19


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ich für euch habe. Ihr braucht dazu einen Einmaster, aber den können wir hier in Punta Gorda leicht auftreiben, denke ich.“

      „Wir könnten die Pinasse von Dodger ausleihen“, sagte Sarraux. „Er benutzt sie sowieso nie und hockt nur immer in seinem Baumhaus.“

      „Ist die Pinasse seetüchtig?“ fragte die Queen.

      „Sie braucht nur ein bißchen kalfatert und gepönt zu werden“, entgegnete Nazario. „In einem halben Tag schaffen wir das.“

      „In Ordnung.“ Die Queen beugte sich vor und begann, ihnen ihr Vorhaben auseinanderzusetzen. Bald waren Sarraux und Nazario sich einig: Was sie auf Tortuga zu erledigen hatten, waren „kleine Fische“, sie würden kaum Schwierigkeiten dabei haben. Der Lohn war hoch: zwanzig Achterstücke, echte Goldmünzen aus Spanien, wenn alles klappte. Sie durften aber mit niemandem darüber sprechen, der Auftrag war geheim. Sarraux und Nazario legten einen Eid darauf ab. Sie setzten Verschwörermienen auf und sprachen die letzten Einzelheiten mit der Black Queen durch.

       4.

      Tage später lief die einmastige Pinasse mit Gilbert Sarraux und Joao Nazario an Bord in die Hafenbucht von Tortuga ein. Dodger, der merkwürdige Kauz, hatte das „Prachtschiff“, wie er es nannte, allerdings nicht ganz unentgeltlich herausgerückt. Zwei Silberlinge hatte er dafür von dem Bretonen und dem Portugiesen verlangt, und sie hatten sie zahlen müssen.

      Auf seine neugierigen Fragen hin hatten sie ihm vorgeschwindelt, daß sie „mal ein wenig in der Mona-Passage herumschnuppern“ wollten, um eventuell einen kleineren Handelsfahrer aufzubringen. Er hatte es ihnen abgenommen. Sonst ahnte in Punta Gorda niemand außer der Queen, was sie wirklich vorhatten. Zur Täuschung waren sie sogar zunächst auf östlichen Kurs gegangen und hatten erst später auf offener See und in ausreichender Entfernung vor dem frisch aus Osten einfallenden Wind Kurs auf Tortuga genommen.

      Frech und gottesfürchtig, mit unbekümmerten Mienen, legten die beiden also an einer freien Pier an. Hein Ropers, der an Bord der „Wappen von Kolberg“ gerade die Aufsicht über die Ankerwache führte, beobachtete die Pinasse und ihre Insassen, schöpfte aber keinen Verdacht und sah keinen Grund, Arne von Manteuffel und Oliver O’Brien zu verständigen.

      Sie befanden sich an Land und knüpften neue Kontakte – mit allen Leuten auf Tortuga, die sie noch nicht kannten. Diego unterstützte sie als Kontaktmann, und auch Willem Tomdijk und Carlos Rivero trugen ihren Teil zur Aufnahme neuer Verbindungen bei. Tortuga war für den Seewolf gewissermaßen ein Brückenkopf, und Arne wallte über alles unterrichtet sein, was hier geschah. Sicherlich hatte aber auch er die Landung der Pinasse verfolgt.

      Jeden Tag trafen kleinere Einmaster auf Tortuga ein. Die Besatzungen gingen an Land, boten Waren feil oder kauften Schiffsausrüstung ein, besorgten Proviant, Waffen oder Trinkwasser. Die meisten blieben nur ein oder zwei Tage, dann liefen sie – nach einem Umtrunk der Crew in der „Schildkröte“ – wieder aus.

      Diese Pinassen und Schaluppen boten keinen Anlaß zur Besorgnis. Das Leben verlief in den üblichen, gewohnten Bahnen. Solange keine Galeone, Karacke oder Karavelle auftauchte oder gar ein Verband von Schiffen, schien keine Gefahr zu drohen, weder von der Black Queen noch von irgendwelchen anderen Schnapphähnen oder von seiten der Spanier.

      Sarraux und Nazario betraten die „Schildkröte“, die ein gleichsam magischer Anziehungspunkt zu sein schien wie „El Escarabajo“ in Punta Gorda. Hafenkneipen waren Orte, in denen viele Fäden zusammenliefen, es wurde erzählt und gestritten, gemunkelt und gesponnen. Jeder Wirt wußte mehr über die Vergangenheit seiner Gäste als deren eigene Mütter. Wenn es etwas aufzuschnappen gab, dann waren der Bretone und der Portugiese hier am richtigen Platz.

      Arne von Manteuffel, O’Brien, Willem und Carlos hockten in einer Nische und lauschten den Berichten eines in Ehren ergrauten Seemanns, der am Vortag mit einer Schaluppe eingetroffen war. Der Mann stammte aus Northumbria nahe der Grenze von Schottland und hatte auf verschiedenen Schiffen nahezu die ganze Welt bereist. Was er vortrug, war interessant, aber es hatte nichts mit den Ereignissen in der Karibik zu tun. Im Grunde war er nur froh, jemanden gefunden zu haben, der ihm zuhörte.

      Arne hörte nur mit halben Ohr zu und musterte die beiden Männer, die zur Theke schritten und bei Diego Wein bestellten. Hatte er sie schon einmal irgendwo gesehen? Nein, er kannte sie nicht. Vorerst erregten sie nicht seinen Argwohn. Später würde sich herausstellen, wer sie waren und was sie hier suchten. Diego würde es ihm, Arne, schon sagen.

      Diego war bereits dabei, mit den beiden Männern ein Gespräch anzuknüpfen, von dem Arne, O’Brien, Willem, Carlos und der Seemann allerdings nur ein undeutliches Gemurmel verstanden.

      Diego unterzog die Thekenplatte einer symbolischen Reinigung und schielte dabei zu Sarraux und Nazario, die ihre Becher fast auf einen Zug leerten. Als er nachschenkte, fragte Diego mit scheinheiligem Grinsen: „Ihr seid wohl nicht von hier, was? Ich habe euch noch nie gesehen. Kommt ihr aus der Alten Welt?“

      „Das ja“, entgegnete Joao Nazario. „Aber wir waren seit einer Ewigkeit nicht mehr dort. Ich glaube, es ist schon fünfzehn Jahre her, daß ich meine Heimat nicht mehr gesehen habe.“

      „Du bist – Spanier?“ fragte Diego.

      „Portugiese. Joao Nazario ist mein Name.“

      „Nie gehört. Freut mich aber, dich kennenzulernen.“ Diego wischte sich mit der Hand über die Wange. „Also schön, ich gebe einen aus für euch beide. Ihr scheint ordentliche Kerle zu sein. Außerdem ist das bei Neulingen so üblich in der ‚Schildkröte‘.“ Er füllte wieder die Becher und trank selbst mit. „Zum Wohl. Wollt ihr vielleicht ein Fäßchen Wein kaufen?“

      „Darüber ließe sich reden“, sagte der Bretone und lachte. „Aber du hast uns deinen Namen noch nicht verraten.“

      „Diego.“

      „Ich bin Gilbert Sarraux“, sagte der Bretone. „Wir sind mit der Pinasse eingetroffen, die draußen an der Pier liegt. Zu dir können wir wohl ehrlich sein. Wir sind hier, um was zu erleben.“

      „Bei mir seid ihr an der richtigen Adresse“, sagte Diego. „Bei mir könnt ihr euer Herz ausschütten, ich bin darauf eingestellt, daß man bei mir Seelenkummer und jede Menge Schrott ablädt. Wo drückt denn der Schuh?“

      „Wir kommen von Hispaniola“, erklärte Nazario. „Wir führen da ein ziemlich einsames Leben als Ackerbauern. Die letzte Zuckerrohrernte hat uns ganz hübsch was eingebracht, darum sind wir mal rübergesegelt nach Tortuga, weil wir gehört haben, hier könne man die Mäuse auf dem Tisch tanzen lassen.“

      Diego kicherte und rieb sich die Hände. Er kehrte ganz den Geschäftsmann hervor, aber er verstand es auch, seine Gäste auszuhorchen. Nichts konnte seiner Aufmerksamkeit entgehen.

      „Wer hat euch denn erzählt, daß auf Tortuga was los sei?“ fragte er wie beiläufig.

      „Ein Kerl namens Larsky“, erwiderte Nazario aufs Geratewohl.

      „Den kenne ich auch nicht, aber das spielt keine Rolle. Ihr wollt euch hier also den Wind des aufregenden Nachtlebens um die Ohren wehen lassen?“

      „Richtig“, erwiderte Sarraux. „Du hast es genau erfaßt. Wo wir hausen, gibt es leider keinen einzigen Weiberrock.“

      Nazario hatte bereits die Mädchen entdeckt, die in den Nischen hockten.

      „Hier scheint das anders zu sein“, sagte er und deutete mit einer Kopfbewegung zu den Mädchen. „Sind das deine Frauen?“

      „Sie gehören mir nicht, aber sie fressen mir aus der Hand“, erwiderte Diego. „Das sind ganz allerliebste Täubchen, meine Freunde, sie stammen aus Paris und lassen jedes Männerherz höher schlagen. Ich meine, wenn ihr solche Absichten habt, läßt sich bestimmt etwas arrangieren.“ Ein gerissener Kuppler war er schon immer gewesen und fühlte sich ganz in seinem Element.

      „Das hängt ganz von der Bezahlung ab“, sagte Nazario.

      „Ihr