etwas von dem, wofür einst angetreten wurde. Aufgrund in der Vergangenheit waltender Lebensumstände hatte man sich davon entfernt. Im Mondknoten wird man daran erinnert.
Ein Beispiel: Eine Künstlerin malte bis zu ihrem siebenunddreißigsten Lebensjahr immer wieder schwebende, in der Luft gleitende Figuren. Etwas Leichtes, Elegantes, aber auch Unirdisches drückte sich darin aus. Mit siebenunddreißig Jahren und einem Monat hat sie aufgrund eines technischen Defekts an ihrem Auto einen Unfall. Sie kauft sich ein anderes Auto – als sie damit losfahren will, gerät es in Brand. Sie kann sich eben noch retten. Ihr künstlerisches Schaffen ist seit Monaten zunehmend gelähmt. Sie hat das Empfinden, nicht mehr malen zu können. Es fließt nicht mehr.
Besondere Kindheitsumstände haben dazu geführt, dass sie das Element der Aggression gar nicht kennt – an sich selbst nicht, und wenn es auf sie zukam, machte es sie ratlos. Sie blickte nur auf das Harmonische und Leichte. Anhand ihrer Bilder wurde in der Beratung deutlich, dass sie künstlerisch in eine Sackgasse geraten war. Es fehlte ihrer Malerei, aber auch ihrer Lebensführung das Element einer gesunden Aggression. Die destruktiven Vorfälle mit den beiden Autos und ähnliche Ereignisse zu Hause, zum Beispiel ein Wasserrohrbruch, konnten damit in einen Zusammenhang gebracht werden: Es zeigte sich, dass sich die in ihrem Leben und Schaffen bislang fehlende Aggression verselbständigt hatte und nun zunächst von außen – als technische Defekte – und »vom Schicksal« – als Schaffenslähmung – herrührend erlebt wurde. Dieses von jeder Aggression freie Leben und Schaffen spitzte sich zum Mondknoten hin so zu, dass deutlich wurde: Mit dieser Einseitigkeit kann es so nicht weitergehen.
Und die dazugehörige Aufforderung kam auch gleich hinterher: Genau in den Tagen des Mondknotens zettelte ein Nachbar einen Streit mit ihr wegen der Hofreinigung an. Entgegen ihrer früheren Gewohnheit reagierte sie nun nicht harmonisierend, sondern ließ sich auf den Streit ein, wurde anhaltend wütend und entfaltete einen dem Vorfall kaum angemessenen Zorn. Aus diesem Zorn heraus fing sie unvermittelt wieder zu malen an, und es gelangen ihr jetzt Figuren, die miteinander rangen – auch wenn sie noch erheblich schwebten. Auf den Vorschlag hin, den Figuren Erdenfestigkeit zu geben, versuchte sie es zunächst mit anderem Material. Sie schnitzte jetzt die Figuren, aber trotzdem fiel es ihr schwer – bildlich gesprochen –, sie auf die Erde zu bringen. Dann schraubte sie die Figuren am Werktisch fest! Sie versuchte es weiterhin mit Stein, lebte dabei aber nur eine ungerichtete Aggression aus. Schließlich malte sie wieder: Die Figuren waren in diesen Monaten fester und kräftiger geworden – nur im Blick hatten sie noch etwas sehnsüchtig Entschwebendes.
Sehr deutlich können sich auch die halben Mondknoten bemerkbar machen – neun Jahre und drei Monate. Besonders der erste Halbknoten bringt in vielen Biographien die erste Anknüpfung an die Geburtsimpulse – was subjektiv oft als bedeutsames Erlebnis erkannt wird. Der russische Maler Alexej Jawlensky stand im ersten Halbknoten zum ersten Mal vor einer Ikone, und zwar in dem Moment, als ein Vorhang davor bei Posaunenschall aufgerissen wurde. Er war wie vom Blitz getroffen und erkannte sofort, dass dieses Bild des plötzlich aufreißenden Vorhangs, der den Blick freigibt in die Welt des Geistig-Göttlichen, ihn zutiefst traf. Tatsächlich war dies später der wesentlichste und intimste Gehalt seiner zahlreichen Gesichter-Bilder: das Gesicht als Fenster zum Geistigen.5
So mag eine Frau mittleren Alters, ursprünglich Lehrerin, in die Gelegenheitsprostitution abgerutscht sein. Kurz nach ihrem neunten Geburtstag hatte ihr Vater mit Blick auf die ältere Schwester und deren uneheliches Kind zu ihr gesagt: »Hoffentlich wirst du nicht mal so eine.« Sie wurde so eine. – Wie sich später zeigte, hatte das als Zwischenschritt auch durchaus Sinn. Sie wurde im weiteren Verlauf Sozialarbeiterin und leitete ein Café für drogenabhängige Prostituierte. Aufgrund ihrer eigenen Geschichte besaß sie bei den Betroffenen unangefochtene Glaubwürdigkeit.
Der halbe Mondknoten entspricht der in der Waldorfpädagogik »Rubikon« genannten Entwicklungsstufe. Sie interessiert hier nicht unter pädagogischen, sondern unter biographischen Aspekten. Das Rubikon-Alter ist ebenfalls eine Phase der Reinigung und des Verlustes: Das Kind verliert hier erstmals den selbstverständlichen, unmittelbaren Zusammenhang mit seiner nächsten Umgebung. Eltern und auch die Person des Lehrers werden plötzlich kritisch und distanziert gesehen. Das Unmittelbare der Kindheit wird nun abgelegt. Und als Neues, in die Zukunft Zeigendes tritt durch äußere Ereignisse oder innere Vorgänge – die, wenn man sie zurückverfolgt, auch auf äußere Eindrücke zurückgehen – etwas von den eigenen Lebenszielen in Erscheinung. Dies muss nicht die Deutlichkeit haben wie bei Heinrich Schliemann, der mit neun Jahren den Entschluss fasste, Troja und Mykene auszugraben. Oft erkennt man erst hinterher, dass in dieser Zeit eigene Lebensziele oder der künftige »rote Faden« in Erscheinung getreten sind.
Der erste Halbknoten kann auch mit der Verarbeitung einer schweren Krankheit durchlaufen werden, durch die das Ich danach wie freigesetzt, eigentlich erst zu sich gekommen wirkt. So erkrankte Novalis, bis dahin träumerisch und verhangen, im Alter von neun Jahren. Danach aber war er geistig wach und hatte ein Erkenntniserlebnis des Höheren Ich, das, in die Anschauung zu bringen, später Streben und Inhalt seiner Dichtung wurde. Ähnliches lässt sich häufig finden: Eine Krankheit im neunten Lebensjahr setzt zwei Bewusstseinszustände voneinander ab, und der Betroffene macht damit einen entscheidenden Individualisierungsschritt.
Lebensmotive können im neunten Lebensjahr aufklingen – aber wie auch beim vollen Mondknoten stellt sich dies zumeist als äußeres Ereignis, zumindest als von außen verursachtes Erlebnis dar. So hörte Strawinsky mit neun Jahren zum ersten Mal ein Konzert und war tief berührt – ohne dass er damals schon beschlossen hätte, Komponist zu werden. In derselben Zeit traf er seine spätere Frau. – Auf diese Weise können auch die späteren halben Mondknoten durch eine Begegnung mit dem eigenen Wesenskern geprägt sein, mit eigenen Lebensmotiven. Eine siebenundzwanzigeinhalbjährige Studentin begegnet auf einem Fest einem Brasilianer. Sie ist tief beeindruckt, nicht so sehr von ihm als Person, vielmehr als Botschafter einer ganz anderen Welt. Sie sieht ihn nie wieder, aber Jahre später erhält sie die Anfrage, ob sie bereit wäre, in Brasilien ein Krankenhaus mit aufzubauen – sie war inzwischen Ärztin geworden. Ihre zweite Lebenshälfte lebt und arbeitet sie dort.
Das zwölfte Lebensjahr und der Zwölfer-Rhythmus
Die Zahl Zwölf steht für Vollständigkeit. Etwas schließt sich zur Einheit, was bis dahin nur in verschiedenen Fragmenten anwesend war. Die Zwölf ist eine Zahl der Abrundung und des gegenseitigen Ausgleichs von Einseitigkeiten. Der erste Zwölfer-Punkt, kurz vor der Pubertät, schließt die Kindheit ab. Die weiteren Zwölfer-Punkte können durch innere Entwicklungsgänge das Fruchtbarwerden des bisher Erlebten bringen. Ideale können hier erstmals oder wieder auftauchen, Sehnsüchte, deren Streben dann in die weitere Zukunft führt. Sozusagen der geistige Gehalt des bisher Erlebten verdichtet sich zu einem Ideal, und zwar in sehr willensbetonter Weise.
Man findet den Zwölfer-Rhythmus als fortlaufende Struktur selten. Deutlich tritt er auf im Lebensgang der französischen Bildhauerin Camille Claudel. Bei ihr waren durch den Zwölfer-Rhythmus Lebensereignisse aufeinander bezogen, die ihr großes und sehr willenshaft verfolgtes Ideal der Überwindung einseitiger Männlichkeit und Weiblichkeit berührten. Sie wollte in ihrer seelischen Haltung und als Künstlerin beides sein können.6
Der Fünfer- und der Zehner-Rhythmus
In manchen zeitgenössischen Biographien findet sich ein Fünferbeziehungsweise Zehner-Rhythmus. Die Fünf steht für die Polarität der Geschlechter, sie ist eine Krisenzahl. Entsprechend kann sie die Entwicklung einer Beziehung in der Zeit strukturieren. – Auch in der Natur kommt die Zahl Fünf im Zusammenhang mit der Geschlechtertrennung vor. So haben manche Blüten zum Beispiel fünf Blätter. Dagegen erscheint die Fünf im Mineralreich, das keine Geschlechtertrennung kennt, nicht.
Die Zahl Zehn ist bezüglich der Fünf, der Zahl der Geschlechtertrennung, die Zahl der Ehe, die Zahl der Einheit der Geschlechter im Irdischen. So finden wir Ehen, die an Fünfer-Punkten in eine tiefe Krise geraten, an Zehner-Punkten aber zur Versöhnung finden. Dabei sind die Fünferbeziehungsweise Zehner-Schritte ab dem Zeitpunkt des Kennenlernens der späteren Ehepartner zu rechnen, und die entsprechenden Ereignisse – Krise oder Versöhnung