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Psychosoziale Beratung


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Einfluss auf die Entwicklung der Beratung. »(…) In der Berufs-(Eingangs-)Beratung der Arbeitsämter haben im Laufe der Jahrzehnte klientenzentrierte, psychodynamische, entwicklungsbezogene und behavioristisch orientierte Modelle Eingang in das Methodenrepertoire gefunden« (Thiel 2007, 912).

      Eheberatung besteht auch nach dem Zweiten Weltkrieg fort. Neue Institutionen werden gegründet. Die Beratung wird zunehmend in einer Einrichtung »verbunden mit Familien- und Lebensberatung oder Erziehungsberatung« (Struck 2007, 1019) angeboten. Nach Struck handelt es sich um eine psychologische Beratung, in die u. a. auch psychotherapeutische Methoden einfließen (a. a. O.). Auch Sexualberatung wird wieder angeboten. »Der Kampf der zweiten Frauenbewegung gegen das Abtreibungsverbot führte (…) zur Gründung von Pro Familia und der Einrichtung von Sexual- und Schwangerschaftsberatungsstellen (…)« (Großmaß 1997, 121; Großmaß 2000, 65). Pro Familia wird 1952 gegründet und »(…) versteht sich historisch als Nachfolgerin der Sexualberatungsstellen in der Weimarer Republik und der Gesellschaft für Sexualreform« (Gröning 2010, 109). Eine der wichtigsten Neuerungen dieser Beratungsstellen ist das Angebot der Schwangerschaftskonfliktberatung. Eigentlich ist es ein Grundpfeiler jeder psychosozialen Beratung, dass sie freiwillig in Anspruch genommen wird (Großmaß 1997). Schwangerschaftskonfliktberatung jedoch wird seit 1976 nach §§ 218ff. Strafgesetzbuch vorgeschrieben, bevor ein Arzt straffrei einen Abbruch vornehmen darf. Auch die Schwangerschaftskonfliktberatung ist das Ergebnis der Frauenbewegung (Großmaß 2000; Koschorke 2007), ein Balanceversuch zwischen dem Recht der Frau auf ein selbstbestimmtes Leben und dem Recht des Kindes auf Leben. Nach Koschorke handelt es sich um »fachlich-psychologische Beratung«, die »ein Stück Sozialberatung einschließen« (beide Koschorke 2007, 1113) kann. Die Informationspflicht und der Hinweis auf weiterführende Hilfen sind dabei rechtlich genau geregelt (a. a. O.).

      Erziehungsberatung wird wieder von freien Trägern angeboten (Abel 1998). Sie orientiert sich ab 1950 am amerikanischen Vorbild der Child-Guidance-Clinics mit klinischem, heilkundlichem Blick auf die Bedürfnisse der Beratenen. Die Mitarbeiter der Einrichtungen werden in festen Teams aus Sozialarbeitern/Sozialarbeiterinnen, Ärzten/Ärztinnen und Psychologen/Psychologinnen gebildet. Dabei steht Diagnostik weiterhin im Fokus. Die restliche Kapazität reicht nur teilweise, um auch Beratung und Therapie anzubieten. Oft werden Ratsuchende nach der Diagnostik an andere Hilfesysteme weitervermittelt (Hundsalz 2001; Hundsalz 2006; Abel 1998; Geib et al. 1994). Die neuen Ziele sind »1. die Anpassung von Kindern und Jugendlichen an ihre jeweilige Umwelt (…) und 2. die Förderung und Unterstützung der Persönlichkeitsentwicklung« (Abel 1998, 39f.). Ab Mitte der 1960er Jahre verschiebt sich die Ausrichtung der Erziehungsberatung wie in den anderen Beratungsfeldern. Sie verändert ihr Angebot von einer eher diagnostischen, feststellenden Orientierung zu einer zunehmend psychotherapeutischen und beratenden. Das Beratungsgespräch als solches ist nicht mehr nur informativ, sondern richtet sich am psychotherapeutischen Vorbild aus. Mehr und mehr Psychologen arbeiten in den Beratungsstellen (vgl. Keupp 1998; Schröder 2007; Abel 1998). Der psychotherapeutische Boom ist in der Erziehungsberatung besonders prägend, sodass der Deutsche Bundestag 1980 dies sogar als »Gefahr« (Deutscher Bundestag 1980, 180) wahrnimmt, weil andere Hilfen hierdurch keine Berücksichtigung mehr fänden.

      1.1.5 1990er Jahre bis heute

      Die zweite Gründungsphase mit massivem Ausbau an Beratungsstellen ist vorüber, auch wenn weiterhin nach Bedarf neue Beratungsfelder entstehen. Wichtiger für die weitere Entwicklung der Beratungslandschaft ist das methodische Verständnis von Beratung. Dies wird u. a. stark geprägt durch das 1999 in Kraft tretende Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Es grenzt heilkundliche Psychotherapie von anderer Therapie ab, wie sie in Beratungsstellen angeboten werde. »Dies gilt (…) (u. a.) für Maßnahmen, die ausschließlich zur beruflichen Anpassung oder zur Berufsförderung bestimmt sind, für Erziehungsberatung, Sexualberatung (…)« (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Durchführung der Psychotherapie) und jedes andere Beratungsangebot außerhalb der Heilkunde. Auch sind die in den letzten Jahrzehnten in Beratungsstellen erprobten Therapierichtungen mittlerweile gut etabliert. Daher sind Beratungsstellen »(…) nicht mehr das Experimentierfeld für psychotherapeutische Innovationen« (Großmaß 2000, 27f., Hervorhebungen im Original). In Folge dessen wird die sehr therapienahe Sichtweise auf Beratung relativiert, obwohl die Abgrenzung von Beratung und Therapie bis heute schwerfällt (Großmaß 2000; Engel 2003; Schröder 2007). Neben einem »nur« psychotherapeutischen Modell oder einem »nur« informativen plädieren Nestmann und Engel 2002 für ein integratives Modell, das offen ist für verschiedenste Konzepte der Beratung. 2013 sprechen sie schon von einer mittlerweile etablierten »poly-eklektischen Praxis« (Nestmann, Engel & Sickendiek 2013, 1328, Hervorhebungen im Original), die sich herausgebildet habe, und von »vier Grundpfeilern (,) der Information und des Wissenstransfers, der Prävention und Vorsorge, der Bewältigungshilfe und Rehabilitationsunterstützung wie der Entwicklungsförderung und Ressourcenstärkung« (a. a. O., 1338), die heutige Beratungsarbeit ausmachen.

      Das Berufsberatungsmonopol des Staates wird seit 1979 nach und nach für einzelne Personengruppen aufgeweicht und 1998 durch das Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) zur Arbeitsförderung komplett aufgehoben (Haas 2002). »Es hat sich deshalb so lange halten können, weil der Gesetzgeber die schutzbedürftigen Belange vor allem der jugendlichen Berufswähler sichern wollte (…)« (Thiel 2007, 908f.). Im neuen Gesetz wird Berufsberatung traditionell formuliert als »Erteilung von Auskunft und Rat« (§ 30 S.1 SGB III), was nach Thiel »antiquiert« (Thiel 2007, 909) sei. Die Beratungskonzeption der Bundesagentur für Arbeit vermittelt, wenn auch Information im Fokus steht, einen psychosozialen Zugang zur Berufsberatung (Rübner & Sprengard 2011). Seit Aufhebung des Monopols gibt es immer mehr Angebote gewerblicher Anbieter und gemeinnütziger freier Träger. Ihre Arbeitsweisen sind sehr vielfältig. »Auf dem nicht staatlichen, ›freien‹ Markt ist der Methodenvielfalt keine Grenze gesetzt (…)« (Thiel 2007, 912; Gröning 2009). Zudem »(…) fehlt im neuen Gesetz jegliche Regelung des Zugangs zu(m) (…) Beruf: Jeder darf sich ›Berufsberater‹ nennen« (Haas 2002, 8). Hieraus ergeben sich unterschiedlichste Menschenbilder zu den zu Beratenen und Selbstbilder zu den Beratenden (a. a. O.). Aus der Historie heraus bleibt der Staat mit der Bundesagentur für Arbeit jedoch der größte Anbieter von Berufsberatung (Deutscher Verband für Bildungs- und Berufsberatung e. V. o. J.).

      Sexual- und Eheberatung arbeiten weiterhin in meist freier Trägerschaft und mit jeweils den Methoden, die für den individuellen Beratungsfall am hilfreichsten sind. »Die Mittel der (Ehe-)Beratung sind teils etablierten wie neueren Verfahren der Psychotherapie entlehnt, teils eigenständig aus unterschiedlichen humanwissenschaftlichen Grundannahmen entworfen und weiterentwickelt worden« (Struck 2007, 1020).

      Entgegen vorheriger »heilkundliche(r) Verankerung« (s. o.) wird Erziehungsberatung mit dem Sozialgesetzbuch (SGB) Achtes Buch (VIII) zum Kinder- und Jugendhilferecht 1990/91 klar der Kinder- und Jugendhilfe zugeordnet (vgl. Hundsalz 2001). Nach dem nun zuständigen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend werden die Aufgaben 1999 beschrieben als »psychologische und psychosoziale Diagnostik«, »informatorische Beratung«, »soziale und psychologische Beratung sowie psychotherapeutische Interventionen«, »Arbeit mit dem sozialen Umfeld« und »pädagogische Hilfen« (alle Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ 1999, 18). Aus den rechtlichen Möglichkeiten des neuen Gesetzes heraus können die einzelnen Beratungseinrichtungen aus einer Fülle unterschiedlichster Methoden und Interventionen schöpfen (de la Motte 2015). Das jeweilige individuelle Beratungsangebot einer Beratungsstelle ist ebenfalls stark vom regionalen Bedarf abhängig (Hundsalz 2001).

      1.1.6 Resümee und Ausblick

      Die in diesem Kapitel vorgenommene Zeiteinteilung wird gewählt, weil damit vier Entwicklungsphasen voneinander getrennt wahrgenommen werden können, die letztendlich aufeinander aufbauen. Die erste Zeitspanne beinhaltet auch die erste Gründungsphase, in der sich erstmalig Beratungsstellen herausbilden. Die Einrichtungen vermitteln Wissen und Informationen, die zum Teil auf einer Form von Diagnostik basieren. Diese Entwicklungsphase wird durch die Zeit des Nationalsozialismus unterbrochen, innerhalb derer bestehende Beratungsstellen verboten oder nach den Zielen des »Dritten Reichs«