von Bedürfnissen sind schwierig – gerade auch bei Säuglingen und Kleinkindern, die sich noch nicht äußern können. Die Bedürfnisstrukturen können bei der Analyse von Situationen helfen, problematische Alltagsroutinen zu hinterfragen und mehrere Handlungsalternativen zu erwägen.
Wenn ein Säugling oder Kleinkind weint, ist die Ursache dafür zunächst meist unklar: Hat es Hunger oder Durst, ist die Windel gefüllt, hat es Bauchschmerzen? Diese Gründe würden auf physische Grundbedürfnisse hinweisen. Das Kind kann aber auch durch eine Situation erschreckt worden sein und Angst haben, es kann über das Nichtgelingen eines Vorhabens wütend sein, sich aus einer Gruppe ausgeschlossen fühlen, soziale Nähe suchen, Beachtung von anderen wünschen etc. Damit wäre letztlich eine Vielzahl der Bedürfnisse betroffen.
Jede Ursache verlangt eine andere Bedürfnisbefriedigung. Wird den Kindern immer zuerst Essen angeboten (
In der Diskussion um Essen und Ernährung wird oft nur der physische Bedarf thematisiert. Dabei wird ausgeblendet, dass von Geburt an Fütter- und Esssituationen idealtypisch immer die Befriedigung mehrerer Bedürfnisse beinhalten:
• Als physische Grundbedürfnisse werden Hunger und Durst gestillt, bei Füttersituationen kann zugleich die körperliche Nähe (z. B. auf dem Schoß) wärmen und Sicherheit geben.
• Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit sowie Autonomie und Selbstbestimmung ist für Kinder möglich, wenn ihr Hunger erkannt und ernst genommen wird, Präferenzen und Aversionen akzeptiert werden oder das selbstständige Essen gefördert wird.
• Der gemeinsame Esstisch, das Teilen der Nahrung, die gegenseitige Unterstützung etc. bieten die Erfahrung von sozialer Eingebundenheit und Zugehörigkeit.
Die Analyse und Befriedigung von Bedürfnissen setzt eine gute Beobachtung und Responsivität voraus (Gutknecht, 2015b; Gutknecht & Höhn, 2017;
2.3.4 Mögliches Verhältnis der Bedürfnisse untereinander und zu Motiven
Unterschiedliche Bedürfnisse treffen im Leben der Menschen aufeinander und können nicht nur neben-, sondern auch gegeneinanderstehen. Autonomie kann soziale Integration, die Suche nach sozialer Anerkennung und die Sorge um die eigene Gesundheit erschweren oder ausschließen. Menschen haben unterschiedliche Wege, mit solchen Konflikten umzugehen, wie z. B. Aufschub, Verlagerung, Ersatzbefriedigung oder »Verdrängung« (vgl. Grunert, 1993, S. 39 ff.; Holodynski & Oerter, 2018).
Wie im Zusammenhang mit der Selbstregulation der Emotionen angesprochen, ist es in keiner Kultur möglich, alle Bedürfnisse sofort, angemessen und gleichermaßen zu befriedigen. Daher sind Regulationen wie Aufschub, Verlagerung, Ersatzbefriedigung oder »Verdrängung« zunächst neutral zu bewerten. Kinder müssen sogar lernen, Wege für sich zu finden, damit umzugehen, dass Bedürfnisse nicht immer alle zugleich befriedigt werden können. Im Alltag geht es dabei meist um den Bedürfnisaufschub, wenn das Kind z. B. beim Essen warten muss oder darauf, dass andere Zeit haben, sich um es zu kümmern. Beim Essen wird diese Bereitschaft in zwei Bereichen besonders wichtig: Zum einen wird nach der Säuglingsphase die gemeinsame Mahlzeit zum »Platz des Essens«. Das gemeinsame Mahl verlangt, dass sich alle mit ihrem Essbedürfnis einer gemeinsamen Zeit und Struktur anpassen (
Nach Holodynski (2009), auf dessen Ausführungen im Wesentlichen Bezug genommen wird, ist bislang unbestritten, dass Motive (1) positiv bewertete Zielzustände einer Person sind, die (2) zu einem gegebenen Zeitpunkt bei einer Person unterschiedlich stark aktiviert sind und (3) die selektive Wahrnehmung motivspezifischer Zielzustände befördern. Noch umstritten ist u. a., ob (4) Motive durch eine motivspezifische Emotion markiert sind.
Bedürfnisse drücken hingegen (1) einen Mangel aus. Der zur Beseitigung des Mangels dienende »Zielzustand« muss definiert werden, unterliegt also schon einer Interpretation und einer Wertung. Wie Motive können Bedürfnisse (2) unterschiedlich stark aktiviert sein. Dies wird u. a. bedeutsam, wenn mehrere sich widersprechende Bedürfnisse befriedigt werden müssen. (3) Auch für Bedürfnisse gilt, dass sie die Wahrnehmung sehr selektiv steuern können.
Säuglinge sind mit vier psychogenen Motivsystemen ausgestattet (Holodynski, 2009):
• Bindung (
• Neugier (
• Leidvermeidung
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