Frederik Weinert

Hexendoktor, Sniper oder Sexgöttin


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in das Unterhaltungsmilieu. Unterhaltung ist ein wichtiger Motor der Sozialen Medien, natürlich neben der perfekten Selbstdarstellung.

      Fans und Follower folgen den digitalen Stars, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen. An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf die Bedürfnispyramide nach Maslow. Soziale Bedürfnisse, Selbstverwirklichung und Individualbedürfnisse wie Anerkennung und Geltung können in den Sozialen Medien gestillt werden.

      Wenn ich als normaler Mensch auf Facebook und Instagram unterwegs bin, dort Prominenten folge und von ihnen beachtet und vielleicht sogar in einem öffentlichen Kommentar gegrüßt werde, fühle ich mich geehrt. Das klingt vielleicht ein wenig abstrus, doch wenn wir beim Einkaufen im Supermarkt vom Bürgermeister oder hiesigen Abgeordneten mit Namen gegrüßt werden und andere Menschen das mitbekommen, stellt sich ein ähnlicher Effekt ein, der das Ego streichelt.

      Der tägliche Kontakt zu Influencern in den Sozialen Medien gibt vielen Menschen ein gutes Gefühl, denn sie empfinden die Beziehung nach einer gewissen Zeit als freundschaftlich. Auf diese Weise entsteht eine enge soziale Bindung, die für das Influencer-Marketing optimal ist.

      Im Alltag fragen wir oft unsere Freunde, ob eine Auto-, Elektronikoder Waschmaschinenmarke gut ist. Freunden gibt man laut Fernsehwerbung eben nicht nur ein Küsschen – man vertraut ihnen und nimmt Kaufempfehlungen dankend an!

      Das sollten Sie wissen!

      Influencer-Marketing ist auch immer Word-of-Mouth-Marketing (WOM). Das heißt: Influencer empfehlen Produkte und Dienstleistungen auf authentische und glaubwürdige Weise weiter. Die Community der Influencer nimmt diese Empfehlungen an und kauft ein. Es handelt sich in diesem Fall also um höchst effektives Empfehlungsmarketing.

       Corporate Identity muss zusammenpassen

      Der Soziologe Gerhard Schulze weiß, dass die Angleichung oder Distanzierung im sozialen Miteinander wichtig ist, damit sich Menschen gegenseitig einordnen können.5 Auf diese Weise erzeugen wir Wirklichkeitsmodelle und letztendlich auch unsere eigene Identität.

      Es gibt viele Eigenschaften, die es uns erlauben, unsere Mitmenschen zu beschreiben: geizig, spießig, lustig, affektiert, launisch, hilfsbereit, unkompliziert, tierlieb, technokratisch, berechnend, naiv, intelligent, leidenschaftlich, verrückt, mutig, pragmatisch. Die Liste lässt sich beliebig erweitern. Einige Adjektive treffen auf uns selbst zu, andere (glücklicherweise) nicht. Wir wissen, wer wir sind, und wir glauben zu wissen, wer zu uns passt.

      Singles müssen sich oft die Frage gefallen lassen, wie die Traumfrau oder der Traummann denn sein sollten. Genannt werden dann meist Charakterzüge wie ehrlich, humorvoll und treu. Die geistreiche Doktorin der Philosophie sucht keinen draufgängerischen Macho. Der grillfreudige und bodenständige Landmensch möchte keine Frau kennenlernen, die sich ausschließlich vegan ernährt und auf Luxusurlaube steht. Gleich und gleich gesellt sich gern, das gilt auch und vor allem für die Kooperation mit Influencern in der Wirtschaft.

      Das sollten Sie wissen!

      Die Identität des Unternehmens – die Corporate Identity (CI) – muss zur CI des Influencers passen. Nur dann macht eine Zusammenarbeit Sinn!

       Stärken und Schwächen

      So einzigartig und unterschiedlich unsere Mitmenschen sind, so mannigfaltig sind auch die erfolgreichen Influencer in ihren Charakterzügen und Verhaltensweisen. Viele Influencer sind sich gar nicht bewusst, welches Image sie haben. Ohnehin gilt oftmals die Faustregel, lieber irgendein Image zu haben als gar keins. Denn in den Sozialen Medien ist es wichtig, dass über einen gesprochen wird. Es geht um die tagtägliche Präsenz in den Sozialen Medien und Kommentarspalten – egal mit welchen Mitteln!

      In der linguistischen Pragmatik geht es um die Absicht und Wirkung von kommunikativen Äußerungen. Vor allem die Wirkung, wir Linguisten sprechen im Fachjargon von Perlokution, steht im Vordergrund, denn sie entscheidet über die Konsequenzen einer kommunikativen Handlung. Kein Unternehmen möchte mit einem Influencer zusammenarbeiten, der schädliche Postings und unpassende Bilder raushaut, andere User in den Kommentaren beleidigt und geschmacklosen Content (z.B. in Bezug auf Politik, die Corona-Krise und Religion) veröffentlicht.

      Wie jeder Mensch hat auch jeder Influencer seine Stärken und Schwächen. Einige Influencer sehen klasse aus und schreiben wunderschöne Texte, haben allerdings keine angenehme Sprechstimme. Andere Influencer wiederum eignen sich für schrille Werbebotschaften, weil sie sich in den Sozialen Medien exzentrisch und teils abgedreht inszenieren. Für eine knallbunte Pudding-Marke mag das in Ordnung sein, für seriöse Marken wie Gilette, Pelikan und Siemens, die ein sehr gutes Image genießen6, allerdings nicht.

       Prädominante Eigenschaften

      Schnell wird klar, dass es verschiedene Influencertypen gibt. Sie sind in verschiedenen Bereichen stark und kompetent und besitzen bestimmte Eigenschaften, die prädominant und prototypisch sind. Die Prototypentheorie besagt, dass Tiere, Menschen und Dinge für eine bestimmte Kategorie besonders typisch sind.

      Für die Kategorie „Obst“ sind Äpfel typischer als Wassermelonen. Für die Kategorie „Vögel“ sind Rotkehlchen typischer als Hühner. Für die Kategorie „Verbrechen“ ist Mord typischer als die Landstreicherei. All diese Ergebnisse sind wissenschaftlich verifiziert.7

      Prototypen sind also besonders zentrale Vertreter einer Kategorie. Ziel dieser Lektüre ist es, die verschiedenen Typen von Influencern zu kategorisieren, damit Sie als Unternehmer die prototypischen Influencer jeder Kategorie nach wenigen Minuten erkennen. Diese Typologie ist praxistauglich und zielführend, damit Ihnen das Influencer-Marketing mit dem damit einhergehenden Imagetransfer gelingt.

      Den Influencer-Kategorien „Hexendoktor“, „Sniper“ und „Sexgöttin“ können ganz bestimmte Social-Media-Stars zugeordnet werden, die Sie in der Praxis sofort erkennen, zuordnen und strategisch einschätzen können.

      Das ist mir ein großes Anliegen. Deshalb habe ich mich für einprägsame Bilder entschieden. Sie lassen sich nicht nur leicht merken, sie sind auch psychologisch bewiesen und in unserer Kultur fest verankert.

       1.3Griff in die Psychokiste

      Die Erforschung menschlicher Verhaltensweisen hat immer mit Psychologie zu tun. Influencer sind zwar Marken mit einem Markenimage, doch letztendlich handelt es sich auch nur um Menschen, die sich in den Sozialen Medien halt entsprechend strategisch inszenieren.

      Doch bei aller Strategie ist es wichtig, dass die Menschlichkeit bewahrt bleibt, denn nur dann werden Glaubwürdigkeit und Vertrauen aufgebaut. Es entsteht eine starke und eingeschworene Community, die vollkommen hinter dem Influencer steht, ihn sogar als echten Freund betrachtet, für den man alles tun würde.

      Influencer mit einer solchen Community sind für Unternehmen extrem wertvoll. Achten Sie also darauf, dass der Influencer mit seiner Community empathisch und freundschaftlich agiert und kommuniziert.

      Das sollten Sie wissen!

      Qualität schlägt Quantität. Influencer sind keine Influencer, nur weil sie sich selbst so nennen. Es genügt nämlich nicht, 100.000 Abonnenten zu haben. Abonnenten lassen sich problemlos kaufen, Likes ebenso. Entscheidend ist eine aktive Community, die sich nicht nur mit dem Influencer, sondern auch untereinander aktiv austauscht. Gerade für kleine Unternehmen aus dem Mittelstand macht es Sinn, mit Micro-Influencern zusammenzuarbeiten. Das sind zwar nicht die glamourösen Stars der Szene, doch sie pflegen eine sehr enge Beziehung zu ihren Fans und sind deshalb besonders glaubwürdig und wertvoll.

       Parasoziale Interaktion

      Immer wieder ist in den Zeitungen zu lesen, dass sich Männer über das Internet Hals über Kopf