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Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941


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„Prozeß der Selbstradikalisierung“ wirkten viele mit: Hitler in der „Rolle des Antreibers und Scharfmachers“, als Legitimationsinstanz und als der „unerläßliche ideologische Motor der Vernichtungspolitik“; Himmler und Heydrich als Hauptakteure bei dem Versuch, „das Millenium noch zu Lebzeiten des Diktators in die Wirklichkeit umzusetzen“; die mordbereiten, um die höchsten Exekutionszahlen wetteifernden Einheitsführer; die nationalkonservative Oberschicht aufgrund ihres verwurzelten Antisemitismus und ihrer „Disposition zur Akzeptanz von antijüdischen Teilzielen des Regimes“; Verwaltungsbürokraten mit ihrem Perfektionsstreben bei der praktischen Umsetzung ideologischer Vorgaben des Regimes – und eben auch die breitere Bevölkerung in Deutschland wie in den Besatzungsgebieten, indem sie die soziale Segregation und Stigmatisierung des jüdischen Bevölkerungsteils stillschweigend oder aktiv hinnahm.119

      Zu den Herausforderungen, mit denen sich die Herausgeber im Lauf des Projekts konfrontiert sahen, gehörten die Disparität des Berichteten, die quälende Penetranz und Ausführlichkeit, mit der relativ Triviales, oft Obskures und nicht Nachprüfbares die enormen, meist nicht mehr als ein paar Zeilen einnehmenden und auf bloße Zahleninformation reduzierten Exekutionsmeldungen gleichsam erdrückt. Das eklatante Ungleichgewicht zwischen dem lang und breit rapportierten Banalen einerseits und dem quantifizierten, aber nicht näher ausgeführten Unglaublichen andererseits macht die EM zu einer problematischen, trotz ihrer scheinbaren Homogenität überaus schwierigen Quelle. Mehr noch als andere Überlieferungen wirft sie methodisch-praktische Fragen auf, für die es keine eindeutige Antwort gibt: Wieviel Zusatzinformation ist zum Verständnis der Berichte nötig, ohne die Quellen in den Hintergrund treten zu lassen oder die Edition zu überfrachten? Wo reicht der Hinweis auf weiterführende Publikationen und an welchen Stellen bedarf es detaillierter Informationen zu Ereignissen, Personen und Komplementärquellen? Erfordern die ideologisch verzerrten Meinungsäußerungen in den Meldungen nicht ein Korrektiv oder zumindest eine Kommentierung in Gestalt eines einheitlich in die Tiefe gehenden Anmerkungsapparats? Welche zusätzlichen Quellen müssen oder sollten herangezogen werden, gerade was die Richtigstellung oder Ergänzung der Angaben zu Massenmorden und anderen Verbrechen der Einsatzgruppen angeht?

      Um die Edition konzeptionell und in ihrem Umfang in vertretbaren Grenzen zu halten, vor allem aber um der Reduktion der gegen die Juden gerichteten Gewaltmaßnahmen in den Meldungen auf bloße Zahlen und Scheinbegründungen entgegenzuwirken, haben sich die Herausgeber für eine Kontextualisierung entschieden, die den historisch relevanten Ereignissen mit dem Holocaust an erster Stelle Vorrang einräumt. Konkret heißt dies: Dokumentation aller verfügbaren EM und deren thematisch ausgewählte Kommentierung, Korrektur und Ergänzung mit relevanten Komplementärquellen. Die Edition beschränkt sich nicht darauf, bloß ‚wichtige‘ Teile der EM zu präsentieren, sondern bietet den Gesamttext. Die Annotation erfolgt dagegen selektiv mit einem eindeutigen Schwerpunkt auf der deutschen Vernichtungspolitik. Ergänzendes Aktenmaterial, etwa aus osteuropäischen, insbesondere ehemals sowjetischen Archiven, kann – gerade für den Zeitraum nach der Schaffung von BdS- und KdS-Dienststellen in den zivilverwalteten Teilen des Besatzungsgebietes – Lücken schließen helfen. Doch belegt der anhand der Tagebuchnummern im Briefkopf der überlieferten Dokumente erkennbare Umfang des Schriftverkehrs, daß ein Großteil der Einsatzgruppenüberlieferung entweder vernichtet wurde, verloren ging oder noch der Entdeckung harrt.120 Vom unmittelbaren Schriftverkehr der Kommandos ist fast nichts erhalten geblieben. Die vom britischen Geheimdienst abgefangenen Nachrichtenübermittlungen sind erst seit relativ kurzer Zeit für die Forschung zugänglich, bieten jedoch gleichwohl lediglich Splitter. Auch Nachkriegsermittlungen der deutschen Staatsanwaltschaften helfen hier kaum, denn neben Zeugenaussagen und den in der Regel hochproblematischen Aussagen der Beschuldigten enthalten sie nur selten zeitgenössische Dokumente der betreffenden Einheiten. Trotzdem darf angenommen werden, daß in Zukunft noch weitere Quellen der Einsatzgruppen in Archiven oder Privatnachlässen auftauchen werden.

      Auch zur Schreibweise und zum Umgang mit offensichtlichen Fehlern sind einige Bemerkungen nötig. Die uneinheitliche Orthographie wurde belassen, allerdings mit einer Ausnahme: Ging es um die Unterscheidung zwischen „Maß“ und „Masse“, wurde dies durch entsprechende Korrekturen kenntlich gemacht. Auch sinnentstellende Schreibfehler, die zweifelsfrei erkennbar waren, fielen einer stillschweigenden Verbesserung zum Opfer. So ist eine „Verbüßung von Sprengstoffattentaten“ blanker Unsinn, da natürlich „Verübung“ gemeint ist. Dasselbe gilt auch für einen geradezu Freud’schen Verschreiber wie „Befriedigung des flachen Landes“, weil im Kontext nur „Befriedung“ Sinn macht. Daneben allerdings gibt es klar erkennbare Schreibfehler, die sich nicht erhellen lassen. So legt zwar die Wendung „Um Petersburg und Petersburg“ die Vermutung nahe, daß mit der zweiten Nennung Schlüsselburg gemeint ist, doch ist diese Interpretation keineswegs zwingend. In derartigen Fällen wurde dies durch ein „Sic“ in eckigen Klammern verdeutlicht. Dasselbe Verfahren wurde auch bei unvollständigen oder verbauten Sätzen im Text angewandt. Bei einer offensichtlich falschen Schreibweise von Personennamen findet sich hingegen die richtige Version jeweils in eckiger Klammer dahinter. Worte, die sich partout nicht entziffern ließen, wurden nicht als Torso in den Text aufgenommen, sondern komplett durch den Hinweis „Unleserlich“ in eckiger Klammer ersetzt. Einfache Schreibfehler wie Buchstabendreher wurden dagegen stillschweigend verbessert. Ebenso wurde bei den häufig variierenden Ortsnamen verfahren. So existieren für das weißrussische Mogilew in den EM drei verschiedene Schreibweisen, während Kiew anfangs fast ausschließlich als „Kijew“ auftaucht. Im Zweifelsfall galt hier stets die Version im Kartenmaterial des deutschen Heeres. All diese Eingriffe in den Text erschienen uns im Sinne einer besseren Verständlichkeit als zu verantworten und unabwendbar.

      Abschließend gilt es Dank zu sagen all denjenigen, die ihr Teil zum Gelingen dieses Mammutwerkes beigetragen haben: In erster Linie sind wir alle Heidrun Baur, der verdienten Mitarbeiterin der Forschungsstelle Ludwigsburg der Universität Stuttgart, tief verbunden, die in unermüdlicher Arbeit die EM eingescannt und korrigiert sowie die Kommentare und das Personenregister erfaßt hat. Unser Freund Stephen Tyas (St. Albans) überließ uns die in den National Archives in Kew bei London lagernden Decodes des britischen Geheimdienstes, die er wie kein anderer kennt. Ray Brandon (Berlin) erstellte das Kartenmaterial dieses Bandes. Reinhart Schwarz (Hamburg) sorgte unkompliziert für die Bereitstellung der Babij Jar-Photos aus den Beständen des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Auch Prof. Dr. Jan Philipp Reemtsma, Prof. Dr. Bernd Greiner und Matthias Kamm vom Hamburger Institut für Sozialforschung fühlen wir uns verbunden, da sie von vornherein von der Bedeutung des Projekts überzeugt waren und es vorbehaltlos unterstützten. Und dies nicht allein durch die großzügige Übernahme von Personalkosten sowie Sachmitteln, ohne die ein solches Vorhaben nur schwer zu realisieren ist, sondern in gleicher Weise ideell, indem sie es zu ihrem eigenen machten. Dasselbe gilt für Paul Shapiro vom Center For Advanced Holocaust Studies am United States Holocaust Memorial Museum (Washington D.C.). Ihnen allen verdankt der Band großzügige Zuschüsse durch die Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur sowie durch den Curt C. und Else Silberman Fund des Museums, die die Veröffentlichung eines solch voluminösen Werkes erst möglich machten. Hierfür sei ihnen allen herzlich gedankt.

      1 Martin Broszat: Vorwort zu: Helmut Krausnick/Hans-Heinrich Wilhelm: Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938–1942, Stuttgart 1981, S. 9f.

      2 Hans-Heinrich Wilhelm: Die Einsatzgruppe A der Sicherheitspolizei und des SD 1942/42, Frankfurt/M. u. a. 1996; Andrej Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord. Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941–1943, Hamburg 2003; Christian Gerlach: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941 bis 1944, Hamburg 1999. Eine umfassende Fallstudie zur Einsatzgruppe C fehlt bisher.

      3 Peter Klein (Hrsg., mit Beiträgen von Andrej Angrick, Christian Gerlach, Dieter Pohl u. Wolfgang Scheffler): Die Einsatzgruppen in der besetzten Sowjetunion 1941/42. Die Tätigkeits- und Lageberichte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Berlin 1997.

      4 Die hier vertretenen Ansichten spiegeln nicht die Meinung des USHMM wider.

      5 Die Originale der EM (mit