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Die »Ereignismeldungen UdSSR« 1941


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Hetzer usw.), soweit sie nicht im Einzelfall nicht oder nicht mehr benötigt werden, um Auskünfte in politischer oder wirtschaftlicher Hinsicht zu geben, die für die weiteren sicherheitspolizeilichen Maßnahmen oder für den wirtschaftlichen Wiederaufbau der besetzten Gebiete besonders wichtig sind.“74 Hätte zu diesem Zeitpunkt schon ein unterschiedsloser Judenvernichtungsbefehl bestanden, wäre die Anordnung sinnlos gewesen, lediglich die „Juden in Partei- und Staatsstellungen“ zu exekutieren. Denn sie wären ohnedies unter einen allgemeinen Befehl gefallen. Zugleich eröffnete das hier offerierte weite Tableau zur Definition der Gegner den Kommandeuren vor Ort einen ungeheuren Interpretationsspielraum.

      Wer waren die Männer, die eigenverantwortlich über die vagen Vorgaben der SS-Spitze zu entscheiden hatten? Das Personal der Sipo- und SD-Führer, die für das „Unternehmen Barbarossa“ Gewehr bei Fuß standen, präsentiert sich, hierarchisch gesehen, mit von oben nach unten abnehmender Geschlossenheit. Mit den vier designierten HSSPF, Hans-Adolf Prützmann (im Bereich der Heeresgruppe Nord), Erich von dem Bach-Zelewski (Heeresgruppe Mitte), Friedrich Jeckeln (Heeresgruppe Süd) und Gerret Korsemann („zur besonderen Verwendung“), hatte Himmler SS-Generäle für Schlüsselfunktionen ausgewählt, deren Regimetreue, persönliche Ergebenheit und exekutive Effizienz außer Frage stand. Auch im Führerkorps der Einsatzgruppen stellten Ausbildung und vorangegangene Karriere sicher, daß die Männer die ihnen übertragene Verantwortung beim Überschreiten der Grenze zur Sowjetunion im Sinne der SS-Führung und nach Maßgabe der jeweiligen Situation eigeninitiativ und aggressiv ausgestalten würden. Dies galt gerade auch für die ersten Einsatzgruppenchefs Dr. Walter Stahlecker, Arthur Nebe, Dr. Dr. Emil Otto Rasch und Otto Ohlendorf sowie für die Führer der einzelnen Kommandos, die allesamt inner- und außerhalb des RSHA hinreichend Erfahrung im Umgang mit „Reichsfeinden“ besaßen und teilweise schon im Polenfeldzug in den Reihen von Sipo und SD eingesetzt gewesen waren.75 Die bereits seit langem eingeübte projektive Schuldumkehr, der zufolge nicht die Juden die Opfer der Deutschen, sondern vielmehr die Deutschen die Opfer der Juden seien, hatte sich bei ihnen zu einem Erlösungsantisemitismus verdichtet, der von der Vorstellung geprägt war, berufen zu sein, die Menschheit von ihrer größten Plage zu befreien.76

      Aufgrund der erwarteten kurzen Feldzugsdauer und der Wichtigkeit der Aufgaben, die die Einsatzgruppen wahrnehmen sollten, ließ die SS-Spitze der Auswahl der ersten Gruppe von Kommandoführern besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.77 Michael Wildt stellte fest, daß in der 18-köpfigen Gruppe der Einsatz- und Sonderkommandoführer sieben und in den Einsatzgruppenstäben mindestens drei Offiziere aus den Rängen der „jungen Aktivisten“ im RSHA stammten. Von den 11 RSHA-Referenten in den Reihen der Einsatzgruppen war keiner älter als 41 Jahre alt, der jüngste nicht einmal 30 und fast alle (bis auf drei) universitär gebildet, vier sogar mit abgeschlossener Promotion.78 Selbst innerhalb dieser Funktionskohorte gab es allerdings Sonderfälle wie Dr. Franz Alfred Six, RSHA-Amtschef VII und Professor an der Berliner Universität, der nach einer kurzen Dienstzeit bei der Waffen-SS als Chef des Vorkommandos Moskau in der Einsatzgruppe B reüssieren sollte, sowie als Nicht-RSHA-Mitglied der bereits 1888 geborene Chef des Einsatzkommandos 3, Karl Jäger.79 Hinzu kam ein ganzer Jahrgang von rund 100 Anwärtern auf den leitenden Dienst im Alter zwischen 25 und 30, die bis zum Beginn des Winter-semesters 1941/42 zum „Osteinsatz“ abkommandiert wurden. Aufgrund ihrer Karriereerwartungen und beruflichen Sozialisierung in der NS-Zeit konnte es nicht überraschen, daß sich diese Männer als Teilkommandoführer besonders aktiv am Judenmord beteiligten; unter ihnen war beispielsweise Joachim Hamann, ein verkrachter Fallschirmjäger, der mit seinem „Rollkommando“ in Litauen kurz nach Beginn des Angriffs zum Massenmörder an Zehntausenden von Juden werden sollte.80

      Kann schon für die Führerriege der Einsatzgruppen von strikter Homogenität keine Rede sein, bietet sich ein relativ disparates Bild, nimmt man das Gesamtpersonal der Truppe in den Blick. Von den unteren und mittleren Beamten kamen viele von Stapo-Stellen im Reich, die im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen abgewickelt wurden, was im Interesse weiterer Aufstiegschancen die Motivation zu energischer Ausnutzung eigener Entscheidungsfreiheit sicher erhöhte.81 Die zahlenmäßig größten Gruppen in den Reihen der Einsatzgruppen stellten jedoch nicht Sipo und SD, sondern Hilfs- und Fachkräfte aus anderen Institutionen inner- und außerhalb von Himmlers Machtapparat. Diese personelle Heterogenität der Einsatzgruppen resultierte zum einen aus ihrer raison d’être: Mobilität und Schlagkraft verlangten Motorisierung, Nachrichtentechnik sowie Waffenroutine und damit verbunden militärisch-technische Fachleute, denen die institutionell-ideologische Ausrichtung des Sipo- und SD-Stammpersonals fehlte. Zum anderen ergab sie sich aus der in der Planungsphase eher undeutlich aufscheinenden, seit den ersten Kriegstagen aber evidenten Notwendigkeit, große Räume exekutiv rasch und nachhaltig zu „bearbeiten“, was ohne Hilfskräfte unmöglich war und die Zusammensetzung der Truppe noch mehr veränderte. Im Bereitstellungsraum Pretzsch an der Elbe bekamen die Einsatzgruppen jeweils eine Kompanie des in Berlin aufgestellten Reserve-Polizeibatallions 9 zugeordnet, die zugweise auf die Kommandos verteilt wurden. Daneben sorgten ab Juli Angehörige des Bataillons der Waffen-SS z. b. V. sowie Fahrer, Dolmetscher, Schreibkräfte (unter ihnen auch Frauen) für Ergänzung. Hinzu kamen im Besatzungsgebiet rekrutierte nichtdeutsche Hilfskräfte, die sich nicht nur aufgrund ihrer Vorprägung von anderen Einsatzgruppenmitgliedern unterschieden, sondern auch andere Interessen verfolgten. Dafür, wie sich die insgesamt rund 3000 Köpfe zählende Truppe zusammensetzte, mag die personalstärkste Einsatzgruppe A als Beispiel dienen. Mitte Oktober 1941 gehörten ihr 340 Soldaten der Waffen-SS, 172 Kraftfahrer, 133 Ordnungspolizisten, 130 Sipo- und 35 SD-Männer, 87 einheimische Hilfspolizisten sowie – mit unbekanntem Anteil an Einheimischen – 51 Dolmetscher, 42 Verwaltungs- und Bürokräfte, Funker und Fernschreiber an.82

      Aufgrund der Zusammensetzung der Einsatzgruppen ist die Annahme berechtigt, daß nicht alle Mitglieder sich als Teil einer „Truppe des Weltanschauungskrieges“ verstanden und statt dessen das Motivationsspektrum von notdienstverpflichteten Reservisten über abenteuerlustige Trittbrettfahrer des „Osteinsatzes“ bis hin zu fanatisierten Anhängern der NS-Ideologie und einheimischen Helfern reichte, die mit ihren Nachbarn eine Rechnung begleichen oder die Schmach der vorangegangenen sowjetischen Besatzung wettmachen wollten. Was das Leitungspersonal der Einsatzgruppen angeht, sollte ihre Schlüsselrolle beim Genozid an den Juden nicht dazu verleiten, wie Michael Wildt warnte, sie „gewissermaßen als Negativauslese“ oder mit Gerald Reitlinger als „seltsam zusammengewürfelten Haufen von Halbintellektuellen“ zu betrachten, dem der Massenmord aufgrund ihrer brutalen Veranlagung leicht fiel.83 Zwischen intellektueller Ausstattung und moralischem Handeln besteht bekanntlich keine unlösbare Verbindung. Tatsächlich handelte es sich bei den Führern um Angehörige einer Funktionselite, deren Bildung, Fähigkeiten und Zukunftspotential sie in den Augen der SS-Führung, aber auch in ihrer Selbstwahrnehmung, für Leitungsfunktionen in Schlüsselbereichen der NS-Politik besonders befähigte. Die von diesen Männern mitgestalteten EM vermitteln einen Eindruck davon, wie nach Beginn des „Unternehmens Barbarossa“ menschliche Möglichkeit zur mörderischen Wirklichkeit wurde.

      Das Fehlen eindeutiger schriftlicher Weisungen und besonders die schwammigen Formulierungen in Heydrichs Schreiben an die HSSPF vom 2. Juli 1941 sorgten in der Nachkriegszeit für anhaltende Debatten über die Befehlslage bei den Einsatzgruppen zu Beginn des „Unternehmens Barbarossa“.84 Kaum eine Darstellung zum Vernichtungskrieg verzichtet darauf, Heydrichs Rede vor den versammelten Einsatzgruppenführern in der Grenzpolizeischule Pretzsch wenige Tage vor dem 22. Juni zu behandeln, in der er den Nachkriegsaussagen einiger Offiziere zufolge einen Judenvernichtungsbefehl Hitlers erwähnt haben soll. Andere Anwesende wiederum schrieben die Befehlsübermittlung dem Chef des RSHA-Amts I, Bruno Streckenbach, zu, während andere einen solchen Befehl in Pretzsch und auch für einige Zeit danach nicht gehört haben wollten. Die Minderheitsmeinung, besonders beharrlich vorgetragen von Erwin Schulz, dem Leiter der Sipo-Führerschule in Berlin-Charlottenburg, designierten Führer des Einsatzkommandos 5 und späteren RSHA-Amtschef I, scheint die verlässlichere, ging es der von Otto Ohlendorf im Nürnberger „Fall 9“ auf Linie gebrachten Mehrheit mit der Behauptung einer klaren, auf Massenmord an den sowjetischen Juden abzielenden Befehlsgebung doch darum, sich selbst als Angeklagte vor alliierten oder deutschen Gerichten zu entlasten.85 In der Forschung dominierte die Annahme eines unterschiedslosen