auch kommen vereinzelt noch Brandstiftungen vor. So brannte z.B. am 15.7. nachts direkt an der Rollbahn zwischen Rositten und Ludsen ein Hof durch Brandstiftung nieder. In den Grenzbezirken gegen Rußland sind verschiedentlich aus den weiter südlich bezw. westlich gelegenen Gebieten geflüchtete Juden angetroffen worden, die die Russen nicht über die Grenze gelassen haben. Bei Beurteilung der Haltung der übrigen Bevölkerung ist nach den bisher vorliegenden Berichten offenbar scharf zu unterscheiden zwischen der Stadtund Landbevölkerung. In der Stadtbevölkerung von Porchow dürfte nur ein verhältnismäßig kleiner Kreis von Personen vorhanden sein, der durch entsprechende Propaganda zu aktiven Maßnahmen gegen das Sowjetregime bewegt werden könnte. In Ostrow liegen insofern besondere Verhältnisse vor, als die Bevölkerung während des Sowjetregimes drei-bis viermal fast völlig durch Zwangsumsiedlung, Verschickung in Konzentrationslager usw. gewechselt hat. Eine endgültige Beurteilung der Haltung der Bevölkerung ist insofern nicht möglich, als nur ein kleiner Teil vorhanden ist und die Russen die Gefängnisse, die zahlreiche örtliche und aus Lettland verschleppte politische Gefangene enthielten, öffneten. In Ostrow soll eine große Unzufriedenheit über das Sowjetregime bestanden haben. Dagegen soll die Bevölkerung von Porchow im großen und ganzen mit dem Sowjetregime nicht unzufrieden gewesen sein. Als Grund wird angegeben, daß die Verpflegung in dieser Gegend sichergestellt war. Entgegen der bisher nicht klaren und örtlich offenbar sehr unterschiedlichen Haltung der Stadtbevölkerung wird bei der Landbevölkerung, zumal der älteren, insofern eine positive Einstellung zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht festgestellt, als für sie wieder die Möglichkeit gegeben ist, offen ihren religiösen Empfindungen Ausdruck zu geben und die religiösen Bräuche zu pflegen. Bei der Landbevölkerung dürfte auch in Zukunft für ihre Haltung das religiöse Moment ausschlaggebend sein. Eine geschickte Propaganda könnte hier den Ansatzpunkt zum offenen Abfall vom Sowjetregime finden. Die Wirtschaftslage in dem erwähnten Gebiet ist dadurch gekennzeichnet, daß die Russen bei ihrem Abzug sämtliche vorhandenen Lebensmittelvorräte vernichtet haben. Die Russen haben alle männlichen Personen vom 18. bis 35. Lebensjahr einberufen.
Der Befehlshaber der Sipo u. d. SD aus dem Generalgouvernement meldet: Lagebericht aus dem ehemalig. Russisch-Polen:
Ukrainer: Stimmung im allgemeinen gut. Vereinzelt Ernüchterung und Gerüchtebildung infolge Unklarheit über künftige Gestaltung der Westukraine. Man erwartet Aufklärung von deutscher Seite. In politischen Lagern, Bandera-und Melnikgruppe gewisse Verwirrung. Auf beiden Seiten Kräfte an der Arbeit, die Einigung erstreben, andererseits wird Verständigung radikal abgelehnt.
Polen: Zufriedenheit über die Befreiung von den Sowjets. Teilweise in Kreisen der Intelligenz Angst vor selbständiger Ukraine. Hoffnung auf Festigung der Position und Besserstellung bei Anschluß der ehemaligen polnischen Gebiete an das Generalgouvernement. Wille zur Mitarbeit vereinzelt vorhanden. Andererseits von Widerstandsbewegung ausgehende Hetze und Gerüchtebildung gegen das Reich. Angeblich bevorstehender Zusammenbruch der Ostfront. Nach unüberprüften Meldungen ist die Tätigkeit der Widerstandsbewegung besonders auf dem Lande sehr rührig.
Juden: Auftreten weiterhin herausfordernd. Heftige Mundpropaganda, daß der Krieg für Deutschland verlorengeht, da Erschöpfung der militärischen Kräfte in Rußland. Kriegseintritt der USA angeblich in Kürze zu erwarten.
Verwaltung: Im ukrainischen Gebiet selbständige Bildung von Verwaltungsorganen bis Gemeindevorsteher, vereinzelt bis Kreishauptmann ohne Einverständnis der deutschen Behörden vorgenommen. Vielfach Einsetzung ungeeigneter Bürgermeister. Herausgabe undurchführbarer Erlasse. Auflösung des von der OUN gebildeten sogenannten Ordnungsdienstes (Miliz) erfolgt laufend unter gleichzeitiger Neubildung der Miliz unter Führung Ek’s. Das Fehlen einer zentralen deutschen Verwaltungsstelle macht sich überall bemerkbar, da einheitliche Richtlinien fehlen. Deutsche Verwaltungsbeamte [als Teil des Zivilverwaltungsapparats unter Rosenberg] am 20.7. eingetroffen. Tätigkeit offiziell noch nicht aufgenommen.
Wirtschaft: In Lemberg Bildung eines ukrainischen Wirtschaftsausschusses beabsichtigt. Aufgabe: Verbindung zwischen deutscher Wirtschaftsführung und den unteren Wirtschaftsorganen. Ernährungswirtschaft: Versorgungslage in Städten sehr angespannt, da Zufuhr vom Lande ungenügend und sehr schleppend. Bauern liefern nach wie vor fast ausschließlich im Tauschhandel (Textilien, Zucker, Tabak). Zur Besserstellung der Ernährungslage in den Städten Eröffnung von neuen Verkaufsstellen in Angriff genommen. Bisher fehlende zentrale Wirtschaftsführung zur Herausgabe verbindlicher Richtlinien im Hinblick auf bevorstehende Ernte dringend erforderlich. Industriewirtschaft: Erdölgebiet westlich von Drohobycz in Galizien keine Zerstörungen der Förderanlagen. Lediglich bei Borislaw 15 bis 40 % oberirdisch zerstört. Anlagen inzwischen in Betrieb genommen.
Mehrzahl der Raffinerien zerstört. Teilweise von Mineralölkommandos der Wehrmacht wieder hergestellt. Erdgasanlagen in Stryj, Doschawa und Opari nicht zerstört. Beschädigte Gasleitungen über Stryjfluß wieder in Ordnung. Gesundheitslage: Im allgemeinen gut. Bisher keine Zunahmen der Infektionskrankheiten gegenüber dem Zustand zu sowjetischer Zeit festgestellt. Sämtliche Ärzte erhielten Auflage, bekanntwerdende Infektionsfälle (Flecktyphus und venerische Krankheiten) sofort deutschen Stellen zu melden. Sofortige Bekämpfung von Wehrmacht vorbereitet. Desinfektionsanstalten in Vorbereitung. Venerische Krankheiten zu sowjetischer Zeit zugenommen. Spezialanstalt am 10.7.41 in Lemberg eröffnet. Nach Besetzung der Stadt Lemberg haben sich mehrere Fürsorgevereine gebildet, u.a. auch ein Fürsorgekomitee der Bandera-Gruppe und der Melnik-Gruppe. Um den Einfluß der Bandera-Gruppe auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge auszuschalten, ist ein ukrainisches Hilfskomitee entstanden, das unter Führung eines Melnik-Angehörigen steht. Die früheren Vereine haben sich selbst aufgelöst und dem Hilfskomitee angeschlossen. Das ukrainische Hilfskomitee hat einstweilen rein soziale Aufgaben. Erweiterung des Aufgabengebietes abhängig von der weiteren Entwicklung.
Einsatzgruppe B, Standort Orscha, meldet:
1) Ein Teil des Vorauskommandos (6 Mann) befindet sich in Smolensk, NKWD-Gebäude. Smolensk ist nach Meldung des Staf. Dr. Six ebenso zerstört wie Minsk und liegt unter starkem feindlichen Artilleriefeuer und Fliegerwirkung. Zeitweilig ist die Stadt durch Angriffe des Feindes von der Rollhahn abgeschnitten. Es war daher nicht möglich, das gesamte Vorkommando nach Smolensk nachzuziehen. Ein schnelles Vorrücken unmöglich, da die Autobahn in der Hand des Feindes ist. Der Trupp des Vorauskommandos war bereits schwerstem Artilleriebeschuß, Bombenwurf und MG-Feuer ausgesetzt. Die dabei befindliche Infanterie hatte erhebliche Verluste, das Vorkommando wurde bisher verschont. Starke feindliche Truppen durchbrechen ständig die Rollbahn, führen Fliegerangriffe auf die Kolonnen durch und überfallen durch tollkühne Einzelkommandos die auf den verstopften Straßen stehenden Kolonnen.
2) Weiteres Vorgehen des Vorauskommandos mit den Panzern über Smolensk hinaus ist im Augenblick nicht angebracht. Nicht nur die Männer, sondern auch die Fahrzeuge können jederzeit durch die starke Feindeinwirkung verlorengehen. Zudem sympathisiert die Bevölkerung östlich Orscha mit den von den Russen eingesetzten Partisanentrupps, die in und hinter unseren Linien systematische Zerstörungen durchführen. Zwei wichtige Aufgabengebiete heben sich für die Einsatzgruppe nunmehr deutlich ab: Die Erfassung der Partisanen, Saboteure, kommunistischen Funktionäre im rückwärtigen Heeresgebiet, da diese sich erst nach dem Durchzug der Fronttruppe und der Armeen hervorwagen und aktiv tätig werden. Für die systematische Erfassung dieser Gegner müssen die Einsatzkommandos eingesetzt bleiben. Dafür sprechen die bisherigen Erfolge und die dringenden Wünsche der Sicherungsdivisionen im rückwärtigen Heeresgebiet, die die Anwesenheit der Sicherheitspolizei außerordentlich begrüßen. Die zweite Aufgabe besteht in der sicherheitspolizeilichen Tätigkeit in Moskau. Es werden also die Vorauskommandos nach den Erfahrungen bei Smolensk erst dann gemeinsam mit der kämpfenden Truppe eingesetzt, wenn Moskau fällt, denn erst hier ist der persönliche Einsatz begründet und zu verantworten, nicht aber während der Vormarschkämpfe, wobei, wie sich gezeigt hat, jedenfalls östlich Orscha, weder wichtiges Material noch Funktionäre zu fassen sind. Es wird daher der Einsatz der Kommandos erst im Augenblick der Eroberung Moskaus erfolgen.
3) Das rückwärtige Heeresgebiet, das am 20.7. bis zur Beresina vorverlegt war, ist gestern bis in die Linie Minsk wieder zurückgenommen worden.
4) Am 25.7. erfolgte mit einem besonders zusammengestellten Kommando eine Aktion gegen bewaffnete Partisanen und Funktionäre, die sich