Ella Danz

Trugbilder


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das Absperrband und ließ sie passieren.

      »Moin! Der Herr hier hat uns den Fund gemeldet«, meldete sich sein jüngerer Kollege zu Wort und deutete auf den Hundefreund, »wollen Sie mit dem sprechen?«

      »Klar, wir werfen aber erst mal einen kurzen Blick«, gab Jansen zurück und folgte Angermüller auf den Platz hinter dem Durchlass, den zwei große Scheinwerfer erhellten. Am Ende des Gebäudes, das augenscheinlich Umkleidekabinen beherbergte, und vor einem dichten Gebüsch kauerte ein Mensch im weißen Schutzanzug, ein zweiter suchte den Boden ab, und etwas entfernt davon umrundete ein dritter die Szene mit einer Kamera und verteilte Markierungsschilder.

      Der Bau zur Linken beherbergte ein Café und war, genau wie die Badeanstalt, im Winterhalbjahr geschlossen. Davor lag außerhalb der Scheinwerferkegel eine Rasenfläche, hinter der im Dämmer das Wasser des Sees glitzerte, in den ein langer Steg führte, von dem jetzt nur die Umrisse zu erkennen waren.

      Unwillkürlich war Angermüller stehen geblieben, um sich einen ersten Eindruck von der Szenerie zu verschaffen. Im Sommer war dies hier sicher eine beliebte Badestelle voller Erholungssuchender und planschender Kinder, aber um diese Jahreszeit ein sehr einsamer Platz. Und genau deshalb hatte sich jemand diesen Ort ausgesucht, um etwas zu tun, das niemand bemerken sollte. Er straffte sich und sah zu Jansen, der ebenfalls neben ihm verharrt hatte.

      Als sie dem weiß gekleideten Grüppchen näherkamen, erkannte Angermüller seinen Freund Steffen. Der Kommissar war freudig überrascht, denn er hatte nicht damit gerechnet, dass der Rechtsmediziner heute schon wieder seinen Dienst versehen würde. Erst am Vorabend war er von einer ausgedehnten Asienreise mit seinem Mann David zurückgekehrt, weshalb er auch bei Heinis Trauerfeier gefehlt hatte. Angermüller jedenfalls freute sich auf die Zusammenarbeit mit Steffen, der ruhig und präzise agierte und ein echter Meister seines Fachs war. Woran genau der Rechtsmediziner gerade arbeitete, konnte er auf die Entfernung nicht erkennen.

      »Stopp! Hier wird mir nicht durchgelatscht. Geht gefälligst da außen rum«, schnauzte der vor ihnen kniende Kriminaltechniker die beiden Kommissare an, »ihr müsst ja nicht noch mehr kaputt trampeln. Der Scheißregen heute Nacht hat sowieso kaum was übriggelassen.«

      »Hallo, Andreas, schön, dass wir mal wieder zusammenarbeiten dürfen«, grüßte Angermüller den Mann. Natürlich bekam er keine Antwort. Verbissen fuhr der Kollege fort, am Boden nach Hinweisen zu suchen, die mit dem Leichenfund in Verbindung gebracht werden konnten, was angesichts des durchweichten Rasens ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen war. Jeder hier wusste aber, dass die üble Laune von Andreas Meise nicht am Wetter lag, sondern sein persönliches Markenzeichen war.

      »Mann, Ameise wieder. Das Genöle geht mir echt auf die Ketten. Als ob wir was für den Regen könnten«, brummte Jansen.

      »Der ändert sich nicht mehr, Claus. Ich hör da gar nicht mehr hin. Ist vergeudete Energie, sich über Ameise zu ärgern. Hauptsache, er macht seine Arbeit ordentlich. Und da kann man ja nicht viel meckern«, meinte Angermüller leise, denn seinen Spitznamen durfte man Andreas Meise – klein von Gestalt, ein penibler Erforscher des Bodens an Fund- und Tatorten, und mit einem Schild »A. Meise« an seiner Bürotür – schon gar nicht hören lassen.

      Mit einem freundlichen »Hallo, Kollegen« begrüßte Mehmet Grempel, ein weiterer Kriminaltechniker, um einiges jünger als Ameise, die Kommissare, während er ein Fundstück in einer verschließbaren Plastiktüte sicherte.

      »Dein Urlaub schon wieder vorbei?«, fragte Angermüller.

      »Tja, geht immer verdammt schnell. Aber hab eh nur meine Bude renoviert und war übers Wochenende mal in Coburg.«

      »Ach, in der alten Heimat. Schön.«

      Mehmet und der Kommissar stammten aus der gleichen Gegend in Oberfranken.

      »Ich hab dir auch was mitgebracht. Kriegst du morgen«, verkündete Mehmet mit geheimnisvollem Lächeln.

      »Oh, womit hab ich das verdient? Da bin ich ja gespannt«, freute sich Angermüller, »Und, hast du hier was Interessantes gefunden?«

      »Was gefunden, ja. Eine Plastikkappe, wahrscheinlich von einem Kanister. Ob das interessant ist, wird sich noch rausstellen. Kleidung und sonstige persönliche Gegenstände leider bisher Fehlanzeige.«

      Angermüller und Jansen waren an der äußeren Ecke der mit Steinplatten ausgelegten Umrandung vor den Umkleidekabinen angelangt, wo Doktor Steffen von Schmidt-Elm hockte und konzentriert seiner Arbeit nachging. Erst jetzt konnten die Kommissare ausmachen, was vor dem Rechtsmediziner lag. Beide stoppten gleichzeitig und starrten auf das gespenstisch anmutende Wesen. Der Anblick löste bei Angermüller mehr als Unbehagen aus. Schließlich räusperte er sich.

      »Grüß dich, Steffen! Noch gar nicht richtig angekommen, schon wieder im Dienst.«

      »Wat mutt, dat mutt. Grüß dich, Schorsch, hallo, Jansen.«

      Mit einem kurzen Lächeln begrüßte Schmidt-Elm die Kommissare. Er war der Einzige hier, der die fränkische Version von Angermüllers Vornamen benutzte.

      »Puh, schon ein bisschen heftig als Wiedereinstieg«, meinte Angermüller mit Blick auf die menschlichen Überreste, an denen Steffen gerade erste Untersuchungen vornahm: ein schwarzer Schädel ohne Haare, der Mund mit seinen zwei Reihen Zähnen geöffnet wie zu einem Grinsen, die schwarzen gebeugten Arme wie gestikulierend in die Luft gereckt.

      »Da stimme ich dir zu«, bestätigte Steffen und rückte seine Lesebrille zurecht.

      »Magst du schon irgendwelche Erkenntnisse weitergeben?«, fragte Angermüller, auch wenn er befürchtete, dass es noch nicht viel sein konnte, und der Rechtsmediziner es ohnehin vorzog, seine Befunde erst durch die Obduktion zu verifizieren.

      »Ich kann euch nur zum Offensichtlichen etwas sagen. Man gedachte, diesen Körper zu verbrennen, was sehr hohe Temperaturen, gute Belüftung und einen wirksamen Brandbeschleuniger in ausreichender Menge benötigt. Davon hat man sicher was auf das Opfer geschüttet, am Kopf angefangen, der ja sehr stark betroffen ist. Auch der Oberkörper wurde damit übergossen, und da es sich um eine schlanke Person handelt, haben wir diese typische sogenannte Fechterstellung aufgrund der durch die Hitze verkürzten Muskeln und Sehnen.«

      Steffen wies auf die so geisterhaft ins Leere greifenden Arme des Leichnams.

      »Doch insgesamt reichte die Menge Brandbeschleuniger nicht aus, denn wie ihr seht, ist der Körper von den Knien abwärts noch einigermaßen unversehrt.«

      Den Anblick der zierlichen Füße mit den lackierten Nägeln fand Angermüller fast am schlimmsten, und er schaute schnell woanders hin. Es war ein so eindeutiger Hinweis auf ein Leben, das abrupt und gegen den Willen des Individuums beendet worden war, dass ihn schauderte.

      »Im Übrigen handelt es sich eindeutig um eine Frau«, Schmidt-Elm wies auf den ebenfalls weniger versehrten Beckenbereich, »noch recht jung wahrscheinlich. Sie war unbekleidet. Größe so um die 175 Zentimeter.«

      Angermüller nickte.

      »Ist das Feuer denn auch die Todesursache?«

      Steffen hob die Schultern.

      »Das, oder ob sie schon tot war, als man sie in Brand gesteckt hat, weiß ich erst nach der Obduktion. Mehr kann ich momentan noch nicht sagen.«

      »Vielen Dank, Steffen. Wir versuchen’s dann mal auf gut Glück mit der Vermisstendatei. Und wenn wir morgen den Zahnstatus haben, können wir bei den Zahnärzten eine erste Abfrage starten. Allerdings wird das leider dauern.«

      »Mal schauen, ich hab da so meine Kontakte, zumindest hier in der Gegend, vielleicht kann ich das etwas beschleunigen.«

      »Das wär natürlich gut. Okay, wir sehen uns hier noch ein wenig um. Dann bis morgen, nehme ich an. So um neun Uhr?«

      »Ja, tschüs, bis dahin im Institut.«

      Während der Rechtsmediziner sich wieder über sein Untersuchungsobjekt beugte, wandten sich Angermüller und Jansen in Richtung Ausgang, um erst einmal den Mann zu befragen, der den Fund gemeldet hatte.

      »Und,