wusste nicht, ob erwartet wurde, dass auch sie ihren Beruf erklärte. Und was sollte sie sagen? Das Erste, das ihr spontan einfiel, war: geschasste Journalistin mit Schneckenproblem. Während sie noch überlegte, betraten zwei ältere Damen den Laden. Es schienen Stammkundinnen zu sein, denn sie wurden von Johanna herzlich auf südburgenländisch begrüßt. »Jo schau, seids a scho do, kimmts eina und druckts eich glei an Kaffee owi.«10
»Das sind die Grete und die Mitzi.« Sie stellte die Anwesenden einander vor. Dahinter betrat Eva den Raum.
»Super, dass du auch gekommen bist.« Vera freute sich, Eva zu sehen.
»Nachdem wir jetzt vollzählig sind, können wir nun beginnen«, sagte Johanna, hakte auf einer Liste die Namen der Teilnehmerinnen ab und hob den Jahresmitgliedsbeitrag von je drei Euro pro Person ein.
»Das mit dem Klubbeitrag muss leider sein, damit mir der vom Finanzamt keine Probleme macht«, seufzte sie. »Der unterstellt mir ständig, dass ich hier schwarz ein Kaffeehaus führe, drum hab ich das Ganze jetzt gleich als Klub bei der Bezirkshauptmannschaft angemeldet. So hat alles seine Ordnung.«
Reich wird die mit unseren paar Euros eh nicht werden, dachte Vera. Aber um Reichtum schien es Johanna nicht zu gehen. Das erste Thema des Gartenstammtisches war sinnigerweise »Sparsam und nachhaltig Gärtnern«.
Handouts wurden ausgeteilt. Johannas Tipps reichten von Anzuchttöpfen aus Eierkartons und Klopapierrollen über Kaffeesatz als Dünger bis zum Bau einer Rankhilfe für Bohnen aus selbstgeflochtenen Weidenruten.
Jetzt weiß ich endlich, was ich mit den alten Eierkartons mache, die mir die Nachbarn ständig vor die Tür stellen, dachte Eva. Bei Tipp 5, der da lautete »Die Erde eines Maulwurfshügels im Backrohr sterilisieren und dann als Anzuchterde verwenden«, war sie sich hinsichtlich der Umsetzung nicht so sicher. Maulwurfserde im Dampfgarer. Sie wusste genau, wie Paul auf so etwas reagieren würde. »Jetzt bist echt ein Fall für die Psychiatrie«, würde er sagen.
Johanna begann mit ihrem Vortrag: »Am günstigsten fahrt ihr, wenn ihr mit dem Kreislauf der Natur gärtnert. Baut nur samenfeste Sorten an, keine Hybride, dann lasst ihr ein Fünftel der Ernte stehen, bis sie blüht, und gewinnt das Saatgut. Das klappt toll bei Salat, Mangold, Gurken, Tomaten. Bei Wurzelgemüse bilden sich Samen oft erst im zweiten Jahr. Samen von reifen Zucchini und Kürbissen kann man besonders leicht ernten, es dürfen nur keine ungenießbaren Zierkürbisse in der Nähe angebaut werden, denn die verkreuzen sich. Ansonsten kann das Kreuzen aber auch eine spannende Angelegenheit sein. Ihr bekommt über die Jahre eigene Hofsorten, die optimal an euren Standort angepasst sind. Bei Bohnen macht das besonders Spaß. Bunt, gescheckt, getupft, die Natur hat immer Überraschungen parat. Und wenn ihr Samentütchen zukauft, seid auf der Hut. Da gibt es enorme Unterschiede in Preis und Inhalt. In manchen sind gerade mal fünf Samen drinnen, in anderen das Doppelte und Dreifache. Ich schlage ohnehin vor, dass wir bei unserem nächsten Treffen einen Samentausch machen.«
»Saaaamentausch«, sagte Mathilde langgezogen. »Das klingt heiß!«
»Und aus den Blumensamen, die überbleiben, können wir dann Samenbomben basteln und das Burgenland zum Blühen bringen«, schlug eine der älteren Besucherinnen vor. »Der Ploberger hat letztens im Fernsehen erklärt, wie das geht. Man muss nur Samen mit Erde, Tonpulver und Wasser mischen und dann daraus Kugeln formen.«
Die Frau, von der dieser Vorschlag kam, hatte eine Kappe auf. Sie war sicher schon über 80, aber sie gab sich kriegerisch wie eine Guerillakämpferin.
Sie kam Vera bekannt vor. War das nicht die Malerin Grete Sobotka, die sich im Südburgenland ein Kellerstöckl gekauft hatte? In den 1980er Jahren hatte die Sobotka für die Hainburger Au demonstriert und sich an Bäume gekettet. Ihr Kampfgeist für die Natur war offenbar ungebrochen.
Samenbomben, keine schlechte Idee. Zum Beispiel, um die Grüninseln in den hässlichen Kreisverkehren zu bombardieren, dachte Vera, aber gemessen an der Anzahl würde es dafür wohl Tonnen von Blumensamen brauchen.
»Ich war ja früher beim hiesigen Verschönerungsverein, aber da bin ich ausgetreten, weil die wollen immer nur Muschkateln setzen«, sagte die Guerilla-Grete kämpferisch: »Die haben ja null Geschmack oder Sinn fürs Regionale. Dabei sind heimische Wiesenblumen so viel schöner als das künstliche importierte Zeug aus Holland.«
»Ich kann auch was beitragen«, sagte Mathilde: »Bei uns im Hotel bleiben immer jede Menge Plastikkübel von der Molkerei und leere Ölkanister über, die dann weggeschmissen werden. Ich kann die das nächste Mal mitbringen, wenn Bedarf besteht. Man kann darin Brennnesseljauche ansetzen oder sie zum Schneckenabsammeln nehmen.« Zustimmendes Gemurmel erfüllte den Raum.
»Kann ich euch fragen, was ihr gegen die Schnecken tut?«, fragte Vera.
»Jessas, dei Schnecka«11, seufzte die zweite ältere Frau namens Mitzi. »I woas no genau, wia da erste rote Schneck in Owawort eizogn is. Im 87er Johr wor deis. Dei san va Bocksdorf iwa Stegersbach zu uns aufikrallt. I bin hinteri in mein Goardn, der wos ban Boch glegn is, und do hots nur so gwurlt, olles vulla Schneckn. Mia hots so graust.«12
»Die Spanische Wegschnecke ist in den 80er Jahren über Gemüsetransporte in Österreich eingeschleppt worden«, ergänzte Johanna. »Angeblich waren sie gar nicht in den Kisteln selbst, sondern in den Hohlräumen der Radfelgen. Und weil die Schnecken hier keine natürlichen Feinde haben, haben sie sich rasend schnell vermehrt und sind bis heute ein Riesenproblem.«
»Die Leit hom dann olle iahnere Gärtn gschliffen wegn dei Schneck, wals iahna olles ogfressn hom, und dann is a die Zeit kummen, wos olles in Supermoakt kaft hom«, bestätigte Mitzi.13
Johanna nickte. »Jetzt hat das Garteln und Selbstversorgen ein Comeback. Nur gegen die Schnecken gibt es noch immer keine Lösung. Indische Laufenten helfen, das sind die einzigen Vögel, die die bitteren Schnecken fressen, aber die brauchen einen Tümpel oder einen Bach und müssen vom Gemüse ferngehalten werden, weil sie das sonst auch fressen. Am besten ist, man versperrt den Schnecken einfach den Zugang zum Beet. Ich baue mein Gemüse zum Großteil in alten Badewannen an.«
Vera bedankte sich für die Antwort. Das Ganze klang logisch und war durchaus eine Überlegung wert, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wo man alte Badewannen auftreiben konnte.
»Ich würde jetzt gerne zum Thema ›natürlich Düngen‹ kommen«, sagte Johanna.
»I häng immer an Strumpf mit Hianamist in die Reigntonne, so hob i glei a düngts Wossa«, sagte die Mitzi: »Friacha, oisa Junge, howi a immer die Rossäpfel aufklaum miassn, wenn d’ Ressa vabei san, owa heit hot jo kuana mehr Ressa im Dorf. Drum howi hiats d’Hiana, und eppa tua i ma a no a Goass ham.«14
»Tierischer Dünger ist eine super Sache, aber es ist auch schon viel gewonnen, wenn ihr anfangt, eure Küchenabfälle zu kompostieren«, riet Johanna. »Ich habe einen Experten von der Firma ›Inkaerde‹ eingeladen, der euch erklären wird, wie das richtig geht, er müsste gleich da sein. Will inzwischen wer einen Apfelfleck?«
Fliegender Themenwechsel vom Abfall zum Apfel. Aber alle griffen mit Appetit zu, und der Kuchen war ein Gedicht. »Könnte ich das Rezept haben?«, fragte Eva.
»Da gibt es kein Rezept, das macht man iwahaps«, sagte Johanna verwirrt. »Das ist einfach Mürbteig mit Apfelfülle.«
Vera lachte. Sie hatte während ihrer Zeit bei »Lust aufs Land« öfters genau diese Antwort von Bäckerinnen am Land bekommen. Frauen wie Johanna hatten das Backen einfach im Gefühl. Da wurde nichts gewogen oder gemessen.
Die Hofladentür ging auf. Ein junger Typ in Arbeitshosen und T-Shirt betrat den Raum.
»Ah, der Finz von der ›Inkaerde‹, grad haben wir über