wir, wenn man sie beim Festmahl zu Ehren der erhabenen Fürsten erklingen lässt, großen Segen, ungetrübtes Glück, vielfache Seligkeit und große Langlebigkeit von 10.000 Jahren empfangen. – Möge ich, der Fürst von Qin, für immer fest auf meinem Thron bleiben, den großen Auftrag entgegennehmen, herrliches langes Leben ohne Ende genießen und die vier Weltgegenden beherrschen. Möge ich diesen Schatz in Frieden bewahren.“577 Stiftungen zur Verehrung der Ahnen versprachen also Wohlergehen, langes Leben und – wie bei diesem Herrscher – eine erfolgreiche Regierung als Gegenleistung.
Eine deutliche Neuorientierung im chinesischen Denken datiert die Forschung in die spätere Zeit der Östlichen Zhou-Dynastie (770–221 v. u. Z.). Symptomatisch sei dafür ein nachlassender Grabkult, was nicht ohne weiteres mit einer Einschränkung des Ahnenkultes gleichzusetzen sei.578 Statt auf die Kommunikation von Lebenden und Toten sei es jetzt aber stärker auf die Trennung beider Sphären angekommen, was auf die Erfahrung der Transzendenz hindeutet. Emblematisch für den Umbruch stehen die ‚Gespräche‘ des Konfuzius (gest. 479 v. u. Z.), die entweder auf diesen selbst oder dessen Schüler zurückgeführt werden müssen.579 ‚Konfuzius‘ lehnte den Ahnenkult keineswegs ab,580 entzog sich aber klaren Aussagen über die Welt der Geister und Götter, um desto energischer auf die Pflichten gegenüber Mitmenschen, ‚Gesellschaft‘ und ‚Staat‘ hinzuweisen. In diesem Sinne kondensiert seine Botschaft die Sentenz über die Weisheit: „Fan Tschï fragte, was Weisheit sei. Der Meister sprach: ‚Seiner Pflicht gegen die Menschen sich weihen, Dämonen und Geister ehren und ihnen fernbleiben, das mag man Weisheit nennen.‘“581 Die geradezu agnostische Haltung der ‚Gespräche‘ kommt auch beim Thema ‚Tod und Leben‘ zum Ausdruck: „Gi Lu fragte über das Wesen des Dienstes der Geister. Der Meister sprach: ‚Wenn man noch nicht den Menschen dienen kann, wie sollte man den Geistern dienen können!‘ (Dsï Lu fuhr fort): ‚Darf ich wagen, nach dem (Wesen) des Todes zu fragen?‘ (Der Meister sprach): ‚Wenn man noch nicht das Leben kennt, wie sollte man den Tod kennen?‘“582 Statt dessen formulierte ‚Konfuzius‘ weltgeschichtlich zum ersten Mal die ‚goldene Regel‘ der Mitmenschlichkeit: „Dsï Gung fragte und sprach: ‚Gibt es ein Wort, nach dem man das ganze Leben hindurch handeln kann?‘ Der Meister sprach: ‚Die Nächstenliebe. Was du selbst nicht wünschest, tu nicht an andern.‘“583 Wo Verdienst zu erwerben war, winkte diesseitiges Gedenken, ja Ruhm: „Der Meister sprach: ‚Der Edle hasst (den Gedanken), die Welt zu verlassen, ohne dass sein Name genannt wird.“584
Fragen nach dem transmortalen Dasein selbst soll Konfuzius dagegen ausgewichen sein; als er schwer erkrankte und ihn sein Schüler Dsï Lu fragte, ob er für ihn beten lassen dürfe zu den „Götter[n] oben“ und den „Erdgeister[n]“ unten, reagierte der Meister recht barsch, er habe „lange schon gebetet“.585 Schüler und Familie sorgten indessen für sein Andenken in Qufu, wo Konfuzius geboren und begraben worden war; entscheidend für den Konfuzius-Kult wurde schließlich die Zuwendung der Kaiser.586 Der Gründer der Han-Dynastie, Han Gaozu (reg. 206–195 v. u. Z.), war der erste, der am Konfuziustempel persönlich opferte; die folgenden Herrscher statteten die ‚Kongs‘, Nachkommen des Konfuzius, mit erblichen Ehren und Ländereien aus und brachten wiederholt Spenden zur Renovierung des Tempels auf. In der mittleren Han-Zeit verfügten die Kongs bereits über 3.800 Haushalte, die ihnen für die Opfer an Konfuzius in ihrem Tempel übertragen worden waren.587 Später spendete Kaiser Ming Taizu im Jahr 1368 allein 98.400 Morgen Land. Natürlich dienten die Gütergaben, die durch Steuerbefreiungen ergänzt wurden, auch der Versorgung der Kong-Familie selbst.588 Zweifellos handelte es sich bei diesen materiellen Ausstattungen des Konfuziustempels von Qufu um Stiftungen – Stiftungen freilich, die ‚nur‘ einem diesseitigen Gedenken dienen und die lebenden Angehörigen des Beistands ihres Ahnen versichern sollten. Beachtenswert ist, dass sich der Kult des Konfuzius, zu dem auch die Verehrung seiner Schüler und später weiterer Gelehrter trat, nicht auf einen einzigen Ort beschränkte. Bereits unter Kaiser T’ai-tsung (627–649 u. Z.) war der Befehl ergangen, in allen Provinz- und Distriktschulen Konfuziustempel zu errichten;589 die Maßnahme stand im Zusammenhang mit dem Ausbau des Prüfungssystems für Beamte. In der Forschung hat man deshalb davon gesprochen, Konfuzius sei „zu einer Art Gottheit der Staatsverwaltung“ erhoben worden, was „natürlich etwas ganz anderes (sei) als der buddhistische Appell an das Erlösungsstreben jedes einzelnen Individuums“590.
In der konfuzianischen Ethik rangierte die Sorge um die eigene Familie vor den Pflichten gegenüber dem Staat;591 wo wie im Konfuziuskult die Ahnenverehrung zur Staatsangelegenheit, also zur Aufgabe Dritter, wurde, konnten Memorialstiftungen ihren Platz finden. Eine Entwicklung wie im Hellenismus oder republikanischen Rom, wo nachlassende Familiensorge gegenüber den Verstorbenen zur Ausbildung von Totenstiftungen geführt haben soll,592 ist in China wohl undenkbar gewesen. Allerdings wird den Konfuzianern von der modernen Wissenschaft durchaus ein eher pragmatisches Verhältnis zum Ahnenkult bescheinigt. Hans von Ess hat darauf hingewiesen, dass die Intensität der Ahnenverehrung vom sozialen Rang oder von der Zeitstellung beziehungsweise dem Verwandtschaftsgrad abhing. Nach einem normativen Text des chinesischen Altertums habe der „Himmelssohn“, also der Zentralherrscher, sieben Ahnen zu verehren gehabt, ein Lehensfürst fünf, ein Würdenträger noch drei, während ein einfacher Beamter nur zum Gedenken seines Vaters verpflichtet war. Spätere Konfuzianer haben auch dem einfachen Mann die Verehrung von vier Vorfahren zugestanden. Die Tafeln mit den Namen anderer Vorfahren seien im Laufe der Zeit aus den Ahnentempeln und Ahnennischen der Privathäuser entfernt worden „und es gibt wenig Hinweise darauf, dass man sich die Welt oder gar den Himmel als von unsichtbaren Ahnen bevölkertes Pantheon vorgestellt hätte“.593
Die Signatur der Achsenzeit, die sich bei ‚Konfuzius‘ trotz Festhaltens an der Ahnenverehrung an der entschiedenen Hinwendung zur innerweltlichen Ethik festmachen lässt, prägte auch den Daoismus mit seinen grundlegenden Schriften.594 Das eine Werk, das ‚Daodejing‘, stammte zwar sicher nicht von einem einzigen Autor, dem angeblichen Zeitgenossen des Konfuzius, Laotse, geht aber mit seinen ältesten Schichten wohl ins 4. vorchristliche Jahrhundert zurück und wurde in seiner heutigen Form vor allem im frühen 3. Jahrhundert u. Z. verfasst.595 „Der wichtigste Beitrag des Daodejing zum Daoismus und zum chinesischen Denken überhaupt liegt in der neuen Bedeutung, die dem Wort ‚dao‘ gegeben wurde. Gewöhnlich und dem verbreiteten Verständnis nach bedeutete es ‚Weg‘, ‚Methode‘ oder ‚Lebensregel‘, aber im Daodejing nimmt ‚dao‘ zum ersten Mal die Bedeutung der ‚Letzten Wahrheit‘ an, des ‚Einen und Transzendenten‘, des ‚Unsichtbaren‘ (yi), ‚Unhörbaren‘ (xi) und ‚Unerfahrbaren‘ (wei), des ‚Nicht zum Gebrauch Bestimmten‘ und ‚Nicht-Benennbaren‘. Da das Dao jenseits aller Unterscheidung und allen Urteilens liegt, kann es nicht ‚gesagt‘ oder in bestimmter Weise praktiziert werden. Man kann von ihm keinen Gebrauch machen, da es ‚weder dies ist noch jenes‘. Trotz seiner negativen Bestimmung wird dem Dao wegen seiner Kraft zugeschrieben, es sei die Quelle allen Lebens, die ‚Mutter‘, das ‚Durchdringende‘, ‚reich an Verheißungen‘ und der einzige Bezugspunkt von Gewissheit. In diesem Sinne ist es ‚sowohl dieses als auch jenes‘. Alles, was gesagt werden kann und einen Namen hat, ist vergänglich und gehört der Welt an; nur das Dao hat keinen Namen und ist ewig. ‚Benennen‘ und Sprache werden trotzdem als die ‚Mutter‘ aller Dinge bezeichnet.“596 Alle Schulen des Daoismus haben an dieser Grundbedeutung des Dao festgehalten. „Das Dao ist die Quelle der Welt, der Punkt, zu dem alles zurückfließt, der ‚Schatz der Welt‘, dasjenige, durch das Himmel und Erde bestehen.“ Das ‚Daodejing‘ will zeigen, dass die Sprache die Wirklichkeit der Dinge nicht erfassen kann, aber indem es demonstriert, dass jede Annahme ihre eigene Verneinung impliziert, sucht es die beiden zu vereinen wie die Medaille mit ihren beiden Seiten. In kosmogonischer Sicht geht es um die „Rückkehr“ (*fan) zur ursprünglichen Ungeteiltheit, so wie ein Kleinkind mit seiner Mutter eine Einheit gebildet hat. Rückkehr zum Anfang bedeutet zugleich Rückkehr zur ordentlichen Welt.
Die Erfahrung der zerbrochenen Einheit, also die Erfahrung der Transzendenz, ist der – negative – Ausgangspunkt für die Lehre des ‚Daodejing‘, die den Daoismus bestimmt hat. Das Werk wendet sich aber entschieden gegen die Lösung der Konfuzianer, die Spaltung durch Ethik und Rechtlichkeit zu überwinden: „Mit dem Niedergang des großen Dao entstanden Menschlichkeit und Rechtlichkeit; sobald es Klugheit gab, entstand die große Heuchelei; als die Familienbeziehungen