Michael Borgolte

Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte


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Gründen geschaffen, da sie auch dazu dienen konnten, für die betreffenden Liegenschaften Steuerfreiheit zu erlangen.562

      Besonders viele und aussagekräftige Schriftzeugnisse sind aus der Oasenstadt Dunhuang in der heutigen Provinz Gansu (Nordwestchina) überkommen, die aus der Zeit vom 4. bis 11. Jahrhundert datieren.563 Eine Liste von Schenkungen zeigt die Variationsbreite der Gaben, der Motive und der Gegenleistungen: „Ein shih [Hohlmaß zwischen 20 und 60 Litern] von Hirse für den Bau. Die Absicht des Gläubigen ist es, zugunsten seiner erkrankten Mutter zu handeln, für deren Heilung bisher kein Mittel gefunden wurde. Heute kommt er zum Heiligtum, um für sie um ein Sūtra [also die Rezitation eines buddhistischen Lehrsatzes oder einer Lehrrede] zu bitten. Vermerk des Gläubigen Chih Kang-kang, am 30. Tag des ersten Monats, im Jahr ch’en. – Eine Robe aus weißer Seide, gespendet für den Bau (…). Eine halbe Unze Leim und einen Spiegel, gespendet durch einen Gläubigen für das Fest der Prozession der Statuen, am 8. Tag des fünften Monats (…). Fünf Haarschnitte, gespendet für den Bau durch eine anonyme Gläubige, für das Wohlergeben ihres jungen Bruders, der sich auf eine Reise in den Westen aufgemacht hat. Sie hofft, dass ihm nichts Bedauerliches zustoße und er bald zurückkehren könne. – Fünf Fächer, einen shih Weizen und einen shih Hirse, gespendet zur Ausstattung durch Chan I-tzu, auf dass seine verstorbene Mutter im Reinen Land wiedergeboren werde, sowie für die Wohlfahrt seines Vaters, der an einer Augenkrankheit leidet. Am 8. Tag des zweiten Monats.“ Alle Schenker baten die Mönche, einen Sūtra für sie zu rezitieren.564

      Neben Lesungen und Ritualen für ihre Förderer sollten die Mönche auch karitative Werke als Gegenleistung verrichten. Im chinesischen Mahāyāna wurden die größten Ausgaben zwar für den Bau der Gotteshäuser, das Gießen der Glocken und Statuen sowie die liturgischen Feiern gemacht, dann folgten jedoch die Wohltaten für Arme und Bedürftige.565 Der Autor I-ching (635–713) stellte fest: „Fromme Stiftungen machen es möglich, sowohl den Klerus als auch die Laien zu ernähren, denn selbst, wenn die Schenker ihre Gaben den Mönchen machen, dehnt sich ihre Freundlichkeit in der Tat auf alle Menschen ohne Unterschied aus.“566 In einer gleichzeitigen Quelle wird ein buddhistisches Spital erwähnt: „Der Mönch Chihyen [gest. 654] ging dann nach Shih-t’ou [im modernen Nanking], wo er beim Leprosenhaus verweilte. Er predigte den Leprakranken den Buddhismus und versorgte sie in all ihren Nöten: Er saugte ihre Geschwüre aus, wusch sie usw.“567

      Ähnlich wie im Christentum glaubte man durchaus, mit den Verstorbenen in einen Dialog über ihr Schicksal im Jenseits treten und dieses beeinflussen zu können. Berichtet wird etwa von Interventionen zugunsten untreuer Verwalter klösterlicher Güter. Der Abt Hui-ch’eng des Klosters Ch’i-fu in Fen-chou hatte an einer Infektion gelitten und war plötzlich mit einem Schrei wie das Brüllen eines Rindes gestorben. Noch in derselben Nacht begegnet er dem Mönch desselben Klosters, Ch’ang-ning, im Traum. „Ich erleide unsagbare Schmerzen“, sagte er, „weil ich wiederholt Güter der Drei Juwelen [des Buddha, des Ordensgesetzes und der Ordensgemeinschaft] für mich selbst verwendet habe. Andere Sünden sind verhältnismäßig unbedeutend, aber keine ist ernster als der Missbrauch von Gütern des dauernden Ordensbesitzes. Gewähre mir freundlich Deine Hilfe.“ Ch’ang-ning las daraufhin einen Sūtra zugunsten des Abtes und betete für den Nachlass seiner Sünden. Der betreffende Berichterstatter gibt zu der Geschichte folgenden Kommentar: „Wenn jemand ein Bettelmönch ist, aber die Lehre von der Vergeltung der Taten nicht versteht, und wenn er sich dauernde Güter zu eigenem Nutzen aneignet, erleidet sowohl der, der solche Güter gebraucht, als auch der, der sie entgegennimmt, böse Folgen dieses Missbrauchs. Die leichteste Vergeltung ist seine Wiedergeburt als ein Ochse, als Tier auf einem bäuerlichen Gehöft oder als Sklave; die schwerste besteht darin, die Martern des Siedens in einem Kessel oder brennender Kohlen zu erleiden. Wenn die Vergeltung richtig erklärt wird, kann solches Leiden vermieden werden.“568 Eine andere Geschichte erzählte man sich von der Begegnung des Mönchs Hsüan-hsü mit seinem Genossen, dem Bettelmönch Tao-ming aus Hsiang-chou in der Hölle. Dieser litt für seine Schuld, dass er ein Darlehen seines Klosters für Feuerholz nicht zurückgezahlt hatte. Um sein schreckliches Dasein zu beenden, bat Tao-ming den Hsüan-hsü darum, einhundert Reisigbündel in seinem Namen dem ewigen Besitz des Klosters für das einzige Bündel zu erstatten, das er sich ausgeliehen hatte.569

      Der entscheidende Unterschied zum Seelenheil, das Christen, Muslime und Juden im Jenseits erhoffen, liegt bei den Buddhisten darin, dass jeder Himmel und jede Hölle, mag der Verstorbene auch noch so lange in ihnen verweilen, keine endgültige, ewige Existenz bieten kann und im Nirvāṇa mit der Erlangung des höchsten Glücks auch das Verlöschen der Person verbunden ist. Natürlich kann man daran zweifeln, ob die differenzierten Jenseitsvorstellungen dem einfachen Buddhisten jederzeit präsent und überhaupt einsichtig waren.570 Auch sind die Erwartungen, die vor allem in Zentral- und Ostasien an das „Reine Land“ und die Hilfen von Amitābha (Amituo Fo) oder Avalokiteśvara (Guanshiyin/Guanyin) gerichtet wurden, wohl so hoch gewesen, dass hinter dem glücklichen Land im Westen „selbst das Nirvāṇa verblasste“.571 Trotzdem lässt sich nur schwer ermessen, wie die Glaubensbotschaft über das Endziel aller Wesen wirkte und verstanden wurde. Jedenfalls bemühten sich die buddhistischen Mönche, ihre Religion zu verbreiten, und verbanden ihre Mission unter Umständen geschickt mit ihrem Angebot der Armensorge. Chinesischen Mönchen wurde durch eine Lehrschrift des Mahāyāna folgender Ratschlag gegeben: „Wenn du einem Armen begegnest, frage ihn zuerst: ‚Bist du imstande, deine Zuflucht zu den Drei Juwelen zu nehmen und die Vorschriften zu befolgen?‘ Wenn er mit ja antwortet, lass ihn zuerst die Dreifache Zuflucht nehmen und die Gelübde ablegen, und dann (erst) gib ihm das Almosen. Wenn sie sagen, dass sie dazu nicht in der Lage sind, fahre so fort: ‚Wenn du nicht in der Lage bist, das zu tun, kannst du uns wenigstens folgen, wenn wir die Unbeständigkeit und die Nichtexistenz aller Dinge und die Auslöschung im Nirvāṇa predigen?‘ Wenn die Antwort ja lautet, müssen sie in diesen Wahrheiten unterrichtet werden und (erst), wenn sie unterrichtet sind, sollte ihnen das Almosen gegeben werden.“572 Mindestens sollte also der Anspruch bestanden haben, jenseitige Paradiese als Zwischenexistenzen vom Nirvāṇa zu unterscheiden und dies bei der Glaubensverkündigung auch mit Nachdruck deutlich zu machen.

      In China dürfte indessen der Kult des Amitābha gerade deshalb so populär gewesen sein, weil dieser nach seinem Zweitnamen Amitāyus „der von unermesslicher Lebensdauer“ bedeutet.573 Im Gegensatz zu den indischen Religionen stand nämlich das Streben nach Unsterblichkeit im Sinne eines unbegrenzten Lebens jedes Einzelnen im Mittelpunkt der chinesischen ‚Weltanschauung‘ und indigenen Religionen. Das heißt allerdings nicht zwingend, dass in China auch ‚Stiftungen für das Seelenheil‘ verbreitet gewesen sein müssten; die Schwierigkeiten, in dieser Frage Klarheit zu erlangen, sind aber enorm. Zwar steht nämlich fest, dass Stiftungen über die Buddhisten und ihre Klöster hinaus auch im Kult der Konfuzianer und Daoisten eine überragende Rolle gespielt haben, doch fehlt es für China fast gänzlich an stiftungsgeschichtlichen Forschungen.574 Die folgenden Darlegungen beruhen deshalb auf Beobachtungen, deren Tragweite im Einzelnen noch zu überprüfen und zu ergänzen bliebe.575

      Einzusetzen ist mit dem chinesischen Ahnenkult, einem Ausdruck kosmischer Ganzheit ohne Transzendenzerfahrung.576 Grabbeigaben für das rituelle Mahl der Lebenden mit den Verstorbenen, wie sie für archaische Gesellschaften typisch sind, wurden durch Glockenstiftungen ergänzt, die in Horten gefunden wurden. Vermutlich von dem Fürsten Wu der Qinregierung (reg. 697–678 v. u. Z.) stammt eines der Stücke mit einer umfangreichen Inschrift: „Ich, der Fürst von Qin, verkünde: Meine Vorfahren empfingen den Auftrag des Himmels. Sie wurden mit einer Wohnstätte belohnt, sie erhielten einen Staat. Meine strahlend glanzvollen [Vorgänger] Fürst Wen, Fürst Jing und Fürst Xian vernachlässigten nie die [Ahnengeister] dort oben (oder: sind nicht nachlässig in ihren hohen Stellungen [im Himmel]). In glanzvoller Eintracht mit dem erhabenen Himmel brachten sie die Barbarenländer zum Gehorsam. – Wir, der Fürst von Qin und die Prinzessin aus dem Königshause, verkünden gemeinsam: Wir sind nur mehr kleine Kinder, doch weil wir unentwegt, vom Morgen bis zum Abend, ernsthaft und ehrfurchtsvoll unsere Opferriten verrichten, haben wir vielfachen Segen empfangen. Wir haben es vermocht, unsere Gesinnung klarzulegen und so unsere erblichen Hofbeamten aufzurichten