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Blutversorgung
Stills Leitprinzip, die Rolle der Arterie ist absolut, ist gewiss etwas übertrieben,46 jedoch ist seine Bedeutung für jedermann nachzuvollziehen. Es benennt ganz klar die Tatsache, dass Gesundheit, gesundes Gewebe und normale Funktion auf einer relativ effizienten Blutversorgung beruhen.
Blut transportiert Nahrung und Sauerstoff zu den Zellen und ist das Hilfsmittel, mit dem Abfall- und Nebenprodukte des Stoffwechsels zur Leber und zu den Nieren transportiert werden. Galen (ca. 130 – 200), einer der bedeutendsten Ärzte der Antike, hatte bewiesen, dass die Arterien Blut und nicht Luft transportieren. Allerdings sollte es bis 1628 dauern, ehe der englische Arzt William Harvey (1578 – 1657) die Dynamiken des Blutflusses mit dem Herzen als zentraler Pumpe beschrieb und somit ein korrektes Verständnis des Kreislaufsystems ermöglichte. In jedem menschlichen Körper umfasst dieses ca. 160.000 Kilometer an Blutgefäßen und etwa fünf Billionen rote Blutkörperchen, von denen täglich 25.000.000 durch das Knochenmark erneuert werden; das sind etwa 300 pro Sekunde.
Noch wichtiger für uns ist aber die Tatsache, dass der ungehinderte arterielle Arbeitsablauf durch eine strukturelle Fehlfunktion beeinflusst werden kann. Es ist zwar leicht nachvollziehbar, dass Veränderungen und Anomalien, Deformitäten und Traumata möglicherweise eine schädliche Wirkung auf die Zirkulation haben, aber die Osteopathie geht diesbezüglich noch viel weiter, indem sie sagt, dass relativ kleine Veränderungen in der Bewegungsfähigkeit des Gewebes, von knöchernen intervertebralen Bewegungsanomalien bis hin zu feinsten oszillierenden Veränderungen im Bindegewebe (und sogar noch feinere als diese), Flüssigkeitsdynamiken und Druckgradienten verändern und damit physiologisch höchst relevant werden können. Die Effekte können sehr lokal sein, z. B. eine direkte Verengung eines Blutgefäßes bzw. eine entzündliche Reaktion, oder systemisch, so dass etwa Veränderungen der Drücke in einzelnen Körperhöhlen in Veränderungen des Blutdrucks resultieren. Sie können im Zusammenhang mit lokalen Gewebereparationen bzw. -heilungen stehen, oder sie haben eine mehr allgemeinere Bedeutung, wie etwa bei der Blutversorgung lebenswichtiger Organe. Es geht hier nicht um die Offenbarung der Bedeutung des Blutes, sondern lediglich um die Behauptung, dass strukturelle Funktionen Mechanismen seiner Anlieferung, seines Transportes, seiner Verfügbarkeit und sogar seiner Qualität beeinflussen.
Venöse und lymphatische Drainage
Es gibt unzählige Beispiele für pathophysiologische Einflüsse auf lokale wie systemische Stauungen im venösen und lymphatischen System, von lokalen Schwellungen und Ödemen in den Gliedmaßen bis hin zu Stauungen im renalen oder kardiopulmonalen Netzwerk. Solche Einflüsse können sehr ernst, sogar fatal sein, andere sind lästig und viele werden über Jahre hinweg so lange gar nicht erst bemerkt, bis der Einfluss einer solchen Stase und passiven Hyperämie langsam zur Herabsetzung der wesentlichen Funktion eines Organs führt. Es kann zu Zystenbildung oder Zelluntergang kommen. Das Fibrom in einer Gebärmutter ist beispielsweise eine von tausenden dieser möglichen Konsequenzen. Eine gute arterielle Blutversorgung, ergänzt durch eine gesunde venöse und lymphatische Drainage, sorgt für jene effiziente Flüssigkeitsdynamik, auf welcher Gesundheit beruht.
Und noch einmal, es ist die Rolle, die dies in der Gesamtheit der Körperfunktionen einnimmt, alle bisher erwähnten Systeme als ein integriertes organisches Ganzes eingeschlossen, zusammen mit dem Netzwerk oder der Matrix, die das neuroendokrine, muskuloskelettale und Bindegewebssystem umfassen. Große wie kleine mechanische Einflüsse, die strukturelle Balance und die Ausdrucksmuster sowie die Beschaffenheit des Körpers, zusammen mit der Spannung und den Bewegungseigenschaften aller strukturellen Elemente, haben einen großen Einfluss auf die für unsere Gesundheit so essenzielle Flüssigkeitsdynamik.
Wasser
Den meisten Menschen ist klar, dass Wasser für das Leben essenziell ist. Viele würden weite Reisen, ohne einen eigenen Vorrat an Trinkwasser mitzunehmen, nicht unternehmen. Trotzdem sind die außergewöhnlichen Eigenschaften dieser Substanz, die etwa 75 – 85 Prozent von uns ausmacht, nur wenigen bekannt. Wasser löscht und schmiert nicht nur. Wasser reagiert, verhält sich und kommuniziert. Aufgrund des Musters seiner Wasserstoffbindung und vielen anderen besonderen Eigenschaften besitzt es eine Molekularstruktur, die bestimmte Lösungen widerspiegelt und unzählige molekulare Reaktionen und Transaktionen im Körper vermittelt. Des Weiteren drückt sich sein inhärentes Molekularverhalten sowohl mechanisch wie auch elektrisch und auch chemisch aus und beeinflusst, übermittelt und überwacht die meisten, wenn nicht sogar sämtliche wesentlichen Körperfunktionen. Viele anerkennen die allgegenwärtige Natur des Wassers. Sein außergewöhnlicher Einflussbereich ist Ziel spezieller Studien, wohingegen seine Verbindung mit dem rhythmischen Ausdruck, basierend auf Gewebe- und Zelloszillationen, einen grundlegenden Bereich der osteopathischen Theorie und Praxis repräsentiert. Paul Lee untersucht dieses Phänomen auf wunderbare Art und Weise in seinem Buch Interface. In meinen Augen ist dieses Buch essenziell sowohl für Studenten wie auch Graduierte. In ihm bezieht sich Lee auf die Leben-fördernden Eigenschaften des Wassers durch seine verschiedenen außergewöhnlichen Qualitäten. Er zitiert Theodor Schwenk47, der die Qualitäten des Metabolismus, Empfindlichkeiten und Rhythmus des Wassers spezifiziert. Dr. Karl Maret48 äußert redegewandt in seinem Vorwort zu James Oschmans49 Energy Medicine in Therapeutics and Human Performance die mit Szent-Györgyis50 Auffassung verwandte Behauptung, dass die submolekulare oder elektronische Dimension – in der Biologie allgemein vernachlässigt – im Grunde auch allen anderen primären Bereichen der Biologie hinzugefügt werden müsse: dem Makroskopischen (Anatomie), dem Mikroskopischen (Zellen) und dem Molekularen (Proteine). Maret schreibt:
„Alle lebendigen Prozesse im Körper beruhen auf dem Transport von Ladungen, um damit Energie zu leiten und Leben zu erhalten. Die gesamte wässrige Matrix unseres Körpers ist mit komplexen ladungsgekoppelten Feldern verbunden, die ungefähr 60 Pulsationen elektromagnetischer Energie von unserem schlagenden Herzen pro Minute erhält. […] Jede Zelle des Körpers befindet sich in direktem elektromagnetischen Kontakt mit dem torusförmigen magnetischen Feld des Herzens.“
Maret erläutert bezüglich des kontrollierend vereinigenden Einflusses des Wassers, dass dies die auf die gesamte Bindegewebsmatrix, das größte Organ des Körpers, übertragbar sei. Wie wir später noch sehen werden, ist die Rolle der Matrix als Mediator bioelektrischer und biochemischer Information von allerhöchster Bedeutung. Dies beschrieben auch Alfred Pischinger, Robert Becker51 und Szent-Györgyi in ihren Arbeiten. Des Weiteren vereinigt dies auf wunderbare Weise das Konzept tensegrischer und piezoelektrischer Eigenschaften52 (im Zusammenspiel von Kollagen und Wasser) mit dem osteopathischen Konzept von Struktur-Funktion. In diesem Zusammenhang spielt der ausgezeichnete und unschätzbare Beitrag von Donald Ingbers (mit seinem Modell der Mechanotransduktion53) für die Struktur-Funktions-Zusammenhänge in unserem Verständnis eine zentrale Rolle. Außerdem ist es das Wasser, welches den ‚lebendigen’ Proteinen im Körper ihre Halbleitereigenschaften verschafft. Dieser Behauptung von Szent-Györgyi wurde von Kritikern fälschlicherweise widersprochen, denn sie hatten bei ihren Proben ausschließlich ‚tote’, d. h. dehydrierte Proteine entnommen. Verbunden mit Glen Reins Behauptung54, dass „[…] gewisse Biomoleküle als Supraleiter fungieren und biologische Systeme im Allgemeinen nicht lokale, sondern globale Eigenschaften aufweisen, welche ihre Fähigkeiten stets auf Quantenebene demonstrieren.“ (Del Guidice et al. 1989, Popp & Chang 1979) ist dies sehr interessant. Nach seiner Ausführung wurde der Wahrscheinlichkeit, dass dieses Verhalten auf endogene Quantenfelder innerhalb biologischer Systeme zurückzuführen ist, bisher kaum Beachtung geschenkt, Felder also, die ihrerseits einen Einfluss auf die endogenen elektromagnetischen Felder der Körpers haben.
Spinale Mobilität
Im nächsten Kapitel werden wir uns den wichtigen Bereich der spinalen Mobilität genauer anschauen. Denn kein osteopathischer Überblick ist vollständig ohne die Erwähnung dessen, was im Zentrum des osteopathischen Denkens steht.
Anomale spinale Mobilität wurde zum Prüfstein der palpatorischen Diagnostik in der Osteopathie (neben anderen manipulativen Behandlungssystemen). Nahezu alle Schulen und Richtungen osteopathischer Lehren erkennen die Bedeutsamkeit einer veränderten Physiologie an, die eine Restriktion oder Bewegungsanomalie der Wirbelsäule,