Mario Monteiro

Das Kartell der Skorpione


Скачать книгу

      »Übrigens, Doutor Cariaga ...«

      Also doch!

      »Safado sitzt aber ganz schön in der Tinte. Ein Antidrogentrupp hat seinen LKW mit 1.200 Kilo Kokain erwischt. Und einen Haufen Karabiner. Jetzt hocken zwei Kerle von ihm im Distrikt 17-A.«

      »Na und ... Was haben wir damit zu tun?« Cariagas Augen waren jetzt nur einen Spalt weit geöffnet.

      »Ich meine ... dass wir sie heraushauen sollten.«

      Cariaga schluckte. War Barrios noch bei Verstand?

      „... heraus ... hauen? Wir? Wie kommen Sie denn auf so etwas? Wer nicht aufgepasst hat, waren doch diese Brüder von Tres Rochas. Verdammte Esel sind das. Sollen selber sehen, wie sie da rauskommen.«

      Barrios drehte unhörbar am Türknopf. Wenn es so weit kam, musste man Cariaga Zeit lassen, um sich zur richtigen Entscheidung durchzuringen. Barrios ließ den Türknopf los und dann stand er plötzlich mitten im Raum. »Ich glaube ganz so einfach geht das nicht«, sagte er vorsichtig.

      »Wieso nicht?«

      »Weil man die Kerle zum Singen bringen wird und zwar ziemlich schnell. Sie kennen ja die Methoden!«

      »Na, und wenn schon!«

      Sackgasse. Senator Curzio ... richtig. So war es doch »Die Karabiner auf dem LKW sollen von der ORION stammen«, stieß Barrios hervor. Beschwörnd hob er die Hände. »Doutor Cariaga, wenn man bei der ORION im Dreck wühlt, und das würde die Bundespolizei zweifellos tun, dann könnte das sehr unangenehm werden. Für Sie persönlich, meine ich.«

      Pelo amor de Deus! Äußerst unangenehm sogar, schoss es Cariaga durch den Kopf. Die nächste Heereslieferung! Und ganz besonders wegen dem Senator. Sie brauchten sich doch. Curzio durfte keinesfalls mit hineingezogen werden. Barrios beobachtete, dass sich die Lippen des alten Mannes millimeterweit öffneten. Zwischen den gelben Zähnen kam die Zungenspitze hervor, dann schloss sich der Mund. Cariaga lächelte gequält. Hätte er sich doch nie darauf eingelassen.

      »Senhor, wir müssen zu einer sofortigen Entscheidung kommen«, erinnerte Barrios unbarmherzig. Cariaga stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte die Fingerkuppen zusammen. Das alles müsste gründlich durchdacht werden und dazu brauchte er Zeit. Wenn nur Curzio nicht wäre. Der bekannte Senator im Waffengeschäft! Von da an wäre es für Curzios Gegner nur ein Tagesmarsch und Cariaga hätte die Reporter vor der Tür. Der Konzernchef hatte nicht allzuviel Phantasie. Dennoch sah er die Orion bereits in fettgedruckten Schlagzeilen auftauchen. Was für ein Fressen für die Haie vom Fernsehen.

      »Warten Sie!« Cariaga senkte den Kopf und schien sich etwas zu notieren. Oder tat er nur so? Ja oder nein? Barrios setzte alles auf eine Karte. Entschlossen ging er zur Tür.

      »Einen Moment noch, Barrios.«

      »Doutor Cariaga!« Barrios versuchte, seiner Stimme einen warnenden Ton zu geben, ohne jedoch die geringste Bewegung eines Muskels im Gesicht des alternden Mannes feststellen zu können. Wusste Cariaga wirklich nicht, dass sie nur einen Ausweg hatten?

      Oder spekulierte er vielleicht damit, diese Kerle im Gefängnis auf die Schnelle liquidieren zu lassen, bevor sie viel quatschen konnten? Das erste Mal wäre es nicht.

      »Nur in diesem Fall ...«, fing Barrios an.

      »Ich weiß, ich weiß«, unterbrach ihn Cariaga gereizt. »So kriegen wir die Waffen nicht wieder, und die Untersuchung ließe sich nicht mehr aufhalten.«

      »Ganz genau!« Barrios nickte und sagte nur: »Safado!«

      »Mistkerl«, wetterte Cariaga und meinte damit den Boss von Três Rochas. »Haben Sie eine brauchbare Idee?«

      »Ich fürchte, wir werden nicht mehr viel Zeit haben, um nach neuen Ideen zu suchen«, antwortete Barrios und damit hatte er nicht Unrecht. »Die beiden Kerle von Três Rochas sollen morgen in die Lehmgruben kommen, wie ich informiert wurde und das hielt bis jetzt noch keiner durch.«

      »Safado wird uns das Kokain zahlen müssen und die Waffen natürlich auch. Und zwar bis auf den letzten Centavo!« schnaubte Cariaga.

      Barrios schwieg. Als ob die paar Kilo Kokain und ein LKW voll Waffen jetzt das Wichtigste wären. Barrios bemühte sich, ein gleichgültiges Gesicht zur Schau zu stellen, während er auf den stoßweisen Atem Cariagas lauschte. Dreißig lange Sekunden. Dann kam der Befehl.

      »Machen Sie, dass wir wieder zu den Waffen kommen!«

      Barrios atmete durch und verneigte sich kurz. Cariagas Befehl ließ keinen Zweifel zu. Im Klartext hieß das nichts anderes, als ein Kommando auf die Beine zu stellen.

      »Carlo di Flora wird das übernehmen. Verlässlich wie immer«, sagte Barrios gerade laut genug, so dass es von Cariaga noch verstanden werden konnte. Der Anwalt starrte vor sich hin. Schon wieder Carlo di Flora! Persönlich kannten sie sich nicht. Außerdem hatte Cariaga nicht die geringste Lust, diesem Mann jemals zu begegnen. Es genügte, zu wissen, dass es ihn gab. Sein Name war tabu im Haus und wenn man ihn einmal nannte, dann höchstens hinter vorgehaltener Hand. Wusste nicht jeder, was dabei herauskam, wenn man die Dienste dieses Mannes in Anspruch nahm? Einen Haufen Tote natürlich! Bei zweitausend Dollar pro Leiche fing di Flora’s Preisliste an. Was bekam man schon umsonst?

      Barrios schloss lautlos die Tür. Im Vorzimmer warf er Claudia ein Küsschen zu.

      »Neuigkeiten?«, fragte Guimaraes auf dem Korridor.

      »Nicht dass ich wüsste!« Barrios lächelte ihm zu und verschwand in seinem Büro. Er musste di Flora noch vor Mittag erreichen.

      »Wir haben da ein Problemchen, Carlo«, flüsterte er in sein Handy. »Sag schnell, wann können wir uns treffen?«

      »Paude arara!« Gleichgültig betrachtete Delegado Martinez den Gefangenen. Schließlich war das sein Job und außerdem war es jeden Morgen das Gleiche.

      »Mit allem Zubehör?«, fragte der Sergeant unnötigerweise. Das Maskengesicht nickte unwillig.

      »Klar. Sonst kriegen wir von dem Kerl da keinen Buchstaben raus!«

      »Also dann wollen wir mal ...«

      Mindestens das Blut am Pfahl hätten sie nach der Sitzung der vergangenen Nacht abwaschen können. Ganze Bände hätte die Papageienschaukel erzählen können. Von den Qualen der Häftlinge und vom Grausen in ihren Blicken und davon wie sie brüllten vor Schmerz und am Ende nur noch wimmerten und beteten und darum bettelten, man solle sie doch gleich draufgehen lassen.

      Martinez kannte das schon. Und deshalb schwor er auch auf seine Schaukel. Selbst wenn es eine der ältesten Methoden war, die man hierzulande kannte. Primitiv und probat wie vor zweihundert Jahren in der Sklavenzeit. Dazu konnten sie den Satanspfosten in ein paar Minuten abmontieren und verschwinden lassen, falls zufällig ein paar Menschenrechtler auftauchen sollten oder allzu neugierige Reporter im Vorzimmer standen.

      Martinez dozierte locker. »Wenn die erst mal den Pfahl in den Kniekehlen haben, Läufe und Pfoten kunstgerecht verschnürt, und sich die Welt mit dem Kopf nach unten hängend angucken, dann kommen am Ende alle zur Vernunft.«

      Stockschläge auf nackte Fußsohlen gab’s als Vorspeise. Die Widerspenstigsten kriegten eben das feine Säckchen mit nassem Kochsalz zwischen die Zähne gestopft und dann mal ordentlich Strom drauf.

      »Gleich wirst du sehen wie lustig du zappelst! Wie der reinste Hampelmann!« Der Sergeant grinste dem Gefangenen ins Gesicht, während sie ihn über das Rundholz zerrten.

      Martinez stieß die Eisentür mit einem Stiefeltritt ins Schloss. Storca schrie auf. Sein Kopf wurde nach links gerissen und dann nach rechts und wieder nach links, bevor der zweite Stromstoß durch seinen Körper raste. Muskelkrämpfe, die im Rückenmark endeten, die Zähne verbissen sich im Salz. Bewusstlos schaukelte sein Körper am Pfahl.

      »Los,