Mario Monteiro

Das Kartell der Skorpione


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seine Frau wissen, wo das ganze Geld geblieben sei.«

      Cariagas Miene verfinsterte sich, als er auf die Liste blickte. Wenn Barrios so anfing, dann war abzusehen, worauf er hinauswollte.

      »4o.000 Dollars ... jeden Monat!« Das Kinn Cariagas sprang bedrohlich nach vorne. Hatte Barrios eigentlich die letzte Spur an Verstand verloren? Oder hatte er Silveira bereits Versprechungen gemacht und wusste jetzt nicht, wie er da herauskommen sollte?

      »Unmöglich«, war Cariagas knapper Kommentar. Kürzung um eine Null. Barrios zwang sich, kühl zu bleiben.

      »Denken Sie doch mal, was wir den anderen zahlen«, erinnerte Cariaga. Irgendwo müssten Grenzen gezogen werden. Barrios sah demonstrativ an die Wand. Sollte er sich wochenlange Vorarbeiten durch einen einzigen Strich Cariagas vermasseln lassen? Seit drei Monaten hatte er den Polizeichef in der Zange. Mit einer Stichelei bei einem der wöchentlichen Tanzabende im Korps hatte er die Offensive eingeleitet. Silveira sei zu fett und müsse endlich etwas für seine Figur tun, witzelte Barrios. Eine Woche später hatte er den ehemaligen Polizeikameraden im ›Paratí‹ und Silveira schien allen Ernstes entschlossen, seinem Wanst ein Ende zu machen. Drei mal wöchentlich kam er ins Institut. Den Rest besorgte Eleonora. Die attraktive Gattin ließ sich gerne überzeugen. Dabei schien sie der gelegentliche Flirt Silveiras mit dem jungen Ding nicht einmal sonderlich zu stören. Sie selbst nahm es ja auch nicht so genau. Nur die Kohlen müssten stimmen, beschwerte sie sich.

      Barrios lächelte taktvoll. Sie könnten es doch viel schöner haben, machte er ihr klar. Wenn Francisco nur nicht so pingelig wäre.

      Plötzlich streckte sie sich.

      »Ach Barrios«, stöhnte sie und gab ihm einen vertraulichen Kuss auf die Stirn, während Silveira noch unter dem Muskeltrainer Schweißtropfen produzierte.

      »Wenn du nur wüsstest ...«

      Barrios lächelte und winkte ab. Dann rechnete er ihr vor, was dabei herauskommen könnte.

      Von da an hatte Silveira keine Ruhe mehr. Barrios bearbeitete ihn Tag für Tag und Eleonora in der Nacht. Sie hätte allmählich genug von den d00fen Weibern im Korps und wolle in den Country-Club zum Golfen. Natürlich könnten sie sich dort mit ihrer alten Kutsche nicht sehen lassen und die meisten Kollegen Silveiras säßen schon längst in noblen Importkarossen.

      »Guck dich doch endlich um, wie die das machen«, quälte sie ihn. Dann ließe sich die Scheidung vielleicht doch noch vermeiden und die koste schließlich auch ein Schweinegeld.

      Barrios wandte seinen Blick von der Wand ab und blickte ungerührt in Cariagas versteinertes Gesicht. Abwehrend hielt er ihm die Hände entgegen.

      »Ich weiß, ich weiß«, sagte er beschwörend. Für die ungezählten Manöver, mit denen Barrios einen Polizeioffizier nach dem anderen an Land zog, interessierte sich Cariaga meistens nicht. Nur finanzielle Erfolge zählten und das Riesenfass an Schmiergelder durfte nicht überlaufen.

      Barrios war der gleichen Meinung, nur passten Cariagas Wege nicht in sein Konzept. Seit letzter Woche musste er plötzlich aufpassen, sich mit dem Boss nicht gründlich auseinander zu diskutieren. Am liebsten hätte er gleich mal richtig mit dem Kopf geschüttelt.

      »Also«, kam es hart über den Tisch. Und dann noch einmal: »Also?«

      Cariaga klopfte mit dem Kugelschreiber auf den Bogen. Barrios ließ seine Neuronen funken.

      »Silveira hat über 200 Haftbefehle auf seinem Tisch!«

      »Was für Haftbefehle?«

      »Leute von uns. Dealer, Banker, einen Cessna-Piloten.«

      Die Information schlug wie eine Bombe ein.

      »Zwei...hun...dert?«, fragte Cariaga ungläubig.

      »Mindestens.« Barrios wagte vorsichtiges Grinsen. »Letzte Woche war ich in Silveiras Büro. Dabei ließ er mich ein bisschen in seinen Akten blättern. Wohl nicht ganz ohne Absicht seinerseits. Da steht eine ganze Batterie von unseren Leuten drin. Wichtige Männer, Senhor Cariaga. Okay! Silveira versprach mir, nicht einen Einzigen zu verhaften!«

      »Warum eigentlich nicht?«

      »Natürlich hängt das mit der Prämie zusammen.«

      Der Anwalt presste die Lippen zusammen. Sein schmächtiges Kinn nach vorne schiebend, betrachtete er sich die Höhe des eingesetzten Betrages, während Barrios Daumen und Zeigefinger aneinander rieb.

      „... Wenn er die Burschen nicht finden kann ... wenn die Adressen nicht stimmen ... wenn sie informiert werden, bevor das Kommando losfährt, um sie abzuholen. Wie sollen sie dann verhaftet werden?«

      »Mhm.«

      »Und außerdem ...«

      »Ja, was denn noch?«, fragte Cariaga gereizt. »Was gibt’s denn noch?«

      Barrios wusste, dass er die Gefahr, in der er sich jetzt befand, nicht unterschätzen durfte. Cariaga erwartete sofortige Antwort, und zwar mit einem unwiderlegbaren Argument.

      »Francisco Silveira ist mit Richter Parotti verschwägert«, platzte er heraus. Die Nachricht, der Staatspräsident sei soeben ermordet worden, hätte den Anwalt nicht empfindlicher schocken können.

      »Was ...?« Er schien nach Luft zu schnappen. »Sie wollen behaupten, dass diese Eleonora Silveira die Schwester von Richter Parotti ... Mann ... und damit kommen Sie erst jetzt?«

      »Ich weiß es erst seit letzter Woche«, log Barrios. »Aber es gibt keinen Zweifel. Sie ist seine Schwester. Übrigens seine einzige.«

      Cariaga schien es noch immer nicht glauben zu wollen. Dann lachte er schallend. Unkontrolliert und außer sich, so wie ihn seine Umgebung nur selten erlebte, dröhnte Cariagas Gelächter über den Tisch. In einem Anfall rasender Heiterkeit warf er den Rotstift auf die Liste.

      »So ist das also!« Fassungslos verschränkte er die Arme und sah Barrios mitten ins Gesicht. »Dieser widerspenstige, aufgeblasene Parotti, der seine Fratze jedes Mal vor die Kamera streckt, sobald er wieder so ein mickriges Dealerchen ins Gefängnis schicken kann ... das also ist der Schwager von ... von Ihrem Silveira?«

      »Genau der«, bestätigte Barrios und schien aus der Gefahrenzone heraus zu sein. Cariaga spielte mit dem Rotstift.

      Wer kannte ihn nicht, den dicken, redegewandten Juristen, populär und zugleich mit seiner unersättlichen Gier, bei jeder Gelegenheit in der Öffentlichkeit zu erscheinen und Millionen vor den Fernsehapparaten zu beeindrucken. Als ob Parotti allein in der Lage wäre, mit den Burschen in den Bergen abzurechnen. Ärgerlich schüttelte Cariaga den Kopf. Barrios war seiner Sache sicher. Nur noch ein leichter Druck und dann ...

      »Wie ich höre soll Parotti Ende des Jahres pensioniert werden. Man sagt, er wolle eine Anwaltspraxis aufmachen.«

      »Natürlich.« Cariaga grinste an die Decke. »Typisch Parotti! Verschwägert sind die beiden und jetzt geht der Kerl in Pension.«

      Als ob er die Pläne des Kartells durchkreuzen könnte. Ganz im Gegenteil! »Gott sei mit ihm!«, beendete Cariaga das Thema. Dennoch, einfach zuzugeben, dass man in diesem Fall vor einer ganz anderen Situation stehe, fiel Cariaga nicht leicht. »Trotzdem«, fing er noch einmal an, »so einen Haufen für Silveira ... ganz allein für Silveira ...«

      Barrios dachte nicht daran, aufzugeben.

      »Die Haftbefehle«, erinnerte er. Ganze LKWs voll könne Silveira hinter Gitter schicken, wenn er nur wolle. Cariaga schien ins Leere zu blicken. In Wirklichkeit war er mit seinen Gedanken bei einem Untersuchungsrichter, der in irgendeiner Amtsstube saß und einen Haftbefehl nach dem anderen ausstellte.

      »Und was? An was denken Sie?«, fragte Cariaga völlig unerwartet. Barrios fühlte sich ertappt. »Sie wollen doch nicht etwa Parotti engagieren?«

      Barrios lachte befreiend. »Nicht so direkt natürlich. Nur ihn ab und zu ... sagen wir mal ... ihn um eine kleine Gefälligkeit bitten ... Silveira würde