Journalist und Bühnenschriftsteller Gustav Davis als Herausgeber der Österreichischen Kronenzeitung lag mit 146.000 Kronen an 513. Stelle. Die erste Nummer der Österreichischen Kronenzeitung war am 2. Jänner 1900 erschienen, zum Monatspreis von einer Krone, im Einzelpreis zu 4 Hellern, parallel zur Einführung der Kronenwährung, die ab 1. Jänner dieses Jahres galt. 1906 wurden bereits mehr als 100.000 Exemplare verkauft. 1909 war sie mit 130.000 Exemplaren zur auflagenstärksten Wiener Zeitung geworden. Davis, 1900 noch pensionierter Oberleutnant und mehr oder weniger erfolgreicher Bühnenschriftsteller, verdiente innerhalb von zehn Jahren ein Riesenvermögen, das er in Grundbesitz veranlagte. In den Jahren zwischen 1908 und 1913 kaufte er 14 Bauerngüter im Gebiet von Hohenlehen im Ybbstal. Insgesamt hatte Davis innerhalb von fünf Jahren einen Großgrundbesitz im Ausmaß von ca. 2.000 ha für insgesamt etwa 1,4 Mio. Kronen zusammengekauft. 1909 ließ er sich ein Schloss samt Gartenhaus und Park, Meierhof, Verwaltungsgebäude, Pförtnerhaus und Personalwohnhaus errichten.258 In Wien bewohnte das Ehepaar Davis etwa 15 Zimmer im 1. Stock des Eckhauses Kolingasse/Schlickplatz. Nach dem Anschluss 1938 verlor er die Zeitung und wechselte auch seine feudale Wiener Adresse. Nach 1945 wurden die Titelrechte von den Erben an Hans Dichand verkauft.
REICHE „ARME“ STAATSDIENER
Rudolf Sieghart nannte den Staatsdienst das „nobile officium“ par excellence. Das Prestige des Staatsdienstes war beträchtlich. Voll Stolz wurde der Hofratstitel vor den Professorentitel gestellt.259 Die Literaturgeschichte der vor dem Ende stehenden Habsburgermonarchie ist voller Beamter, vom technokratischen Sektionschef Tuzzi in Robert Musils Mann ohne Eigenschaften über den Hofrat Winkler in Schnitzlers Professor Bernhardi, den Bezirkshauptmann Trotta in Joseph Roths Radetzkymarsch, den Sektionsrat Geyrenhoff in Doderers Die Dämonen und den Tabakamtsrat Melzer in der Strudlhofstiege bis hin zur grotesken Überzeichnung beamteten Kompetenzdschungels bei Fritz Herzmanovsky-Orlando. Der „Beschwichtigungshofrat“, dem jede Lösung eines Problems zuwider war, war die Kehrseite der Medaille: „Tue nichts und verhindere alles.“ „Als Beamter“, lässt Arthur Schnitzler den Hofrat Winkler in seinem Stück Professor Bernhardi sagen, „da hat man nur die Wahl, Anarchist oder Trottel“.
Seit dem Beamtengehaltsgesetz von 1873 war die Beamtenschaft in 11 Rangklassen gegliedert, von 1.200 Kronen in der untersten Rangklasse elf bis 24.000 Kronen an der Spitze in Rangklasse eins. Das Verhältnis zwischen oberster und unterster Rangklasse war wie 15 zu 1. Die große Unterscheidung bestand zwischen den Konzeptsbeamten und den Kanzleibeamten. Die Ersteren hatten Hochschulbildung. Ohne Hochschulstudium, bevorzugterweise Rechtswissenschaft, kam man nicht in die Konzeptsränge. In den ersten beiden Rangklassen befanden sich der Ministerpräsident und die Minister, in die Rangklassen III (18.000 Kronen) und IV war die höchste Beamtenschaft (Statthalter, Landespräsidenten, Polizeidirektoren, Sektionschefs und die Präsidenten der Höchstgerichte) eingereiht. Die höhere, akademisch gebildete Beamtenschaft nahm die V. bis VIII. Rangklasse ein (2.800 bis 12.000 Kronen). Niedere Beamte waren in der X. und XI. Rangklasse. In der X. Rangklasse verdiente man 2.200 bis 2.800 Kronen, in der XI. 1.600 bis 2.200 Kronen. Die Beamten der V. bis XI. Rangklasse erhielten eine Aktivitätszulage, die hohen Beamten Funktionszulagen. Die Aktivitätszulagen waren vom Dienstort abhängig, die Funktionszulagen waren als Repräsentationskosten gedacht. Innerhalb der Rangklassen gab es Vorrückungen im Fünfjahresabstand. In den beiden höchsten Rangklassen wurde die Besoldung bis 1914 nicht erhöht, während die Gehälter der Rangklassen III und IV im Jahr 1898 und die der Rangklasse V 1907 eine sehr milde Steigerung erhalten hatten und die Gehälter der Rangklassen VI bis XI sowohl 1898 wie 1907 signifikant gestiegen waren. Sehr schlecht hingegen verdienten jene Staatsbediensteten, die gar nicht in den Beamtenrängen waren, sondern als Bürodiener oder als Anwärter auf einen Posten Dienst machten.
Als Beamter gehörte man ohne Zweifel zur Herrenklasse, schrieb Otto Friedländer, auch wenn man arm war.260 Für Beamte lag allerdings, auch wenn sie generell unverhältnismäßig gut verdienten, ein Einkommen jenseits der 100.000 Kronen außer jeder Reichweite. Das galt auch für Offiziere, die noch dazu das Privileg hatten, von der Einkommenssteuer befreit zu sein. Für die Diplomatie war ein gewisses Privateinkommen Voraussetzung. Der unvermeidliche repräsentative Aufwand eines Botschafterdaseins sollte nicht ausschließlich aus Steuergeldern finanziert werden.261 Weil das soziale Prestige der Beamten so hoch war, übten einige Millionäre ihren Dienst weiterhin aus, auch wenn das damit erzielte Einkommen für sie nur ein vergleichsweise kleines Zubrot bedeutete. Auf diese Weise finden sich 20 Beamte unter den Millionären. Die Rede vom „Mönchsgelübde“ im Staatsdienst, von der gedrückten sozialen Lage der Staatsdiener, war vor 1914 mehr Märchen als Realität, insbesondere in den Konzeptsrängen. Millionäre, schreibt Friedländer, sähen gerne einen Schwiegersohn im Ministerium, ein Fabrikant hätte mit einem Bezirksrichter Freude, ein wohlhabender Fleischhauer mit einem Steuerbeamten.262 Für eine Beamten-, Armee- oder Diplomatenkarriere war adelige Herkunft von Vorteil. Und für nachgeborene Millionärssöhne oder für fesche junge Männer, die über Heirat zu Geld gekommen waren, war der Beamtenstand ein schöner Ausweis ihrer Ehrbarkeit. Die Sektionschefs seien zusammen mit dem Kaiser die Herren des Landes, so Friedländer.263 Kaiser Franz Joseph verstand sich in josephinischer Tradition als Beamter. Die selbst gewählte Berufsbezeichnung des Kaisers als „selbständiger Beamter“ war zwar ein Widerspruch in sich.264 Aber für Spitzenverdiener, die Beamte waren, galt diese Widersprüchlichkeit. Sie waren Beamte, waren aber eigentlich Selbständige oder „Privatiers“ ohne wirklich feste Dienstzeit, mit hohem Ansehen und entsprechender finanzieller Anerkennung.
Der Kaiser stilisierte sich als unablässig im Dienst und am Schreibtisch sitzend, von fünf Uhr früh bis acht Uhr abends. Solche Mythen sind sehr propagandawirksam. Die Realität war eine andere. Die Arbeit in den Büros war vielen Zeugnissen zufolge nicht sehr aufreibend: reden, im Kaffeehaus sitzen, Zeitung lesen … „Der Dienst im Außenamt war in jeder Hinsicht angenehm“, schreibt Ernest U. Cormons über seine dortigen Erfahrungen: „Die offiziellen Amtsstunden waren von elf bis ein Uhr und von drei bis sechs Uhr. Man konnte aber auch später kommen und früher gehen, es wurde das nicht so genau genommen.“265 Andererseits ist durchaus beeindruckend, welche Leistungen vollbracht wurden: Bescheide und Memoranden in geschliffensten Formulierungen, Aktenberge in gewaltigen Dimensionen, endlose Zahlenreihen in statistischen Dokumentationen, allein zur Einkommenssteuerstatistik jährlich an die gedruckten 1.000 Seiten, und das alles ohne Schreib- und Rechenmaschinen, händisch geschrieben, händisch addiert, ohne viele erkennbare Fehler.
Das soziale Ansehen war beim Dienst in den Ministerien am höchsten, allen voran im Außenministerium. Dann kamen die politischen Beamten bei den Statthaltereien, dahinter die Richter, Finanzbeamten, Lehrer. Die Statthaltereien und Bezirkshauptmannschaften waren das Rückzugsgebiet des alten Adels, ebenso bestimmte Ministerien, das Außenministerium und das Unterrichtsministerium. Es musste ja nicht gleich so sein wie bei Hieronymus (Girolamo) Freiherr von Alesani, der von 1874 bis 1887 Landespräsident der Bukowina war und durch seine Gattin Eugenie zum Millionär geworden war. Eugenie, eine geborene Haas von Teichen, versteuerte 1910, längst verwitwet, noch mehr als 100.000 Kronen. Die nicht gerade freundliche Charakterisierung, die Emil Franzos von seiner Amtsführung gibt, mag übertrieben und voreingenommen sein, doch ganz untypisch war sie nicht: „Baron Alesani – er war in den Freiherrnstand erhoben worden – tat allmählich nichts mehr, in des Wortes verwegenster Bedeutung nichts; er kümmerte sich um die Geschäfte überhaupt nicht mehr und ließ seine Beamten tun und lassen, was ihnen irgend beliebte. Wie Baron Alesani angeblich seine Zeit ausgefüllt haben soll, würde in eine Chronique scandaleuse von Czernowitz, nicht in ein ernsthaftes Buch gehören; wer ihn entschuldigen will, behauptet, dass er in den letzten Jahren geistesschwach oder geradezu gemütskrank gewesen sei.“266
Das hohe Ansehen des öffentlichen Dienstes bewog einzelne Millionäre in den Staatsdienst zu gehen oder dort zu verbleiben, obwohl die daraus resultierenden Einkommen für sie kaum ein Motiv darstellen konnten. Aus einer Professorenfamilie stammte Dr. Theodor von Brücke, k. k. Oberlandesgerichtsrat, Sohn des berühmten Physiologen Ernst Wilhelm Brücke. Das hohe Einkommen stammte von seiner Gattin Emilie, genannt „Milly“, einer Schwester Karl Wittgensteins. Ähnlich verhielt es sich mit dem Ministerialvize-Sekretär Dr. Max Frh. v. Allmayer-Beck. Er war von seinem